Kreiskatholikenrat im Interview„Die Kirche muss sich endlich ehrlich machen“

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Michael Heckmann ist Vorsitzender des Kreiskatholikenrats im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Michael Heckmann ist Vorsitzender des Kreiskatholikenrats im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Bergisch Gladbach – Michael Heckmann ist Vorsitzender des Kreiskatholikenrats im Rheinisch-Bergischen Kreis. Über die von Papst Franziskus verhängte Auszeit für Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, die Situation in der katholischen Kirche im Kreis und die zunehmende Zahl an Kirchenaustritten hat Guido Wagner mit ihm gesprochen.

Lässt sich die verfahrene Situation beim Umgang mit den Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln durch die vom Papst verordnete Auszeit für den Erzbischof verbessern?

Heckmann: Wir haben das Thema des Umgangs mit den Missbrauchsfällen in der jüngsten Mitgliederversammlung des Kreiskatholikenrates noch vor der Entscheidung des Papstes besprochen. Und der Tenor war: Wir wollen nicht mehr nur jammern und nicht immer nur draufhauen.

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Lassen sich denn die Fehler beim Umgang mit dem sexuellen Missbrauch durch Geistliche mit den Beteiligten noch aufarbeiten?

Es gab da im Kreiskatholikenrat keine einheitliche Linie, sondern eine weite Bandbreite an Meinungen. Für rund drei Viertel der Mitglieder aber war eindeutig klar: Wir haben nicht mehr das Gefühl, mit diesem Kardinal so weitermachen zu können. Das ist zwar so konkret nicht gesagt worden, war aber meiner Einschätzung nach die Haltung.

Das heißt, da hilft auch nicht die vom Papst verordnete Auszeit für Erzbischof Woelki weiter?

Der Papst hat da sicher im Sinne der Institution Kirche gehandelt – aber nicht im Sinne der Gläubigen und der ehrenamtlich in der Kirche Engagierten.

Warum nicht?

Der Papst scheint durch seine Entscheidung vor allem auch die Institution Kirche stützen zu wollen, indem er den Erzbischof grundsätzlich im Amt lässt. Das aber verkennt völlig die Funktion Woelkis und seine mangelnde Akzeptanz bei den Gläubigen im Hinblick darauf, wie eine Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und des Umgangs mit den Gläubigen sein sollte.

Warum geht das nicht mehr mit Kardinal Woelki?

Ein echtes Wort der Reue und des Auf-die-Gläubigen-Zugehens ist bei ihm nicht zu erkennen. Als Mensch kann ich ihm vergeben. Und ich glaube auch, dass er die Missbrauchsfälle ernsthaft verabscheut und aufklären will. Aber er versucht dabei, so viel wie möglich die Institution Kirche zu schützen. Und das ist der falsche Weg.

Was wäre der richtige Weg?

Die Institution Kirche darf in der Sache nicht weiter geschützt werden, sondern muss sich endlich ehrlich machen. Dazu bedarf es einer schonungslosen Aufklärung. Ein Neuanfang auf der Basis, dass die Institution weiterhin über allem stehen soll, ist meines Erachtens schon im Ansatz gescheitert. Das zeigen auch die steigenden Austrittszahlen, gerade im Erzbistum Köln, die nun nochmals gegenüber den Vorjahren dynamisch weiter wachsend in die Höhe geschnellt sind.

Was macht das mit den ehrenamtlich Engagierten in der Kirche, denen Sie ja auch eine Stimme geben?

Ich kenne einige, die ihre Arbeit nach teilweise 30 oder 40 Jahren im Ehrenamt einstellen. Und das sind nicht nur ein paar, das sind entscheidende Personen und einige wollen sogar aus der Kirche austreten. Menschen die 30, 40 Jahre lang Kirche mit getragen haben. Wenn dieses Zeichen nicht verstanden wird, dann ist der katholischen Kirche nicht mehr zu helfen.

Was ist Ihre persönliche Schlussfolgerung?

Ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob ich 2022 noch einmal als Kreiskatholikenratsvorsitzender kandidiere. Das ist keine einfache Entscheidung.

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Was spricht für Sie gegen diesen Schritt?

Mein Herz hängt an der Sache und es wäre falsch sich wegzuducken. Denn dann würden diejenigen, die einfach so weitermachen wollen, die die Krise aussitzen wollen, Erfolg haben, und wir bekämen eine Kirche, die die Gläubigen immer weniger erreicht. Das ist nicht im Sinne des Auftrags der Kirche.

Würde ein anderer Erzbischof an der Spitze das Problem lösen?

Nicht zwangsläufig. Es müsste sich in jedem Fall auch die Linie ändern. Nur dann kann es mit viel Arbeit gelingen, das Vergangene aufzuarbeiten und Vertrauen zurückzugewinnen. Anderenfalls sehe ich da wenig Hoffnung.

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