Westdeutsche KlettermeisterschaftGeisterklettern um den Titel

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Zuschauer waren nicht erlaubt, per Smartphone schickt hier eine Begleiterin Grüße an die Fans zu Hause.

Zuschauer waren nicht erlaubt, per Smartphone schickt hier eine Begleiterin Grüße an die Fans zu Hause.

Lindlar – Die Hessen beißen noch einmal in die Banane, die Rheinländer setzen lieber auf stilles Mineralwasser und das Team Saarland entspannt am besten beim Blick in den bergischen Regen. Während am Samstagabend letzte technische Vorbereitungen für die Finalrunde der Westdeutschen Meisterschaft im Vorstiegsklettern laufen, ziehen sich die Hauptdarsteller am liebsten zurück.

54 Sportkletterer, je zur Hälfte Männer und Frauen, sind in die 2T-Arena an der Bismarckstraße gekommen, um hier erstmals die besten Athleten aus vier Bundesländern unter sich auszumachen. Der Wettbewerb ist die letzte Stufe vor dem Kampf um die Deutsche Meisterschaft. „Qualifiziert sind nur die erfolgreichsten Sportler aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland – wir haben heute wirklich hochkarätige Kletterer am Start“, erklärt Marcel Besgen, stellvertretender Geschäftsleiter der 2T-Kletter- und Boulderhalle.

Weitere Qualifikationsrunden sind tagsüber bereits gelaufen, bevor am Abend je acht Aspiranten auf den Titel feststehen. Anfangs durften die Starter die Routen hinauf in 15 Meter Höhe und die Leistungen der Konkurrenz in Ruhe beobachten – für den Blick auf die Finalstrecke bleiben ihnen hingegen nur wenige Augenblicke.

Lars Bell und Nikolai Petrov, die Routentüftler des Deutschen Alpenvereins (DAV), lüften die Verkleidung ihres Werkes erst kurz bevor die Männer und Frauen in der „Isolationszone“ verschwinden müssen. Dort ist das Reglement streng: kein Smartphone, kein Kontakt zur Kletterhalle und mindestens ein Begleiter beim Gang zur Toilette.

Haltepunkte so klein wie ein 2-Euro-Stück

Elisa van der Wel ist die erste, die sich nach oben arbeiten muss. Nach zwei großzügigen Griffen in den Magnesiumbeutel geht die 23-Jährige aus Zweibrücken die Route mit enormem Tempo an. Manche der grünen Haltepunkte in luftiger Höhe sind kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück. Van der Wel klebt in den unmöglichsten Winkeln an der Wand, je höher es geht, umso öfter muss sie pausieren und ihre Arme ausschütteln. Sechs Minuten bleiben ihr, um die Spitze der Kletterwand zu erreichen. Gleich mehrere Überhänge warten unterwegs.

„Regelmäßig sind die Strecken allerdings so konzipiert, dass es kaum möglich ist, ganz nach oben zu kommen“, verrät Besgen. Ein paar Meter weiter blickt die sechsköpfige Jury um Burgi Beste, die Vizepräsidentin des DAV, konzentriert in die Höhe und auch auf die Tablets. Die Sportler ernten nämlich Punkte für ihre zurückgelegte Strecke, aber eben auch für die korrekte Ausführung bestimmter Griffe. Mehrere Kameras sind deshalb so positioniert, dass die Schiedsrichter die Handbewegungen der Kletterer in acht Metern Höhe bequem in Großaufnahme verfolgen können.

Die jüngste Finalistin ist 16

Erst kurz vor der Decke verlassen van der Wel die Kräfte. Trotzdem kann sie den Wettbewerb bis zum Schluss am Tisch der Führenden verfolgen. „Die Halle hier in Lindlar ist wirklich toll geworden. Nur leider liegt sie von uns so weit entfernt“, lacht die Zweibrückerin. Morgens um 4 Uhr ist ihre persönliche Operation Titeltraum am Samstag gestartet. Eine deutlich kürzere Anfahrt haben Lili Cornely, mit 16 Jahren die jüngste Finalistin, sowie Leander Carmanns hinter sich. Die beiden Kölner können letztlich jedoch nicht nach den Titeln greifen.

Durch Corona findet die Meisterschaft erstmals ohne Zuschauer statt. Wenn überhaupt, haben die Kletterer ihre engsten Angehörigen oder den Lebenspartner mitgebracht. Dafür wird der Wettbewerb per Live-Stream übertragen. Gleiches ist auch für die Deutsche Meisterschaft am kommenden Wochenende in Dietmannsried im Allgäu geplant, für die sich alle 16 Lindlarer Finalisten qualifiziert haben. Hartnäckigen Muskelkater können sich die besten Kletterer Westdeutschlands gerade auf keinen Fall leisten.

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