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Altbacken, aber tadellosSchauspielstudio glänzt mit „Biedermann und Brandstifter“

Lesezeit 3 Minuten
Stark an Frischs Original orientiert ist die Wiehler Inszenierung, aber das macht sie – 60 Jahre später – gerade so aktuell.

Stark an Frischs Original orientiert ist die Wiehler Inszenierung, aber das macht sie – 60 Jahre später – gerade so aktuell.

Wiehl – Die karge Bühne verrät es: Das wird nicht gemütlich. Eine Essgruppe, ein Ledersessel. Biedermanns Wohnzimmer ist eine verlogene Dekoration.

Es entfaltet sich die Tragödie des gutgläubigen Gottlieb Biedermann, der zu seinem eigenen Feuertod den Brandstiftern die Zündhölzer reicht. Raimund Binder, vom Theatervereinsvorsitzenden Michael Albrecht zur Begrüßung (und zu Recht) „Ur-Raimund“ genannt, hat das Stück von Max Frisch nicht auf zeitgemäß getrimmt. Er ist überzeugt: „Die Parabel ist stark genug.“ Eine steile These – 60 Jahre nach der Uraufführung.

Bevor man darüber ins Grübeln gerät, marschiert der Chor der Feuerwehrleute auf: bunt zusammengewürfelt, etwas abgerissen, aber todernst. Nimmermüde beklagt er in Versform den „Blödsinn, den nimmer zu löschenden“. Das ist altbacken, funktioniert aber noch tadellos. Der Chor schafft Denkpausen und einen weiten Rahmen für Deutungsansätze die Gegenwart von 2018.

Thomas Knura spielt den naiven Haarwasserproduzenten. Schon im ersten Bild ist er angeschlagen, wie verloren im eigenen Haus – da kann er noch so sehr poltern. Der „Gutmensch“ ist ein Unwort; auf Gottlieb passt es. Hilfloser Zeitungsleser, der die fernen Tagesschrecken abtut: „Zum Glück nicht bei uns!“

Mit Jörn Wollenweber (Josef Schmitz) und Colin Knura (Willi Eisenring) hat er zwei Gegner, die man nicht beherbergen möchte. Wollenweber, bleich wie der Tod, spielt einen schmierigen Pyromanen und setzt Biedermann mit seiner kruden Sozialschmonzette matt: ein Köhlerbub sei er, Heimkind, mutterlos. Colin Knura gibt den Ex-Sträfling Eisenring als Verführer, der auf dem Dachboden die irre Vision einer Feuersbrunst ausmalt und damit gruselige Bilder von aktuellen Hetzrednern aller Couleur entstehen lässt.

Almut Irmscher als scheiternde Babette

Biedermanns Gattin Babette (Almut Irmscher) ist eine Frau, der man zutraut, dass sie das Spiel durchschaue. Quälend ist es, ihr beim Scheitern zuzusehen. Auch sie hat die Gottlieb'sche Krankheit. Erfrischend, aber auf verlorenem Posten: Dienstmädchen Anna, von Kerstin Schwab klug und trotzig gespielt. Erst schürzt sie zu allem artig ihr Schürzchen, dann versteht sie genau, was gespielt wird. Und der Intellektuelle (Nils Lindemann) bringt es nur zu einem „Ich distanziere mich.“

Das Bühnenbild ist so einfach wie genial. Es zeigt hinterm Wohnzimmer den Dachboden als Unterschlupf der Pyromanen mit den Benzinfässern, abgetrennt von einem durchscheinenden Tüllvorhang. Am Ende von allem verlässt ein vernichtend geschlagener Chor die Bühne. Vor aller Augen geschieht es. Man fragt sich: Wie konnte es soweit kommen? Im Nachgespräch fallen Namen von Parteien, von Präsidenten. Man fragt sich: Sind wir die Biedermänner? Oder gar die Brandstifter? Aber nein, die gehen nicht ins Theater. Bravorufe am Ende. Das Stück ist stark genug.

Die nächsten Termine: 7., 9. und 10. März (20 Uhr), 11. März (18 Uhr), 14. März (20 Uhr).

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