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„Zu spät, hieß es“Gladbacher Flutopfer fühlen sich von Stadt im Stich gelassen

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Das Haus von Marianne Kappes und Stefan Müller an der Odenthaler Straße ist zur Hälfte zerstört. Sie hoffen nun, nachträglich noch Unterstützung aus dem Spendenfonds zu erhalten.

Das Haus von Marianne Kappes und Stefan Müller an der Odenthaler Straße ist zur Hälfte zerstört. Sie hoffen nun, nachträglich noch Unterstützung aus dem Spendenfonds zu erhalten.

Bergisch Gladbach – Egal wohin der Blick geht, überall stapeln sich verschlammte Möbel, Haushaltsgeräte. Sogar die Rückwand des Hauses ist eingebrochen. Marianne Kappes und ihr Lebensgefährte Stefan Müller stehen kraftlos vor ihrem Haus an der Odenthaler Straße. Das Gebäude ist zur Hälfte zerstört durch das verheerende Hochwasser im Juli: „Wir sind es so leid, für alles kämpfen zu müssen“, sagt Stefan Müller. Das Paar fühlt sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen. Bei der Verteilung des Geldes aus dem städtischen Spendenkonto ist das Paar leer ausgegangen.

„Wir haben wirklich alles verloren. Uns hat es genauso so schlimm getroffen wie die Menschen in Erftstadt oder im Ahrtal.“ Müller ist richtig wütend auf die Stadtverwaltung, „man hat uns einfach vergessen, obwohl das Ausmaß der Zerstörung allen bekannt ist.“ Es habe eine Besichtigung vor Ort mit mehreren Amtsleitern sowie viele Telefonate gegeben, in denen ihm ausdrücklich zugesagt worden sei, bei der Spendenverteilung berücksichtigt zu werden. „Keine Sorge, wir haben Sie auf dem Schirm“, habe es geheißen. Auf diese Zusage habe er sich verlassen.

Ganze Räume von der Flutwelle weggerissen

Vor ein paar Tagen fragte er dann telefonisch nach, wann das dringend benötigte Geld kommen würde. „Zu spät hieß es lapidar. Wir hätten Pech. Das Geld sei schon verteilt.“ So erhielt das Paar bislang nur je 2500 Euro aus dem Soforthilfeprogramm des Bundes, um die privaten Belange wie Anziehsachen zu ersetzen. Als Unternehmer bekam Müller noch 5000 Euro. Denn sein komplettes Material für sein Online-Sanitärlager im Keller ist ebenfalls weitestgehend zerstört worden.

Der Hebborner Bach, normalerweise ein beschauliches Rinnsaal, schoss am 14. Juli wie eine Meereswelle durch die Hinterhöfe an der Odenthaler Straße. Marianne Kappes hat immer noch vor Augen, wie die braune Flut alles mit sich riss: „Küche, Wohnzimmer, Esszimmer, Flur, Gäste-Toilette, Klamotten, Fotos, Erinnerungen – alles futsch.“ Das Zimmer des 18-jährigen Sohnes von Stefan Müller sowie das Badezimmer im Souterrain wurden auf das Nachbargrundstück geschleudert. Die Wucht der Flutwelle drückte sogar Müllers Auto durch die Rückwand des Gebäudes. Tage später brachen dann auch noch Dach und Balkon des Anbaus ein.

Intensive Gespräche mit der Stadt, aber kein Antrag

„Alle Einzelheiten der Zerstörung habe ich Bürgermeister Frank Stein in einer Mail aufgelistet“, berichtet Müller. Inzwischen steht fest: Der Anbau ist einsturzgefährdet und muss abgebrochen werden. „Ein Sachverständiger beziffert den Schaden auf 554.000 Euro“, sagt Müller. Die Kosten für das Gutachten in Höhe von 3500 Euro musste die Familie vorstrecken.

„Es ist unstrittig, dass Herr Müller und seine Lebensgefährtin massiv von den Flutschäden betroffen sind“, sagt Stadtsprecher Martin Rölen. Aber er hätte wie alle anderen Betroffenen einen Antrag stellen müssen. Da dies nicht erfolgt sei, sei das Paar bei der Verteilung des städtischen Spendenkontos tatsächlich nicht bedacht worden. Es sei aber menschlich nachvollziehbar, dass Müller nach den intensiven Gesprächen davon ausgegangen sei, dass die Stadtverwaltung den Fall von sich aus berücksichtige.

Bürokratische Hürden für Familie

„Aus diesem Grund will die Stadtverwaltung dem Verteilungsgremium in diesem konkreten Einzelfall vorschlagen, dass eine nachträgliche Auszahlung erfolgt, sobald die nötigen Informationen vorliegen“, kündigt Rölen an. In einer entsprechenden Mail ist Müller darüber auch am Montagnachmittag informiert worden. Rölen betont zudem, die Familie sei „von verschiedenen Akteuren der Stadtverwaltung intensiv unterstützt worden.“ In Form von Beratungen sowie maschineller Unterstützung bei den Aufräumarbeiten.

Das besänftigt Müller aber nicht, zu tief sitzen Enttäuschung und Wut. „Wir haben das bekommen, was alle anderen Betroffenen auch bekommen haben.“ Für alles andere habe er kämpfen müssen. So habe die Stadt die Ausnahmegenehmigung zum Parken erst ausgestellt, nachdem er sich über zwei Knöllchen beschwert habe, an den Tagen als der Installateurbetrieb das Haus wieder an den Strom anschloss.

„Aber bevor kein Geld da ist, können wir nicht loslegen.“

Auch für den Container, den die Stadt jetzt zur Verfügung gestellt hat, habe er sich für nachträgliche Lieferung erst in endlosen Telefonaten stark machen müssen. „In dem Zeitraum, als die kostenlose Aktion der Stadt lief, waren wir noch nicht so weit. Das Gebäude durfte wegen Einsturzgefahr ja gar nicht betreten werden“, habe Müller der Verwaltung damals schon mitgeteilt.

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Seit drei Monaten arbeitet die Familie in den Trümmern ihres Hauses. „Der Kampf mit der Bürokratie raubt mir die letzte Kraft. Auch aus der Wiederaufbauhilfe des Landes sei noch kein Geld geflossen. Der Ausnahmezustand müsse bald ein Ende haben: „Aber bevor kein Geld da ist, können wir nicht loslegen.“

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