„Wollen nur schneller impfen“Rhein-Berg verliert Impfdosen durch Spritzenstreit

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Laut Impfarzt unbrauchbar: Vom Ministerium gelieferte Spritzen, mit denen sich keine siebte Impfdosis aus einer Ampulle aufziehen ließ.

Laut Impfarzt unbrauchbar: Vom Ministerium gelieferte Spritzen, mit denen sich keine siebte Impfdosis aus einer Ampulle aufziehen ließ.

Rhein-Berg – „Allein die Fehlversuche von heute“, sagt Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer, schüttelt den Kopf und zeigt eine Schale mit Spritzen, mit denen es den pharmazeutischen Kräften des Bergisch Gladbacher Impfzentrums am Sonntag nicht gelungen ist, die siebte Impfdosis aus einer Biontech/Pfizer-Ampulle zu ziehen.

Obwohl das NRW-Gesundheitsministerium – wie berichtet – beteuert hatte, das sei auch mit den vom Ministerium gelieferten Spritzen möglich. Meyer und sein Team haben da andere Erfahrungen gemacht: Während es mit den vom Kreis kurzfristig beschafften und vom Ministerium dann verbotenen Zero-Residual-Spritzen kontinuierlich gelungen sei, die siebte Impfdosis aus jeder Biontech/Pfizer-Ampulle zu ziehen, gelinge dies mit den Spritzen vom Ministerium nur sehr selten.

„Wer langsam impft, soll sich schämen“

Impfzentrum seit gestern aufgestockt

280 Impfdosen haben nach Angaben des Leitenden Impfarztes Dr. Hans-Christian Meyer im  Gladbacher Impfzentrum bereits nicht gewonnen werden können, weil das Land seit Freitag, 19. Februar, die Verwendung der vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen  gestoppt hat. Mit den Impfdosen hätten weitere Menschen aus der ersten Impfprioritätgruppe geimpft werden können, so Meyer. Und die Situation verschärft sich noch. Seit diesem Montag nämlich ist das Impfzentrum wegen der nun hinzukommenden Zweitimpfungen für die Über-80-Jährigen aufgestockt worden und hat täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Entsprechend mehr Impfstoffampullen werden geliefert, aus denen sich statt sechs die vom Ministerium seit zwei Wochen genehmigte siebte Dosis aufziehen ließ – wenn die Pharmazeuten die dafür laut Impfarzt geeigneten 25 000 Spritzen verwenden dürften. Doch die dürfen bis auf Weiteres nicht verwendet werden, (wg)

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Konkret: Von 32 Impfstoffampullen, die am Sonntag im Impfzentrum verimpft worden seien, habe man lediglich zweimal eine siebte Impfdosis aufziehen können, in einem Fall sogar nur fünf. Bei allen anderen Impfstoffampullen reichte es nach der sechsten Impfdosis nicht mehr für die siebte Dosis. „Die Spritzen können wir alle wegschmeißen, weil sich darin keine komplette siebte Dosis mehr aufziehen ließ“, sagt Meyer und schaut auf die Schale mit den Spritzen.

„Wer langsam impft, soll sich schämen“, zitiert Meyer. Und er ist überzeugt, er könnte deutlich schneller, wenn das Ministerium nur die vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen endlich zuließe. Schon seit zehn Tagen darf er die Spritzen nicht mehr verwenden lassen: 280 Impfdosen seien allein in dieser Zeit bereits verloren gegangen.

Hoffen auf schnelle Genehmigung

Vom Ministerium gab’s in der vergangenen Woche wie berichtet lediglich einen Fragebogen zu den Spritzen an den Kreis, den die Kreisverwaltung diese Woche mit Unterstützung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) als medizinischem Kooperationspartner im Impfzentrum beantworten will. Wann dann in Düsseldorf gegebenenfalls eine Entscheidung getroffen wird, ist derzeit noch unklar.

„Ich will doch nur schneller impfen“, sagt Mediziner Meyer. Ein Hoffnungsfunke für ihn: Der Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke, selbst Mediziner, Präsident der Ärztekammer Nordrhein und ehemaliger Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, wolle das Impfen mit den Spezialspritzen, die keinen ungenutzten Rückstand in der Spritze übrig lassen, unterstützen, berichtet Meyer. „Wir hoffen nun auf eine rasche Genehmigung der Spritzen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“, sagt der Leitende Impfarzt.

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Er setzt darauf, dass das NRW-Gesundheitsministerium dann gegebenenfalls einlenkt.Ohnehin kann er die Bremsmanöver aus Düsseldorf nicht verstehen. „In Bayern und Niedersachsen hat man großes Interesse an den Spritzen, die wir hier liegen haben und nicht benutzen dürfen“, sagt er. Sollte das Ministerium keine Genehmigung erteilen, bleibe der Kreis auf keinerlei Kosten sitzen, prognostiziert Meyer.

„Wenn wir nicht so ausgebremst worden wären, wären wir auch mit den Über-80-Jährigen schon viel weiter“, so Meyer. Mittlerweile sind für diese Gruppe in der obersten Impfpriorität wegen des knappen Biontech/Pfizer-Impfstoffs laut KVNO bereits Termine bis in den Mai hinein vergeben worden.

Welche Rolle ein im NRW-Gesundheitsministerium tätiger Ministerialrat bei der  Notbremsung aus Düsseldorf spielte, dazu gab es vom Ministerium auf Anfrage bis Redaktionsschluss keine offizielle Äußerung. Nach Informationen dieser Zeitung hatte er darauf hingewirkt, das Impfen mit den Zero-Residual-Spritzen im Bergisch Gladbacher Impfzentrum zu untersagen, nachdem er zuvor offenbar nicht hinreichend eingebunden worden war.

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