100 Millionen EuroStrecke zwischen Overath-Siegburg könnte sich reaktivieren lassen

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Für 100 Millionen Euro soll sich die Strecke Overath–Siegburg reaktivieren lassen.

Für 100 Millionen Euro soll sich die Strecke Overath–Siegburg reaktivieren lassen.

Rhein-Berg/Rhein-Sieg – In einer halben Stunde mit der Bahn von Overath auf direktem Weg nach Siegburg und weiter nach Bonn? Was zunächst klingt wie eine Geschichte aus längst vergangenen Tagen, als das „Luhmer Grietche“ (Lohmarer Gretchen) noch von Overath durchs untere Aggertal über Lohmar nach Siegburg zockelte, könnte eine der attraktivsten Bahnneubauprojekte dieses Jahrhunderts werden. Davon geht der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aus.

Etwa der Blick wie oben, nur vor über 70 Jahren: Das Gleis nach Lohmar, auf dem die Bahn fährt, zweigte kurz vor der Bahnbrücke über die Siegburger Straße (Hintergrund) vom Gleis in Richtung Köln (rechts) ab.

Etwa der Blick wie oben, nur vor über 70 Jahren: Das Gleis nach Lohmar, auf dem die Bahn fährt, zweigte kurz vor der Bahnbrücke über die Siegburger Straße (Hintergrund) vom Gleis in Richtung Köln (rechts) ab.

Für 60 bis 100 Millionen Euro ließe sich eine moderne Nebenstrecke auf der alten, größtenteils noch vorhandenen Bahntrasse zwischen Overath und Siegburg errichten, 90 Prozent der Kosten wären nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz förderfähig, die restlichen Kosten müssten sich das Land NRW und die Anliegerkommunen teilen. So überschlägt es der VDV in einer Denkschrift, die davon ausgeht, dass eine Reaktivierung der Verbindung Overath – Siegburg nach neuzeitlichen Standards im Hinblick auf das Fahrgastpotenzial und die Entlastung des Straßennetzes „in der Spitzengruppe des Landes NRW liegen“ liegen dürfte.

Historie der Strecke

1884 wird die Bahnstrecke von Siegburg über Overath bis Ründeroth eröffnet, später bis Olpe, Gummersbach und Lüdenscheid verlängert.

1910 wird eine neue Bahnlinie eröffnet, die in Overath abzweigt und durch den Hoffnungsthaler Tunnel ins Sülztal und weiter nach Köln führt (die heutige RB 25).

1956 wird der Personenverkehr zwischen Overath und Siegburg eingestellt, Anfang 1962 auch der Güterverkehr, die Gleise bis Lohmar werden demontiert, 1997 folgt der Abschnitt Lohmar – Siegburg.

Eine Bestätigung und Steilvorlage für den Regionalrat, der wie berichtet Anfang März nach einem fraktionsübergreifenden Antrag von CDU, SPD, Grünen und Linke insgesamt 22 ehemalige Bahnstrecken im Rheinland in den künftigen Regionalplan Köln mit aufgenommen hat, um die Trassen frei zu halten und vor Überbauung zu schützen. Dass unter diesen Trassen die zwischen Overath und Siegburg besonders gut für eine Reaktivierung als Bahnlinie geeignet ist, hat den Regionalratsvorsitzenden Rainer Deppe (CDU) gleich doppelt aufhorchen und aktiv werden lassen. Schließlich kommt er aus Overath und weiß nicht nur um die Geschichte der historischen Bahnverbindung nach Siegburg, die viel früher entstand als die heute noch existierende Bahnlinie RB 25 nach Köln, sondern auch um die heute mäßige ÖPNV-Verbindung nach Siegburg und in das Oberzentrum Bonn.

„Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmer wäre das die erfolgversprechendste Wiederbelebung einer früheren Bahnverbindung im Rheinland“, sagt Deppe im Gespräch mit dieser Zeitung. Im Hinblick auf Klimaschutz, weniger Abgasen und weniger Staus liege jede neue Zugstrecke im Trend der Zeit. Die Fahrzeitverkürzung nach Siegburg und Bonn mache beide Städte auch als Arbeitsplätze für Overather und das an der RB 25 liegende Bergische Land interessanter, schätzt Deppe. „Vernetzung hat einer Region noch nie geschadet“, sagt der Regionalratsvorsitzende und hat bereits Rhein-Bergs Landrat Stephan Santelmann und der seinen Amtskollegen Sebastian Schuster aus dem Rhein-Sieg-Kreis mit ins Boot geholt.

Fahrzeitverkürzung von 16 bis 20 Minuten

Wie der VDV in seiner Denkschrift vorrechnet, wäre man mit einer neuen Bahnverbindung auf der alten Trasse von Overath in 27 Minuten in Siegburg und in weniger als 50 Minuten am Bonner Hauptbahnhof – was gegenüber derzeitigen ÖPNV-Verbindungen laut VDV eine Fahrzeitverkürzung von 16 bis 20 Minuten bedeuten würde.

Um die Eisenbahnstrecke zu realisieren, könnte laut VDV vom Overather Bahnhof bis kurz vor die Brücke der RB 25 über die Siegburger Straße (Brücke bei Brambach) der bestehende alte Bahndamm genutzt werden. Vom früheren Abzweig des „Luhmer Grietche“ unweit von Gut Eichthal wäre der Abschnitt bis Lohmar nach Einschätzung des VDV großenteils nahe der historischen Trasse neu zu bauen. Diese verlief überwiegend entlang der heutigen Bundesstraße 484, wurde gleichwohl später an einigen Stellen für den Straßenausbau genutzt.

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Die frühere Durchquerung Lohmars sollte „zur Vermeidung von Konflikten nicht erneut genutzt werden“, empfiehlt der VDV und schlägt stattdessen eine neue Trasse parallel zum Autobahnzubringer der A3-Auffahrt Lohmar-Nord und zur A3 bis zur Autobahnanschlussstelle Lohmar vor. Von dort, so die Verkehrsexperten des VDV, könnte die in den vergangenen Jahren als Radweg ausgebaute ehemalige Bahntrasse genutzt werden und der Radweg – zumindest bis zum Ortseingang Siegburg – neben die reaktivierte Bahntrasse verlegt werden.

Das Bahnnetz um 1950: Neben der Strecke zwischen Overath (rechter Bildrand) und Siegburg (unten) existieren auch die zwischen Bergisch Gladbach und Rösrath sowie zwischen Hoffnungsthal und Lindlar nicht mehr.

Das Bahnnetz um 1950: Neben der Strecke zwischen Overath (rechter Bildrand) und Siegburg (unten) existieren auch die zwischen Bergisch Gladbach und Rösrath sowie zwischen Hoffnungsthal und Lindlar nicht mehr.

Um einen Halbstundentakt bis Siegburg zu ermöglichen, müsste laut VDV mindestens eine, besser mehrere zweigleisige Kreuzungsmöglichkeiten von in entgegengesetzter Richtung fahrenden Zügen zwischen Overath und Siegburg vorgesehen werden. Auch eine Elektrifizierung sei zu erwägen, zumal ja auch die Absicht bestehe, die Oberbergische Bahn (RB 25) zu elektrifizieren, so der VDV.

Insgesamt eine realistische Perspektive oder ein Hirngespinst? „Ich meine, Chancen muss man mutig dann ergreifen, wenn sie sich ergeben“, sagt Regionalratsvorsitzender Rainer Deppe. „Ich wage keine Prognose, wann auf dieser Strecke wieder ein Zug fährt. Aber wenn man nicht anfängt, wird man nie ankommen.“

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