Wipperfürther MarktplatzIndische Grauwacke bisher nicht von Fair Stone zertifiziert

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Marktplatz Wipperfürth Grauwacke

Der Wipperfürther Marktplatz

Wipperfürth – Es vergeht aktuell fast kein Tag, an dem es nicht irgendeine neue Information zur indischen Grauwacke für den Marktplatz gibt. Diese allerdings hat es wirklich in sich. Wie der Verein Fair Stone auf Nachfrage der BLZ mitteilte, werden zurzeit keine Pflastersteine aus Indien zertifiziert.

Die Steine, die laut Aussage des Lieferanten, der Stonepark GmbH aus Diepholz, aktuell in Indien abgebaut werden, haben definitiv noch kein Fair Stone-Siegel. Ein Mitarbeiter des Unternehmens, der namentlich nicht genannt werden wollte, hatte unserer Zeitung gegenüber mitgeteilt, dass nach den Bedingungen des Zertifikats abgebaut würden.

Fair Stone-Zertifikat

Der WiN=WiN Fair Stone Standard wurde im Rahmen eines übergreifenden Projekts ab 2007 unter Begleitung von internationalen Experten entwickelt und 2009 für EU-Importeure geöffnet. 2014 wurde für die Überwachung des Standards der Verein Fair Stone e.V. gegründet.

Nach eigener Aussage haben die ehrenamtlichen Mitglieder, derzeit sind es 16, kein kommerzielles Interesse am Import von Natursteinen. Finanziert werden die Tätigkeiten des Vereins (darunter angekündigte und unangekündigte Inspektionen der Lieferketten in China, Vietnam und Indien) über Lizenzgebühren der Fair Stone Partner (Importeure).

Fair Stone ist ein internationaler Sozial- und Umweltstandard für Natursteinimporte aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Das Siegel bescheinigt den Betrieben die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen (u.a. ohne Kinder- und Zwangsarbeit) sowie die Beachtung von Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter.

Aber genau das steht überhaupt noch nicht fest, wie James B. Herrmann, Geschäftsführer des Vereins, unserer Zeitung gegenüber erklärte. Er selber fahre in den nächsten Tagen nach Indien, um zu überprüfen, ob in den entsprechenden Steinbrüchen nach den Bedingungen des Zertifikats gearbeitet werde. Erst wenn alle Bedingungen erfüllt seien, werde die Verwendung des Logos freigegeben. Wie die Firma Stonepark den Nachweis für Steine erbringen wolle, die vor der Zertifizierung abgebaut worden seien, wisse er nicht. Stonepark sei ein Partner von Fair Stone, aber der Verein sei unabhängig. Der Standard des Zertifikates sei anerkannt und überprüft, nach Vorgaben der Bundesregierung.

„Wir sind eigenständig und transparent“, betonte Herrmann. Der Verein habe keine wirtschaftlichen Interessen. Die Partner wüssten, wie Fair Stone arbeite und der Ablauf der Zertifizierung vonstatten gehe. Auf die Unternehmen sei der Verein nicht angewiesen, betonte er. Aktuell könne er keine Aussage treffen, ob und wann es das Fair Stone-Zertifikat für Grauwacke-Steine aus Indien gebe werde.

In der Ausschreibung, die das Unternehmen Boymann gewonnen hatte, war der Nachweis, dass die Steine nicht unter Mitarbeit von Kinder oder Zwangsarbeitern erfolgt, eine Voraussetzung. Der Hinweis, dass Fair Stone aktuell keine Steine aus Indien zertifiziert, findet sich in einer Stellungnahme des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes (DNV) an die Stadt. „Mit Bestürzung und Unverständnis“ habe man den Vorgang zur Kenntnis genommen, so DNV-Geschäftsführer Reiner Krug. Er führt Umweltaspekte, soziale und ökonomische Aspekte gegen die Verwendung von indischer Grauwacke ins Feld. Und der Fachmann betont, dass es durchaus möglich sein, heimische Natursteine bei einer Ausschreibung vorzugeben. Zudem kritisiert er die Ausschreibung für die Umgestaltung des Marktplatzes als unpräzise (Stellungnahme siehe nächste Seite).

