„Gasstopp wäre für uns der Super-GAU“Notfallplan Gas bereitet Gladbacher Firma Sorgen

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Die Fabrik braucht täglich so viel Gas wie eine mittlere Kleinstadt von 50 000 Einwohnern.

Bergisch Gladbach – Besorgt haben Mitarbeiter und Entscheidungsträger bei Gladbachs Dämmstoffhersteller Saint-Gobain Isover G+H am Donnerstag verfolgt, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die zweite Eskalationsstufe im Notfallplan Gas ausgerufen hat.

Die Fabrik im Westen der Gladbacher Stadtmitte brauche täglich so viel Gas wie eine mittlere Kleinstadt von 50 000 Einwohnern, rechnet Unternehmenssprecher Michel Wenger vor: „Wenn es von heute auf Morgen kein Gas mehr geben würde wäre das für uns der Super-GAU“, so Wenger. Und das nicht nur, weil dann die Produktion stillstünde.

Schmelzwannen bei Gasstopp in Gefahr

„Wenn das Gas in einer nächsten Stufe rationiert werden sollte, brauchen wir mindestens 30 Prozent unseres heutigen Gasverbrauchs, allein um unsere Schmelzwannen zu erhalten. Würde das Gas einfach abgestellt, würden sie kaputtgehen“, beschreibt Wenger die Gefahr für die beiden Wannen, in denen Glas für die Dämmstoffherstellung auf 1500 Grad Celsius erhitzt wird. Wenn die gemauerten Wannen abrupt ohne Befeuerung wären, würden sie zerspringen – ein Schaden pro Wanne in zweistelliger Millionenhöhe, wie Wenger überschlägt.

Auf ein bis zwei Jahre wäre das Werk dann nicht mehr zu betreiben, bis alle Anlagen neu errichtet seien, so der Unternehmenssprecher im Gespräch mit dieser Zeitung. Und dabei seien mehr als 200 Menschen in dem Gladbacher Werk beschäftigt. Gerade auch deshalb habe man bereits bei der Ende März von der Bundesregierung ausgerufenen ersten Stufe des Notfallplans Gas die Bundesnetzagentur auf den Bedarf hingewiesen. „Und bei einer Drosselung auf 30 Prozent könnten wir nicht mal produzieren.“

Produkte könnten bei Gaseinsparungen helfen

Für das derzeitige harte Ringen ums Energiesparen wäre das fatal, sagt Wenger. „Gerade mit unseren Dämmstoff-Produkten, die etwa zur Dämmung von Gebäuden verwendet werden, können ja andere die Gasmangel-Lage besser bewältigen, weil sie dann weniger Gas verbrauchen.“ Zudem sei Mineralwolle der in Deutschland am weitesten verbreitete Dämmstoff. „Der lässt sich nicht so schnell ersetzen“, zeigt sich Wenger überzeugt.

„Solch eine Lage hat es noch nicht gegeben“, sagt der Unternehmenssprecher und berichtet von Krisenszenarien, die bei Saint-Gobain Isover derzeit durchgespielt werden. Zwar will das Werk – wie anlässlich des 90-jährigen Bestehens im vergangenen Jahr berichtet – in den nächsten Jahren auf alternative Energieträger umsteigen, aber die Entwicklung neuer Systeme, die mit Strom oder auch Wasserstoff betrieben würden, dauere noch drei bis vier Jahre, so Wenger. „Aktuell haben wir keine Alternative zum Gas.“

Firma muss bereits mit Rationierung rechnen

Womit er rechnet? „Wann die nächste Stufe im Notfallplan Gas mit Rationierungen kommt, weiß niemand. Wir müssen aber vom Worst Case (schlimmsten Fall, d. Red.) ausgehen“, so Wenger. Heißt: Rationierung, im schlimmsten Fall sogar ein Versorgungsstopp. Deshalb werde in den Krisenszenarien gemeinsam mit den Partnern bei den Wannenbauern selbst über Ölbrenner nachgedacht. Nicht um damit produzieren zu können, sondern nur um gegebenenfalls die Wannen zu retten. „Aber da gibt es noch überhaupt keine Erfahrungswerte zu“, so Wenger.

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Dem Appell des Bundeswirtschaftsminister, den Gasverbrauch möglichst weiter zu reduzieren, wird man beim Gladbacher Dämmstoffhersteller nicht nachkommen können. Wegen des seit dem vergangenen Sommer nochmals verdoppelten Gaspreises, habe man schon eingespart, was eben gehe, sagt Wenger. „Weniger geht nicht.“

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