Maschinen, Bürostühle, WerksfahrräderAuktionator versteigert das Zanders-Inventar

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Dechow-Projektleiter Jens-Peter Franz muss die riesige Papiermaschine 3 zu einem möglichst guten Preis verkaufen.

Dechow-Projektleiter Jens-Peter Franz muss die riesige Papiermaschine 3 zu einem möglichst guten Preis verkaufen.

Bergisch Gladbach – Was ist Zanders wert? Biontech, Produzent des Corona-Impfstoffes, beschäftigt weltweit rund 2000 Menschen, macht bei etwa 2 Milliarden Euro Umsatz einen Gewinn von einer Milliarde und ist an der Börse so ungefähr 20 Milliarden wert. Zanders, gegründet 1829, beschäftigte zu Hochzeiten in den 1980ern über 3500 Menschen, war das Flaggschiff der deutschen Papierproduktion und musste im April den Betrieb einstellen.

Ausverkauf des gesamten Inventars

Zanders ist nichts mehr wert. Obwohl, das stimmt nicht ganz: Das gesamte Inventar – die großen Maschinen, der Bürostuhl, die Schraubenzieher oder die 180 Werksfahrräder - kommt unter den Hammer. Im Augenblick sind es 2800 Lose, in denen tausende Einzelposten zusammengestellt sind (siehe Kasten). Der Ausverkauf hat bereits Online begonnen. In analogen Zeiten stünde ein Schild vor dem Firmengelände: Alles muss raus.

Die Firma Dechow aus Hamburg hat ein vierköpfiges Team nach Bergisch Gladbach geschickt. Auf dem riesigen Gelände, rund 37 Hektar groß, wird von ihnen buchstäblich alles inventarisiert. Jens-Peter Franz, Projektleiter der Zanders-Auktion, führt durch die Hallen und zeigt auf die Aufkleber: „Wir haben Zanders komplett erfasst.“

In manchen Räumen sieht es aus, als hätten die Angestellten fluchtartig den Raum verlassen.

In manchen Räumen sieht es aus, als hätten die Angestellten fluchtartig den Raum verlassen.

In manchen Räumen sieht es aus, als hätten die Angestellten fluchtartig den Raum verlassen. Da stehen dann angetrunkene Wasserflaschen auf dem Tisch neben einem aufgeschlagenen Magazin. Manche Spinde sind verschlossen. Die Eigentümer hatten keine Gelegenheit, ihre persönlichen Sachen abzuholen – oder sie hatten keine Lust ins Werk zu kommen.

Zweistelligen Millionenbetrag an insolvenzverwalter zugesagt

Zanders ist eine Geisterfabrik. Für Franz ist das alles nichts Außergewöhnliches. „Wenn wir kommen, dann haben die Firmen gerade aufgehört zu existieren. Manchmal ist der Kaffee noch warm.“ Die Firma Dechow bezeichnet sich selbst als Markenführung auf dem Gebiet der „Vermarktung industrieller Vermögenswerte“.

Den Berliner Flughafen Tegel haben sie genauso leer geräumt wie das Fujitsu-Werk in Augsburg. Ihre Ansage ist dabei immer die Gleiche: Es gibt nichts, was keinen Wert hat. Für alles gibt es auf dieser weiten Welt einen Käufer.

Alles muss raus.

Alles muss raus.

Dechow hat dem Insolvenzverwalter von Zanders einen festen Betrag zugesagt. Die Rede ist von einem zweistelligen Millionenbetrag. 18 Prozent von jedem verkauften Gegenstand geht in die Kasse von Dechow. Es ist dann das letzte Mal, dass ein Unternehmen noch an Zanders verdient.

Virtueller Zanders-Rundgang

Das Inventar von Zanders wird über die holländische Internetplattform „Troostwijk“ abgewickelt. Auf der Seite gibt es buchstäblich alles zu kaufen. Ein Eldorado für Schnäppchen-Jäger. Die Hamburger Firma Dechow arbeite mit Troostwijk zusammen. Dabei ist der Verkauf des Inventars von Zanders nur ein Teil des Geschäfts von Dechow mit dem Insolvenzverwalter Marc d’Avoine. Dechow hat sich verpflichtet, die gesamten Hallen zu räumen. Egal wie die Auktion läuft, der Insolvenzverwalter kann mit einem fixen Betrag rechnen – den hat Dechow vertraglich zugesagt. Allerdings scheint das Zeitfenster von 18 Monaten sehr ambitioniert. Allein um die Papiermaschinen abzubauen und vom Werk zu transportieren, wird es größere Umbauten geben müssen. Wer noch nie im Zanders-Werk war, kann über den Internetauftritt von Dechow einen virtuellen Rundgang, mit Musik, durchs Werk machen – und dort können sich auch Interessenten für das Zanders-Inventar anmelden. (nie)

www.dechow.de/zanders.html

Größte Ungewissheit ist Papiermaschine 3 – beim Kauf 1 Milliarde Mark wert

Größte Ungewissheit für den Verkauf ist die Papiermaschine 3. Eingeweiht 1992, war es die größte Investition in der Zanders-Geschichte. Rund eine Milliarde Mark wurde in die Maschine investiert. In der ersten Zeit wurde die PM3 vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten– die Konkurrenz sollte nicht wissen, auf welchem Wunderwerk bei Zanders produziert wird.

Die Maschine galt als modernste, vielseitigste Maschine der Welt. Wie hoch ihr Restwert ist, wird sich zeigen. Sie wird nicht über eine Auktion versteigert, sondern bei einer Ausschreibung, die bis zum 15. Dezember 2021 läuft. Die ersten Interessenten waren bereits vor Ort. Einer ist mit dem Hubschrauber eingeflogen.

Auktionator Dechow versteigert alles – von Schraibenziehern bis Papiermaschinen.

Auktionator Dechow versteigert alles – von Schraibenziehern bis Papiermaschinen.

Eine ältere Papiermaschine wurde bei Zanders tatsächlich vor Jahren ab- und in Asien wieder aufgebaut. Denkbar, dass dies die Zukunft der PM3 ist. Denkbar aber auch, dass die PM3 auseinandergenommen wird und stückchenweise verkauft wird. Der Projektleiter von Dechow: „Entscheidend wird sein, wer am meisten zahlt.“

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Das Team von Dechow wird 18 Monate im Werk arbeiten. Die Mitarbeiter haben die Schlüsselgewalt und finden immer wieder Räume, die seit Jahren nicht geöffnet wurden. Der Dechow-Geschäftsführer Ron Alexander sagt, er hätte 14 Tage gebraucht, um sich auf dem Gelände zurechtzufinden. Die Arbeit macht ihnen Spaß. „Zanders ist etwas Besonderes“, sagen sie alle bei Dechow. Alexander: „Das gesamte Team spürt, dass deutsche Industriegeschichte abgewickelt wird.“

An der Pforte sitzt Rainer Klein. Er ist ein echter Zandrianer. Der Insolvenzverwalter hat ihn übernommen. Schließlich muss das Gelände weiter gesichert werden. „Es tut mir im Herzen weh, mitanzusehen, wie hier alles ausgeschlachtet wird.“ Klein ist nicht der letzte Zandrianer. Auf dem Zanders-Gelände werden vier Katzen gehalten. Sie, oder ihre Nachkommen, werden, wenn die Dechow-Mannschaft ihre Arbeit erledigt hat, in leeren Hallen nach Mäusen jagen.

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