Psychisch erkrankte MenschenRefratherin gründet Selbstfürsorgegruppe für Angehörige

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Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: Dieses Bild symbolisiert für Ute Semrau ein Gefühl von Verwirrung und Hilflosigkeit.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: Dieses Bild symbolisiert für Ute Semrau ein Gefühl von Verwirrung und Hilflosigkeit.

Bergisch Gladbach – Depressionen, Panikattacken, Burn-out, totale Abkapselung, Unberechenbarkeit: Die sozialen Erscheinungsformen psychischer Erkrankungen sind vielfältig. Für den Betroffenen selbst ist sein Zustand schon schwer genug zu begreifen, doch für Angehörige ist die Situation ebenfalls problematisch. Und während der Patient therapeutische Hilfe bekommt, sind Partner, Eltern oder Kinder oft allein mit ihren Sorgen. Die Unkalkulierbarkeit mancher psychischen Erkrankung, etwa einer bipolaren Störung, verursacht Ängste.

„Der Umgang mit psychisch kranken Menschen ist schwierig,“ weiß Ute Semrau. „Denn man sieht ja nicht, was ihnen fehlt. Man weiß nicht wirklich, was wann in ihnen vorgeht, und auch nicht, wie man sich verhalten soll.“ Manchmal fordern die Patienten ununterbrochene Fürsorge, manchmal schotten sie sich ab und es ist nicht an sie heranzukommen: „Das geht auf Dauer an die Substanz“, sagt Ute Semrau. Eine psychische Erkrankung ist kein Schnupfen, der schnell auskuriert ist, sondern zieht sich oft über Jahre, sogar ein Leben lang.

Gründerin Ute Semrau

Gründerin Ute Semrau

Die Refratherin hat selbst erlebt, was es bedeutet, mit einem psychisch erkrankten Menschen umzugehen. Und wie schwierig es ist, Hilfe zu bekommen. „Es gibt zwar Sprechstunden in den Krankenhäusern, aber das ist naturgemäß eher unpersönlich.“ Ute Semrau hat von befreundeten Menschen Beistand erhalten, weiß aber auch: „Man kann ja sein Umfeld nicht dauernd damit belasten.“ Sie erhielt viel Zuspruch, als ihr erstmals die Idee kam, eine Gruppe mit und für betroffene Angehörige zu gründen. Im Unterschied zur üblichen Bezeichnung (Selbsthilfe) spricht sie von Selbstfürsorge. „Es geht ja oft gar nicht um die großen medizinischen Dinge, sondern darum, sich auszutauschen, zu reden, zuzuhören. Ich habe in den letzten vier bis fünf Jahren auch viele Dinge ausprobiert, die mir guttun können, wenn es mir zu nahe geht“, sagt Ute Semrau. Das möchte sie jetzt weitergeben. Was sie selbst gelernt hat im Umgang mit dem Kranken, ist: „Man darf nicht den Ehrgeiz haben, alles zu verstehen. Man sollte lernen zu tolerieren, dass es Grenzen gibt, hinter denen der Mensch uns fern und fremd ist, und trotzdem Verständnis und Liebe durch diese Grenzen hindurch fließen lassen.“ Das ist leichter gesagt als getan, denn psychisch Kranke reagieren anders. Vieles ist für ihr Umfeld oft schwer nachvollziehbar, sie zeigen sich uneinsichtig, unberechenbar und ein Miteinander ist kaum steuerbar. Umso wichtiger sei es, sagt Ute Semrau, eigene Grenzen zu ziehen und sich nicht mit Haut und Haaren vereinnahmen zu lassen.

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Kontakt

Die Selbstfürsorgegruppe für Angehörige von psychisch erkrankten nahen Menschen trifft sich jeden dritten Donnerstag im Monat um 18 Uhr in der Begegnungsstätte Refrather Treff/Deutsches Rotes Kreuz, Steinbrecher Weg 2, 51427 Bergisch Gladbach. Um Anmeldung wird gebeten beim Paritätischen Wohlfahrtsverband unter (02202)  93 68 921 oder beim Refrather Treff unter (02204)  67814.

Ute Semrau ist per Mail zu erreichen: u.semrau@gmx.de

Ute Semrau hat für sich entdeckt, dass Achtsamkeit und Entspannungsübungen gut tun. Sie kann sich vorstellen, so etwas in der Gruppe anzubieten; überhaupt sollte der Kreis so offen wie möglich sein, wünscht sie sich. Unterstützt wird sie von Nicole Stein von der Selbsthilfe-Kontaktstelle Bergisch Gladbach, die auch bei der Raumsuche behilflich war.

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen

Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Telefonseelsorge

Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon

Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon

Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

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