DigitalisierungGladbachs Verwaltung im Tal der Ahnungslosen

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Der Verband Bitkom untersuchte 81 deutsche Großstädte: Bei der digitalen Stadtverwaltung schnitt Gladbach schlecht ab.

  • Bitkom hat 81 Großstädte auf ihren digitalen Stand hin überprüft
  • Besonders schlecht schneidet Gladbach in den Bereichen Verwaltung und Mobilität ab
  • Die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl wollen die Verwaltung modernisieren

Bergisch Gladbach – Bei Radwegen und der Digitalisierung trägt Bergisch Gladbach in fast allen Rankings die rote Laterne. Bitkom – nach eigenen Angaben der „Digitalverband Deutschlands“ – hat 81 Großstädte auf ihre digitale Verfassung überprüft.

Und da belegt Gladbach den letzten Platz im Bereich Verwaltung und den vorletzten Platz insgesamt. Die Verwaltung nimmt diese schlechte Note durchaus an. Michael Müller, der zuständige Fachbereichsleiter: „Die Untersuchung spiegelt den von uns identifizierten Entwicklungsbedarf im Bereich der Digitalisierung wider.“

Es fehlt an einfachsten digitalen Angeboten

Bitkom hat in jeder Kommune fünf Themenbereiche untersucht: Verwaltung, IT Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität und schließlich Gesellschaft. Abgefragt wurden verschiedene digitale Dienstleistungen. Da geht es um die Dokumentenverwaltungssysteme, bargeldloses Bezahlen, Online-Terminvergabe, die Web-Site der Stadt, Social-Media-Präsenz, eine City-App und weitere Pilotprojekte.

Achim Berg_Präsident Bitkom

Der Präsident von Bitkom Achim Berg während einer Pressekonferenz.

Am meisten Punkte gab es noch bei der Präsenz in den Sozialen Medien. Bei vielen Bereichen gibt es aber auch schlicht keinen Punkt, weil die Verwaltung dort überhaupt kein Angebot macht. Dass ein paar Formulare herunterzuladen sind, rettet nicht vor der schlechten Bewertung. Es fehlen einfachste Angebote, wie etwa die Online-Terminvergabe.

Gladbacher Projekte sind auf Stand von gestern

Svenja Hampel von Bitkom erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung, dass alle Städte angeschrieben wurden, um die Bewertungen abzustimmen. Jede Kommune habe ausreichend Gelegenheit gehabt zu reagieren. Auch Gladbach. Aber da es in Gladbach ja nicht viel zu melden gibt, listet Svenja Hampel die Projekte auf, die andere Kommunen weit nach vorne gebracht haben. Etwa die Bürgerbeteiligungsplattform in Wuppertal.

Dort gibt es eine „Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement“. Mehrere Kommune experimentieren mit intelligenten Mülleimern, die melden wenn sie voll sind – und wenn sie nicht voll sind, werden sie auch nicht geleert. Selbst die Gladbacher Laternenumstellung (es wird im gesamten Stadtgebiet auf LED-Leuchten umgestellt) ist im Vergleich mit anderen Großstädten ein Projekt von gestern. Dort werden die Laternen etwa genutzt, um WLAN-Netze zu betreiben.

Digitalisierung ist Thema bei der Bürgermeisterwahl

Aber es ist ja nicht nur die Verwaltung die digital in einem Tal der Ahnungslosen lebt. Bei der Mobilität etwa fällt das schlechte Abschneiden bei Sharing-Angeboten und intelligenten Ampeln auf. Es gibt praktisch nicht einen einzigen Punkt, in dem die Stadt wirklich gut abschneidet.

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Christian Buchen (CDU) profiliert sich für die kommende Bürgermeisterwahl als IT-Fachmann.

Loigsch, dass das Thema Digitalisierung auch politisch angekommen ist. Bei der Kandidatensuche für Gladbachs Bürgermeister kündigten alle Bewerber an, die Verwaltung technisch ins 21. Jahrhundert führen zu wollen. Christian Buchen, der CDU-Bürgermeisterkandidat, führte seine Erfahrungen als IT-Projektmanager an.

