Lindlar und WipperfürthExperten für Gas-Alternativen sprechen von Chaos und Wahnsinn

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Die steigende Gaspreise führen zu verstärkter Nachfrage nach Alternativen für Heizung und Warmwasser. 

Wipperfürth/Lindlar – Holzofen, Pelletheizung oder Wärmepumpe. Das Szenario einer Erdgasknappheit im kommenden Winter treibt die Menschen um. Doch der aktuelle Boom bei den Alternativen treibt auch dort die Preise in nie gekannte Höhen und führt mitunter zu chaotischen Zuständen am Markt.

Wie sieht es aktuell beim Brennholz aus?

Wer im Herbst Scheitholz bunkern will, muss tief in die Tasche greifen, so viel steht fest. Die Kaminholzhändler in der Region sind sich einig, dass der Preis für den sogenannten Schüttraummeter Buche die 100-Euro-Marke locker knacken wird. Verglichen mit den Vorjahren ist das eine Teuerung um 20 bis 30 Prozent. „Es gab noch nie so viele Vorbestellungen“, berichtet Jörg Lob aus Lindlar-Horpe, der seit fast 20 Jahren im Geschäft ist. Und weiter: „Regelmäßig ist der Preis zweitrangig – die Menschen wollen unbedingt bestellen und es warm haben, darauf kommt es ihnen an.“ Lob führt inzwischen eine Warteliste, alle Anfragen wird er nicht bedienen können, das zeichnet sich bereits jetzt ab. Ganz oben stehen seine Stammkunden aus den Vorjahren, der Rest muss sich einreihen oder woanders sein Glück versuchen.

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Die Nachfrage nach Kaminöfen ist groß, es gibt lange Wartezeiten. 

Matthias Blaß aus Wipperfürth-Abstoß wurde im vergangenen Herbst regelrecht leergekauft und hat seither keinen neuen Vorrat mehr gespalten und gesägt – weil es so gut wie keinen Nachschub gibt. „Jeder, der im Bergischen Land professionell eine Motorsäge bedienen kann, ist nach wie vor mit den Kalamitäten bei der Fichte beschäftigt“, klärt der Wipperfürther Revierförster Marvin Stiehl auf. Der Wegfall der Nadelbäume habe oft auch die Ränder angrenzender Laubwald-Parzellen beschädigt. „In dieser Situation schwächt niemand seinen Laubwald zusätzlich durch Aufforstung“, sagt Stiehl.

In die aktuell instabilen Verhältnisse im Wald lässt der Revierförster inzwischen nur noch zertifizierte Unternehmen, der gewöhnliche Motorsägen-Führerschein des Privatmannes reicht ihm nicht mehr. Und damit konzentriert sich alles weiter auf die Fichte, während die als Ofenholz beliebten Buchen, Eichen und Birken stehenbleiben. „Der Holz-Nachschub bleibt aus und dazu kommt die Furcht, dass es bald kein Gas mehr gibt“, fasst Matthias Blaß die Sorge der Anrufenden zusammen. Täglich erreichen ihn in diesen Tagen Anfragen nach Brennholz für den Winter.

Ist ein Ofen eine mögliche Alternative?

Einen Ofenbauer aus der Region ans Telefon zu bekommen, ist in diesen Tagen ein echtes Kunststück. „Wir sind nicht mehr in der Lage, Lieferzeiten und Preise verbindlich mitzuteilen und bitten um Verständnis, wenn im Moment alles ein wenig durcheinander läuft“, schreibt zum Beispiel die „Bergische Ofenwelt“ in Gummersbach-Derschlag auf ihrer Homepage. Einen guten Überblick haben allerdings auch die bergischen Schornsteinfeger – denn sie müssen die Öfen vor der Inbetriebnahme abnehmen.

Vom „absoluten Wahnsinn auf dem Ofenmarkt“ spricht der Lindlarer Schornsteinfegermeister Florian Mauel mit Blick auf die letzten Monate. Schon im vergangenen Winter habe es überdurchschnittlich viele neue Ofenanmeldungen gegeben. „Der Kriegsbeginn hat die Nachfrage dann regelrecht explodieren lassen.“ Besonders gefragt – aber bereits seit Monaten ausverkauft – seien Küchenöfen, auf denen man auch kochen und Wasser erhitzen könne. Der gesamte Ofenmarkt sei aktuell leergeräumt, so Mauel. „Über das Internet mag man noch einige Exemplare bekommen, muss dabei aber auf die Qualität achten.“ Auch Florian Mauel berichtet von ernsten Ängsten der Menschen. „Die Sorge, im Winter frieren zu müssen, steckt in den Köpfen.“

Lohnen sich Holzpellets trotz der hohen Preise?

Die Raiffeisen-Waren-Genossenschaft (RWG) an der Wipperfürther Bahnstraße zählt zu den größten Energielieferanten in Oberberg. In den vergangenen Jahren gab es für Holzpellet-Kunden stets eine Sommeraktion mit günstigen Konditionen. „In diesem Jahr gibt es dafür keinen Spielraum“, stellt RWG-Verkaufsberater Peter Krahnenfeld klar und rechnet vor. So seien sechs Tonnen eine gängige Bestellgröße eines Privathaushaltes.

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Im Juli 2021 zahlte der Wipperfürther Pelletkunde 186 Euro pro Tonne. Die aktuelle Preisliste an der Bahnstraße weist für die gleiche Menge 598 Euro aus. Auch für die Holzpellets gilt: Einerseits fehlt der Nachschub, andererseits steigt die Nachfrage enorm. „Das verteuert den Zukauf stark“, verrät Krahnenfeld. Ordern die Menschen trotz des hohen Preises? „Nach und nach trudeln die Bestellungen jetzt ein“, berichtet Peter Krahnenfeld. Denn die Menschen, wie auch die RWG, fürchteten, dass der Preis in Richtung Herbst eher noch weiter steigen werde.

Was sagen die Fachleute zu Wärmepumpen?

Trotz gestiegener Strompreise steht die Wärmepumpe ganz oben auf der Liste beliebter Alternativen zum Gas, das bestätigen mehrere Sanitärbetriebe in Wipperfürth und Lindlar. Bis ein solches Gerät allerdings für Wärme sorgt, ist Geduld gefragt. „Wir erleben momentan ein wahres Chaos“, berichtet Heizungsbaumeister Rainer Wedding aus der Wipperfürther Innenstadt von seinem Arbeitsalltag. Die Auftragsbücher sind randvoll, aber die Technik fehlt. „Bestellungen auf Abruf sind komplett unmöglich geworden. Geräte, die ich in diesen Tagen anfordere, wird erst im nächsten Jahr geliefert“, beschreibt Wedding die Situation.

Immer wieder fehlten Einzelteile, was mitunter dazu führt, dass Wedding und seine Kollegen halb fertige Heizungen zurücklassen müssen. „Das ärgert den Kunden natürlich und manchen fehlt mit Blick auf den Winter die Geduld – aber die Situation ist wie sie ist“, so Wedding, der mit im Boot sitzt, denn diese Anlagen kann er vorerst auch nicht abrechnen. Obendrein schlage derzeit der Fachkräftemangel in der Branche voll durch. Heißt: Selbst wenn Material da ist, fehlt es an Händen es zu montieren. Bei der Wärmepumpe rechnen Rainer Wedding und seine Kollegen jedenfalls nicht mit schneller Entspannung – sondern mit einem heißen Herbst, in dem die Angst vor einem kalten Winter 2022 dominiert.

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