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Gerd Müller, zuständiger Sachbearbeiter der Stadt, betonte, dass definitiv nur Steine auf den Marktplatz verlegt würden, die den Nachweis hätten, ohne Kinder- und Zwangsarbeit hergestellt worden zu sein. Das sei Bedingung in der Ausschreibung gewesen. Werde diese nicht erfüllt, kämen die Steine nicht auf den Platz. Der Stadt liege die Aussage vor, dass die Steine zertifiziert würden.

Stellungnahme des DNV

Stellungnahme des DNV (in Auszügen): Obwohl in den benachbarten Gemeinden ausreichende und geeignete Natursteinvorkommen vorhanden sind, werden nur aus preislichen Gründen große Mengen Naturstein mit vielen Tonnen Eigengewicht um den Erdball transportiert. Dies ist aufgrund folgender Aspekte abzulehnen:

1. Umweltaspekte

Entsprechend einer Ökobilanzstudie des DNV werden für den Transport von einer Tonne Naturwerkstein aus heimischem Vorkommen 4,4 kg CO2-Äquivalent freigesetzt, aus indischen Vorkommen 265 kg. Der Transport hat sehr großen Einfluss auf die Ökobilanz und deshalb sollten Transporte über große Distanzen bei Massengütern wie Naturwerkstein vermieden werden.

2. Soziale Aspekte

Der Preisvorteil von über 200 000 Euro wird überwiegend durch die Billiglöhne der indischen Arbeiter realisiert. Einfache Arbeiter verdienen 1 bis 2 Dollar, Facharbeiter bis zu 10 Dollar – am Tag. Deutsche Arbeiter erhalten Tariflöhne, die sich inklusive Sozialbeiträgen auf über 20 Euro pro Stunde belaufen. Hinzu kommen in Deutschland die Kosten für Arbeitsschutz, Genehmigungsverfahren sowie Rekultivierung der Steinbrüche. Natursteine werden in Indien oftmals unter extrem schlechten Bedingungen gewonnen und der notwendige Gesundheitsschutz der Arbeiter wird vernachlässigt.

3. Ökonomische Aspekte

Der Preisvorteil von über 200 000 Euro mag für die Stadt Wipperfürth (oder die beauftragte Firma) ein finanzieller Vorteil sein, bedeutet jedoch den Verlust von Arbeitsplätzen in den Nachbargemeinden. Gesamtwirtschaftlich ist es für die betroffene Region nicht ökonomisch sinnvoll, wenn indische Natursteine verbaut werden. Die nun vorgesehen Natursteine mit gebrochenen Kanten erfordern gegenüber den ursprünglich ausgeschriebenen Natursteinen mit gesägten und geflammten Kanten wesentlich breitere Fugen. Diese bedeutet jedoch auch einen wesentlich höheren Pflege- und Unterhaltungsaufwand. Der vermeintliche Preisvorteil in der Anschaffung kann sich bei üblichen Nutzungszeiten von 30 bis 50 Jahren bereits nach wenigen Nutzungsjahren in Mehrkosten für Wartung und Pflege verwandeln.

Es ist durchaus möglich, heimische Natursteine bei einer Ausschreibung zu bevorzugen. Die nachhaltige Beschaffung wird von vielen öffentlichen Auftraggebern und auch von der Bundesregierung gefördert. Unter nachhaltiger Beschaffung versteht man einen Prozess, Produkte zu beschaffen, die von der Herstellung bis zur Entsorgung, unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte, geringere Folgen für die Umwelt haben, als vergleichbare Produkte.

Das Vergaberecht ermöglicht die Berücksichtigung von Qualität, Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte von Bauleistungen. Nicher der billigste Anbieter erhält den Zuschlag, sondern das wirtschaftlichste Angebot.

Hierfür können neben dem Preis der Baustoffe auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Zur Berücksichtigung umweltbezogener oder sozialer Aspekte sind vom Auftraggeber entsprechende Zuschlagskriterien mit einer Wertungsskala zu versehen. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung sind in den Vergabeunterlagen anzugeben. Naturwerksteine aus heimischen Steinbrüchen können im Rahmen der Zuschlagswertung mit einer höheren Punktezahl versehen werden, als konventionell gehandelte Naturwerksteine.

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