Intensivstation Bergisch GladbachWie um das Leben der Covid-Patienten gekämpft wird

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Auf den Intensivstationen werden täglich Kämpfe gegen das Virus geführt.

Bergisch Gladbach – Auf den Intensiv-Stationen der Krankenhäuser in der Stadt führen Ärzte und Pflegekräfte seit über 14 Monaten Tag und Nacht einen aufreibenden Kampf gegen das Corona-Virus. Einblicke in einen strapaziösen Klinikalltag auf der Intensivstation im Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bensberg.

Die Patientin liegt regungslos auf dem Bauch, man sieht ihre dunklen Haare, die Augen sind geschlossen, ihr linker Arm liegt auf der Bettdecke ausgestreckt. Man könnte denken, sie schlafe einfach nur ganz fest. Wären da nicht die vielen Kabel und Schläuche, die sich von ihrem Körper aus zu Geräten und Infusionsständern ziehen. Die vielen kleinen Monitore der Infusionspumpen mit kleinen und großen Zahlen zeigen: Im Innern tobt ein Kampf ums Überleben, ausgefochten wird er in den Organen und Gefäßen. Damit die 75 Jahre alte Frau über einen Schlauch beatmet werden kann, wurde sie in ein künstliches Koma, eine Art Dauernarkose, versetzt. Francesco Cardone, Leiter der Intensivpflege, beugt sich draußen vor dem Zimmer über die „Kurve“ der Patientin – einem Blatt, auf dem mehrfach täglich penibel dokumentiert wird, wie es der Patientin geht, und was sie alles bekommt. Insgesamt sind es neun Medikamente. „Das ist noch relativ wenig“, sagt Cardone. Drei Narkosemittel, Antibiotika, Insulin, Cortison, Kreislaufunterstützer und natürlich Sauerstoff.

Sagen, wie es ihr geht, kann die Frau in dem Zimmer nicht. „Wir müssen für unsere Patienten mitdenken“, sagt Thorsten Löhr, Chefarzt der Anästhesie. Therapeutische Mittel, um das vom Virus so oft verursachte tödliche Lungenversagen zu verhindern, gibt es nicht. „Wir wissen nicht wirklich, was zu tun ist. Es gibt bisher keinen nachgewiesenen Weg“, sagt Löhr. Alle Erkrankten haben den gleichen Virus. Trotzdem ist jeder Fall verschieden. „Der Verlauf ist unberechenbar.“ Etwa jeder dritte Covid-Patient auf den Intensiv-Stationen stirbt.

„Die Pflege von Covid-19-Patienten ist eine sehr belastende Arbeit“

Dass jetzt nur noch sehr wenige Hochbetagte mit einer Corona-Infektion in der Klinik liegen, führt der Anästhesist vor allem auf die Impfungen zurück. Dafür liegen jetzt jüngere Menschen, meist 60 und 70-Jährige, teils wochen- oder gar monatelang an Beatmungsgeräten. Ihre Widerstandsfähigkeit sei einfach größer, als die von sehr alten Menschen, erklärt Löhr. Noch hätte aber kein Patient abgewiesen werden müssen. Die Gladbacher Kliniken arbeiteten alle zusammen: „Wir besprechen regelmäßig , wie es aussieht und wer noch Patienten nehmen kann.“

Die Belastung im Team auf der Intensivstation des VPH ist groß. Vier Ärzte und insgesamt 40 Mitarbeiter, inklusive Servicekräfte, arbeiten seit März vergangenen Jahres mit Corona-Patienten – ununterbrochen, Tag und Nacht. Zurzeit liegen vier Patienten mit einer Corona-Infektion – drei Männer und eine Frau – auf der Station, alle werden beamtet. „Mehr geht nicht“, betont Löhr. Die anderen Betten – insgesamt sind es zehn – sind aktuell bis auf eins ebenfalls belegt, mit Patienten, die eine schwere Tumor-Operation oder einen Herzinfarkt hinter sich haben.

„Die Pflege von Covid-19-Patienten ist eine sehr belastende Arbeit“, sagt Löhr, „es ist oft ein Auf und Ab.“ Die Erkrankung habe so viele Tricks. Kaum wirke es, als ginge es besser, verschlechterten sich die Werte von einem Moment auf den nächsten wieder. Die Pflege sei aber auch körperlich extrem anstrengend: „Das ist Hochleistungssport.“ Allein vier Leute werden gebraucht, um die kraftlosen Körper in die Bauchlage zu bringen. „Damit die Lunge vom Rücken besser belüftet werden kann“, erklärt Löhr. Alle 72 Stunden werden die bewusstlosen Patienten dann für einige Zeit auf den Rücken gedreht, damit keine Druckstellen entstehen.

