Vom Dachboden zum WohnheimSelbstbestimmt leben trotz Handicap

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Viel Platz bietet der ehemalige Heuboden für die Wohngemeinschaft (o.). Manuel mit Betreuerin Alisa Arendt kann im eigenen Zimmer telefonieren (u.l.), Kean zeigt mit Stolz sein FC-Fanzimmer (u.r.).

Viel Platz bietet der ehemalige Heuboden für die Wohngemeinschaft (o.). Manuel mit Betreuerin Alisa Arendt kann im eigenen Zimmer telefonieren (u.l.), Kean zeigt mit Stolz sein FC-Fanzimmer (u.r.).

Thier – Richtig gemütlich ist es auf dem einstigen Heuboden an der Johann-Wilhelm-Roth-Straße. Während vor den bodentiefen Fenstern der November regiert, funkeln drinnen Lichter, es duftet nach Kaffee und Plätzchen. Vor wenigen Tagen erst ist der fünfte Bewohner eingezogen – das neue Wohnkonzept von Noh Bieneen ist damit voll besetzt.

Unterstützung

Das Wohnprojekt „Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“ setzt Noh Bieneen seit Juli 2021 um. Unterstützt wurde der Verein im Vorfeld von der Sozialstiftung der Kreissparkasse Köln, die den Einbau der Küchen mit 4000 Euro förderte. Die Hans Hermann Voss-Stiftung spendete weitere 2500 Euro. (sfl)

„Hier ist Platz für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“, erklärt Nina Pick und geht durch den hellen und besonders breiten Flur. Ambulant vor stationär, so lautet die Vorgabe des Gesetzgebers, der damit auch Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen möchte.

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Hohe Nachfrage nach individuellen Möglichkeiten

Drum werden Plätze für Wohnheime nicht mehr bewilligt. „Es gibt eine hohe Nachfrage nach individuellen Möglichkeiten, deshalb haben wir uns zum Ausbau des Heubodens entschieden“, erinnert sich Pick, die bei Noh Bieneen die ambulanten Dienste leitet. 360 Quadratmeter verwandelten sich in zwei Wohnungen, die das Quintett inzwischen angemietet hat.

Auch die Verträge mit einem externen Pflegedienst, der regelmäßig vorfährt, haben die Bewohner direkt über ihre Betreuer abgeschlossen. „Die Wohnungen könnten auch über das Stadtgebiet verteilt sein – für die Organisation der Betreuung ist es natürlich einfacher, wenn mehrere Klienten an einer Hausnummer leben“, sagt Nina Pick.

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David zog im Juli auf die Thier, er war der erste Nutzer des neuen Wohnkonzepts. Vor Ort hat er sich gleich in den Ausblick verliebt. Inzwischen weiß jeder im Haus: Wer David sucht, muss auf der Terrasse nachsehen. Früher hatte David deutlich mehr direkte Nachbarn. Umso mehr genießt er inzwischen die Rückzugsmöglichkeit in der eigenen Wohnung. Er wirkt glücklich auf der Thier. Für Manuel ist es die erste eigene Adresse. „Zu Hause zu wohnen war schön – aber hier ist es genauso schön“, strahlt der 29-Jährige. Die Küche hat er zu seinem Reich erklärt, das erkennt man schon an der Lampe mit dem Emblem des FC Bayern München. Hier tüftelt Manuel inzwischen gerne an Suppenrezepten.

„Dieses Konzept gibt uns ein gutes und sicheres Gefühl“

Um den Übergang wie in Manuels Fall leichter zu gestalten, hat Noh Bieneen die künftigen Betreuer schon einige Zeit vor dem Bezug der Wohnungen eingestellt. „Die Kollegen haben die heutigen Bewohner dann regelmäßig zu Hause betreut, so konnten sich beide Seiten gut aneinander gewöhnen“, erklärt Nina Pick den Hintergrund.

„Dieses Konzept gibt uns ein gutes und sicheres Gefühl“, betont Jutta Sieper, Manuels Mutter. Kürzlich hat der Sohn seinen Eltern eine Einladung verkündet, über die sie sich besonders gefreut haben. Heiligabend 2021 möchte Manuel zum allerersten Mal selbst der Gastgeber sein.

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