Amtsgericht Bergisch GladbachAcht Monate Haft für Attacke gegen Polizisten

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Handschellen (Symbolbild)

Handschellen (Symbolbild)

Bergisch Gladbach – Aus einer Belanglosigkeit ist eine wüste Konfrontation zwischen einem betrunkenen Gladbacher ohne Licht am Fahrrad und der Staatsgewalt entstanden. Erst mit reichlich Gewalt gelang es mehreren Polizistinnen und Polizisten, den womöglich infolge seines hohen Alkoholpegels schmerzunempfindlichen Mann in unmittelbarer Nähe zur Bergisch Gladbacher Polizeizentrale zu überwältigen.

Jetzt verurteilte das Bergisch Gladbacher Amtsgericht den gebürtigen Kölner wegen tätlichen Angriffs zu acht Monaten Haft auf Bewährung. Mit dem Urteil ging Amtsrichter Reinhard Bohn deutlich über den Antrag der Staatsanwältin hinaus. Diese hatte 9600 Euro Geldstrafe (160 Tagessätze zu 60 Euro) gefordert.

Angeklagter war mehrfach nicht zum Verhandlungstermin erschienen

Nach dem Urteil kam Gerd P. (Name geändert) wieder auf freien Fuß. Zuvor hatte der jetzt 45 Jahre alte Frührentner zwei Monate gesessen, aber nicht in Untersuchungs-, sondern in Hauptverhandlungshaft. Die hatte das Gericht angeordnet, nachdem der gelernte Chemikant mehrfach nicht zum Prozess erschienen war. Die jetzige Verhandlung war schon der sechste Termin.

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Die Nacht zum 30. August 2019 wird allen Beteiligten wohl dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Zwei junge Polizistinnen waren gegen 0.45 Uhr auf Streifenfahrt, als sie Gerd P. auf seinem unbeleuchteten Fahrrad auf der Hauptstraße sahen.

Sie kontrollierten ihn, rochen Alkohol, ließen ihn auf der Straße einen Alkoholtest machen und eröffneten ihm, dass er zur Blutprobe auf die 150 Meter entfernte Wache müsse - woraufhin P. auf die Beamtinnen losging.

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Diese setzten einen Notruf ab, woraufhin mehrere Kollegen, darunter Dienstgruppenleiter, Funker und zwei Auszubildende, losrasten, um zu helfen. Einfach wurde das nicht, da P. den Zeugenaussagen zufolge kaum zu bändigen war und nicht einmal auf Pfefferspray reagierte. Mehrfach habe er versucht, die Ordnungsmacht mit Kopfstößen zu verletzen. Zudem präsentierte er ein beachtliches Repertoire immerhin gendergerechter Beleidigungen.

Wegen des hohen Alkoholpegels vermindert schuldfähig

Die Dauer der Auseinandersetzung erklärte der Dienstgruppenleiter als Zeuge vor Gericht jetzt wie folgt: „Man will so einen ja nicht einfach umklatschen.“ Bei der Blutprobenentnahme auf der Wache – sie ergab 2,09 Promille – ging das sehr fordernde Treiben weiter.

Mehr Attacken gegen die Polizei

Über die Verrohung der Sitten klagen Polizei und Rettungsdienste seit Jahren. 2017 ergänzte der Bundestag die Strafrechts-Vorschrift des „Widerstandes gegen Vollstreckenbeamte“ (Höchststrafe drei Jahre) um den „tätlichen Angriff“ auf Vollstreckungsbeamte, der mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird.

Auch in Rhein-Berg ist die Zahl der Widerstände und Angriffe gewachsen. Nach Angaben der Kreispolizeibehörde Rhein-Berg stieg die Zahl derartiger Handlungen von 51 im Jahre 2015 auf 83 im Jahre 2020 (siehe Grafik). Zuletzt hatten wir bei einem Bericht über dieses Thema versehentlich falsche Werte veröffentlicht. (sb)

Vor Gericht räumte der im Prozess stoisch und besonnen auftretende Gerd P. lediglich die Beleidigungen ein – „aber erst in der Zelle“. Sowohl die Staatsanwältin als auch der Richter glaubten indes den Polizistinnen und Polizisten. Wegen des hohen Alkoholpegels wurde P. verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt. Richter Bohn mahnte den infolge einer Erkrankung arbeitsunfähig gewordenen Mittvierziger, er möge sich seinem offenkundigen Alkoholproblem stellen.

In der Verhandlung stellte sich zudem heraus, dass sich Richter und Angeklagter demnächst wiedersehen dürften: Nachdem P. wiederholt nicht zum Prozess gekommen war und das Gericht einen Haftbefehl erlassen hatte, rückte die Polizei aus, um ihn einzufangen – woraufhin der ansonsten eher unauffällige P. laut Polizei wieder ausrastete.

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