„Katzenelend“ in GladbachDiese Frau fängt wilde Katzen und lässt sie kastrieren

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Mit ihrer Wildkamera macht Christine Richmann Fotos, wenn die Katzen in die Falle tappen.

Mit ihrer Wildkamera macht Christine Richmann Fotos, wenn die Katzen in die Falle tappen.

Bergisch Gladbach – Zack! Die Falle schnappt zu. Nur zwei Minuten, nachdem Christine Richmann die Jagdfalle mit Hühnchen scharf gestellt hat, ist eine verwilderte Katze gefangen. Laut fauchend und knurrend versucht das Tier, sie einzuschüchtern. „Vorsicht, das ist ein Spuckewild!“ Die Katze faucht so aggressiv, dass sie Speichel versprüht. Frau Richmann wirft eine Decke über die Falle und stellt die Transportbox vor den Ausgang. Kaum ist die Klappe oben, ergreift das Tier die Flucht. Jetzt steckt es in der Transportbox. Ab ins Auto. Falle wieder scharf machen und erstmal die warme Jacke anziehen.

Christine Richmann arbeitet tagsüber im Karstadt in Köln. Nachts fängt sie ehrenamtlich verwilderte Katzen für den Katzenschutzbund; es begann damit, dass sie die Katzen einer verstorbenen Nachbarin gerettet und auf einen Gnadenhof gebracht hat.

Junge Tiere vermitteln, verwilderte wieder aussetzen

Heute bekommt sie meist über Facebook Hinweise von Anwohnern, dass in der Nachbarschaft viele wilde Katzen leben. Auf dem Parkplatz in Herkenrath zum Beispiel reichen die Angaben von sieben bis siebzehn verwilderten Tieren. Nachdem diese Katzen einige Zeit angefüttert worden sind, um ihre Gewohnheiten herauszufinden, wird die Falle scharf gemacht.

Geht eine Katze in die Falle, wird sie am nächsten Tag von einer Tierärztin für einen Tierschutzpreis kastriert. Dann werden die Tiere bis zu einer Woche zur Beobachtung in einer Kennel-Station gehalten. Sind sie jung genug, können sie vermittelt werden. Zu alte, verwilderte Katzen werden wieder an die Fangstelle zurückgebracht.

Wilde Katzen können Krankheiten an Haustiere übertragen

Nach dem Glücksfang direkt zu Beginn um 21.30 Uhr wird es ruhig auf dem Parkplatz. Richmann erzählt von „Wildlingen“ überall in Bergisch Gladbach: „In Bärbroich, am Naturfreundehaus Hardt, an Containern der Firma Rehbach, am AWO Waldkindergarten in Paffrath und am Mediterana. Allein in Bärbroich habe ich etwa 15 Katzen gefangen.“

Diese Katzen vermehren sich ungebremst und können auch Krankheiten, wie Katzenseuche und -schnupfen, weitertragen. „Wir haben ein Katzenelend“ fasst sie die Situation zusammen. An diesem Abend wird sie nach zwei Stunden zwei weitere Katzen fangen. In anderen Nächten wartet sie bis zum nächsten Morgen auf den ersten Fang.

Stadt will nichts vom Problem wissen

„Dem Problem kann man meiner Meinung nach nur mit einer Kastrations- und Chippflicht beikommen“, sagt Richmann. Solch eine Pflicht existiert bereits seit 2011 in Kürten. Das örtliche Ordnungsamt bekommt seit Jahren keine Meldungen mehr über wilde Katzen. Eine genaue Statistik gibt es nicht, die Verordnung scheint aber zu wirken. Heidegard Ruge vom Tierschutzverein Rhein-Berg bestätigt diese Entwicklung und bezeichnet die Verordnung als „wirklich positive Sache“.

Der Stadt Bergisch Gladbach ist die Problematik eigener Aussage zufolge nicht bekannt. Eine Kastrationspflicht stehe bis jetzt nicht zur Debatte. Ruge widerspricht, da die Stadt zum Jahresende Karteikarten zu Fundtieren erhalte. Sie meint, der Stadt sei das Problem schlicht egal.

Katzenschutzbund schätzt 2000 wilde Tiere in Gladbach

Auf eine Anfrage, ob das Veterinäramt sich der Sache annehme, verwies der Rheinisch-Bergische Kreis darauf, dass Kürten und Leichlingen eine entsprechende Verordnung hätten und das im Kreisgebiet ansässige Tierheime unterstützt würden. Richmann äußerte, dass das Veterinäramt nur in Gemeinden mit Verordnung helfen würde, obwohl die Problematik auch in Gemeinden ohne Verordnung besteht.

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Wilde Katzen vervielfältigen sich exponentiell, wenn sie nicht kastriert sind. Kranke, leidende und verhungernde Tiere sind die Folge. In Köln geht der Katzenschutzbund von 20.000 verwilderten Katzen aus. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl könnten das in Bergisch Gladbach 2000 Tiere sein.

Rechenbeispiel

Der Deutsche Tierschutzbund rechnet vor, wie schnell sich wilde Katzen vermehren: Eine Katze wirft im Durchschnitt zweimal pro Jahr. Pro Wurf hat sie zwei bis acht Junge. Wenn drei Katzen überleben, vermehren diese sich nach der Geschlechtsreife mit sechs Monaten weiter. Das macht zum Beispiel nach drei Jahren bereits fast 500 und nach fünf Jahren etwa 20.000 Tiere – aus ursprünglich zwei Katzen. (jab)

Was dies für das Ökosystem bedeutet, kann nicht konkret gesagt werden. Der WWF geht davon aus, dass in Deutschland pro Jahr 200 Millionen Vögel durch Katzen erlegt werden. Um dem Katzenelend entgegenzuwirken, haben laut Tierschutzbund bereits 1005 Städte und Gemeinden eine Kastrations- und Registrierungspflicht eingeführt.

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