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Prozess um Fahrerflucht91-jähriger Bergisch Gladbacher gibt Führerschein unter Protest ab

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Das Gebäude vom Amtsgericht Bergisch Gladbach.

Ein 91-Jähriger stand in Bergisch Gladbach-Bensberg vor Gericht.

Der angeklagte Bergisch Gladbacher sah sich wegen seines Alters diskriminiert.

„Das Verfahren ist bei meinem Mandanten doch nur deshalb so gelaufen, weil er 91 Jahre alt ist. Bei einem 60-Jährigen wäre das so nicht passiert“: Höchst engagiert hat sich der Bergisch Gladbacher Strafverteidiger Ottmar Kirchner dafür eingesetzt, dass sein Mandant Otto R. (Name geändert) trotz eingestandener Fahrerflucht den Führerschein zurückbekommt.

Doch am Ende waren die Bemühungen vergeblich, die Staatsanwaltschaft spielte nicht mit, und so verzichtete der angesichts seines Geburtsjahrgangs 1932 beneidenswert fit wirkende Unfallfahrer am Ende unter Protest auf seinen „Lappen“.

Es war ein Allerweltsunfall gewesen, der sich am 11. Juli 2022 auf der relativ stark befahrenen und breiten Straße Lustheide in Refrath ereignet hatte. Nachmittags um 16.05 Uhr rammte Otto R.   beim Rückwärtsfahren mit seinem Auto ein geparktes Fahrzeug einer nahe gelegenen Firma. Er stieg aus, sah sich den Schaden an – und fuhr dann weiter, statt den anderen Fahrzeughalter zu informieren.

Bergisch Gladbach: Angeklager steht zum ersten Mal vor Gericht

Am Freitagvormittag vor Gericht räumte der Gladbacher zunächst über seinen Verteidiger und anschließend auch persönlich sein „Augenblicksversagen“ ein, das er zutiefst bedauere. „Ich stehe zum ersten Mal vor Gericht.“ Auch in Flensburg habe er noch nie gesammelt. Sein Verteidiger hatte zuvor behauptet, dass ein Gefälligkeitsgutachter den   Schaden wohl künstlich in die Höhe getrieben habe. Die Anklage benannte 3000 Euro Schaden für die Reparatur der lädierten Fahrertür,   das vom Fahrzeughalter in Auftrag gegebenen Gutachten sogar 5400 Euro, so oder so war die Grenze zum Bagatellschaden weit überschritten.

Auch sagte der Verteidiger, sein Mandant sei dadurch genug gestraft, dass er schon seit acht Monaten auf den Führerschein verzichten müsse. Die Fahrerlaubnis müsse er unbedingt zurückbekommen, um seinen Alltag inklusive der Versorgung seiner pflegebedürftigen Ehefrau geregelt zu bekommen.

Untadliger Lebenslauf des Bergisch Gladbachers

Angesichts der bisher untadeligen Lebenslaufs und des hellwachen Auftretens des Angeklagten in der Verhandlung bekundete Strafrichter Dr. Philipp Stöckle durchaus die Bereitschaft für ein sanftes Vorgehen. Er brachte   eine Einstellung des Verfahrens ins Spiel, wenn sich der Angeklagte einem Fahr-Fitness-Check unterziehe und verspreche, das Ergebnis in jedem Fall zu akzeptieren. Immerhin sei der Angeklagte ja nur zwei Wochen zuvor in einer Bergisch Gladbacher Tiefgarage gegen eine Wand gefahren.

Zu einer solchen Kontrolle   war der Angeklagte auch bereit, und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft schien auch davon angetan auch, musste sich aber von seinem Ausbilder telefonisch zurückpfeifen lassen: Einer Einstellung werde die Staatsanwaltschaft nur bei Verzicht auf den Führerschein zustimmen.

Am Ende fügte sich Rentner Otto R. in sein Schicksal: Denn während er bei einer Einstellung er nur die eigenen Anwaltskosten zahlen muss, werden bei einer Verurteilung außerdem auch die Gerichtskosten und die Geldstrafe fällig.

Als er anschließend aber noch einmal das Thema Altersdiskriminierung ansprach, fuhr ihm der junge Richter leise, aber deutlich in die Parade: „Der Grund, dass Sie hier sind, ist nicht Ihr Alter, sondern dass Sie eine Fahrerflucht begangen haben.“ Offene Altersdiskriminierung müsse sich die Justiz nicht nachsagen lassen.

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