Ringen um Normalität

Bis sich Beate Chwalczynski (49) angezogen hat, um ein Zimmer zu betreten, in dem Covid-19-Patienten liegen, dauert es eine ganze Weile. Eine FFP2-Maske, darüber noch ein Visier. Eine blaue Haube für die Haare. Ein gelber wasserabweisender Schutzkittel und drei Paar Handschuhe übereinander. Die Intensivpflegerin übernimmt alle Dinge komplett, die der Mensch sonst selbst zu Hause machen würde. „Waschen, Zähne putzen, Haare kämmen“, zählt auf. Gerade geht sie in das Zimmer der Frau mit den dunklen Haaren, ihr gelber Kittel raschelt. Während sie sich über sie beugt, begrüßt sie die Patientin trotz Koma, sagt, was heute für ein Tag ist, was sie als nächstes macht. Bei alle den technischen Möglichkeiten, nichts könne ihrer Meinung nach den mitfühlenden Kontakt ersetzen. Chwalczynski bewahre sich selbst aber auf diese Weise so etwas wie Normalität. „Außerdem hat man doch schon davon gehört, dass Koma-Patienten sich später an Stimmen erinnern.“

„Manchmal sind wir drei bis vier Stunden in den Zimmern“, erzählt Eva Mollerus (25), „danach sind wir immer pitschnass durchgeschwitzt.“ Einfach mal zwischendurch rausgehen, ist nicht erlaubt. Auch das Absetzen der Maske, um etwas zu trinken gehe nicht, um einen Kontakt mit dem Virus zu verhindern. Manchmal trinke sie vor der Schicht eine ganze Flasche Wasser, „damit ich schon einmal etwas intus habe.“ Aufgeben ist für Mollerus keine Option. „Das ist mein Job. Und es ist großartig, zu erleben wie Patienten nach langer Behandlung die Intensivstation wieder verlassen.“ Zum Glück seien inzwischen alle auf der Station geimpft, so dass die Angst vor der Ansteckung nicht mehr so groß sei. „Persönlich baut mich vor allem auf, dass wir in einem großartigen Team zusammenarbeiten und uns über Probleme austauschen.“

Als Leiter der Intensivpflege ist Francesco Cardone deshalb eins besonders wichtig: „Dass die Arbeitsbedingungen gut sind.“ Dazu gehört, dass auch die Nachtschicht immer mit vier Mitarbeitern besetzt ist. Dass Hilfsmittel wie spezielle Bauchkissen angeschafft wurden, um die Erkranken so zu lagern, damit keine Druckstellen entstehen.

Angehörige werden jeden Tag über Zustand informiert

Dass sie in dicker Schutzkleidung arbeiten müssen, dass sie oft schwere Patienten drehen müssen, das ist für die Pflegekräfte gar nicht das Schlimmste. „Es geht uns sehr nahe, die Menschen so vollkommen alleine da liegen zu sehen“, sagt Mollerus. Allen auf der Station täte es leid, dass die Angehörigen nicht kommen dürfen. Es gilt Besuchsverbot. Ein einziger unerkannter Infizierter würde die ganze Station lahm legen. Jeden Tag werden die Familien mit einem Anruf über den genauen Gesundheitsstand informiert, so oft es geht wird auch eine Verbindung über Video hergestellt, damit die Situation greifbarer wird .

Der Austausch mit den Angehörigen ist noch aus einem anderen Grund wichtig. „Es muss gemeinsam entschieden werden, wie es mit der Therapie weitergeht“, sagt Chefarzt Löhr. Welche lebenserhaltenden Maßnahmen noch infrage kommen? Gibt es Patientenverfügungen oder klare Vorstellungen von ihrem Tod?

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Beate Chwalczynski ist seit 32 Jahren Krankenschwester und seit 2010 Intensivpflegekraft. In der kurzen Corona-Zeit habe sie schon mehr Menschen sterben sehen, als in den vielen Arbeitsjahren zuvor. Ausnahmen für das Besuchsverbot gibt es zwar inzwischen, wenn der Patient tatsächlich im Sterben liegt. Doch oft passiert das sehr schnell. Dann wird das Team zum Familienersatz. „Ich habe erst vor kurzem die Hand eines Mannes gehalten, als der Moment des Sterbens kam“, sagt sie. Dann dreht sie den Kopf weg, ihr laufen Tränen über die Wangen.

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