Es ist nicht alles schlecht: Gladbacher “Smart-City-Atlas“

Im Positionspapier des Ampelbündnisses aus Grünen, SPD und FDP ist von der „Hebung der Digitalisierungsrendite“ die Rede. Digitalisierungsprozesse sind also kein Selbstzweck, sondern sollen letztlich helfen, Kosten zu sparen. Ampel-Kandidat Frank Stein will prüfen, wo durch Technik Kosten gespart werden können – die Umsetzung sei der nächste Schritt.

Aber nicht nur die Bürgermeisterkandidaten wollen mehr Digitalisierung im Gladbacher Rathaus. Seit dem 1. Oktober gibt es die Stelle des „Chief Digital Officer“ in der Verwaltung. Und es gibt ja auch noch andere Rankings, in denen die Stadt nicht so katastrophal abschneidet. Auch darauf verweist die Gladbacher Verwaltung.

So sei im März ein „Smart-City-Atlas“ erschienen, in dem die „organisatorische Herangehensweise der Stadt“ gelobt wurde. Die Unternehmensberatung „Hasselhorst Associates“ hat ein Städteranking mit 400 Kommunen vorgestellt. Da belegt Bergisch Gladbach den 42. Platz. Gleichwohl werde die Bitkom-Studie genau analysiert. Die zugrundeliegenden Datensätze seien angefordert worden.

So ist der Stand in den umliegenden Kommunen

Kürten: Zahlreiche Formulare können die Bürger online über die Internetseite der Gemeinde abrufen und ausdrucken, von der Vollmacht zum Abholen des neuen Personalausweises bis zur Anmeldung eines großen Hundes für die Hundesteuer. Ein Ausfüllen mit Online-Assistenten ist in Vorbereitung.

Sofern sie Mitglied des rechtssicheren Portals DE-Mail sind, können Bürger, elektronisch rechtssicher, vertraulich und verbindlich mit dem Rathaus kommunizieren. In Planung sind weitere Portal-Angebote für Online-Dienstleistungen, etwas das Anmelden von Gewerbe und die Abfuhr von Sperrmüll. Über den Bürgerbriefkasten können Bürger Kritik und Wünsche online ans Rathaus melden. Die Einführung von E-Payment-Lösungen ist bis zum Jahresende geplant.

Odenthal: Auch in Odenthal stehen im Internet Informationen (Open Data) und Formulare zum Herunterladen für viele Lebenslagen bereit – doch elektronisch auszufüllen und zurückzuschicken sind sie noch nicht. Das sogenannte E-Goverment sei in Vorbereitung.

Bis alle Dienstleistungen, die bisher im Bürgerbüro angeboten werden, auch vom heimischen Computer aus erledigt werden können, werde es noch einige Jahre dauern, so Anika Hohmeier von der Verwaltung. Die Umstellung sei zeit- und kostenintensiv, unter anderem, weil für Dienstleistungen, die kostenpflichtig sind, Bezahlfunktionen eingerichtet werden müssten.

Overath: Die digitalen Dienstleistungen befinden sich nach den Worten von Stadtsprecher Markus Tschersich im Aufbau. Eines geht schon: Dazu zählen Gewerbe-An-, Ab- und Ummeldungen ebenso wie Anzeigen über den Verlust oder Fund von Fundsachen. Auch seinen Hund kann man online anmelden.

Wer heiraten will und dafür eine Personenstandsurkunde braucht, dem kann ebenfalls elektronisch geholfen werden, und wenn das junge Glück dann in städtischen Räumen feiern will, kann es die elektronisch buchen. Auch Bürgern, die eine Sondernutzungserlaubnis brauchen oder einen Handwerkerparkausweis oder die sich einen Straßenaufbruch genehmigen lassen wollen, statt einfach loszulegen, hilft die Stadt via Internet.

Rösrath: Die Online-Vermittlung von Kita-Plätzen ist bei der Rösrather Stadtverwaltung über das Programm „Little Bird“ möglich. Bei Wahlen können Bürger auf digitalem Weg einen Wahlschein beantragen. Außerdem sind über die Internetseite der Stadt Rösrath zahlreiche Formulare zu finden, die Bürger herunterladen können. Interaktive Angebote gibt es in Rösrath nicht. 

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