Skurriler GrundDaher kommt die Verunreinigung des Wassers in Bergisch Gladbach

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Das Trinkwasser kann wieder uneingeschränkt genutzt werden, Chlorgeruch ist allerdings möglich.

Das Trinkwasser kann wieder uneingeschränkt genutzt werden, Chlorgeruch ist allerdings möglich.

Bergisch Gladbach – Die Ursache für die Verunreinigung des Gladbacher Trinkwassers mit Enterokokken-Bakterien ist gefunden. Sie ist einigermaßen skurril: Mehl, schlichtes Haushaltsmehl, hat die Verkeimung ausgelöst. Mitarbeiter einer im Auftrag des Energieversorgers Belkaw tätigen Firma hatten das Mehl zur Abdichtung eines neu eingebauten Verbindungsstücks benutzt.

„Das ist gegen alle Regeln der Technik geschehen“, berichtete am Dienstag Belkaw-Geschäftsführer Dr. Klaus Kaiser bei einer Pressekonferenz in der Firmenzentrale. Die Schuldfrage sei eindeutig geklärt.

Eine haushaltsübliche Packung Mehl, etwa ein Kilogramm, hatten Monteure als klebrige Masse an der Innenseite der Leitung aufgetragen. „In einem Leitungsabschnitt auf der Odenthaler Straße ist dies geschehen“, sagte Stefan Wirp, Technischer Leiter der Belkaw. Weil nach dem Einbau des rund ein Meter langen Rohres noch Schweißarbeiten auszuführen gewesen seien, hätten die Arbeiter wohl geglaubt, eventuell nachtropfendes Wasser mit dem Mehlklumpen als Pfropfen zu stoppen. Für den Technischen Leiter ist dies ein „menschliches Fehlverhalten bei Arbeiten am Netz“. Das Mehl sei von Hand aufgetragen worden, so seien die Bakterien ins Netz gespült worden.

Wie der Belkaw-Geschäftsführer erklärte, sei dieses Abdicht-Verfahren in der Branche vor Jahrzehnten bekannt gewesen. „Ich habe gar nicht geglaubt, dass das noch angewendet wird.“ Die Arbeitsweise der ausführenden Firma widerspreche allen Anweisungen, die die Belkaw ausgegeben habe. Das Unternehmen behalte sich vor, die Kosten dem Verursacher in Rechnung zu stellen; dies werde gerade juristisch geprüft. Eine Summe von 100.000 bis 200.000 Euro sei nicht unrealistisch.

Engmaschige Kontrollen

Mitte Dezember waren die Bakterien bei Wasserproben im Leitungsnetz aufgefallen. Anschließend hatte der Rheinisch-Bergische Kreis ein Abkochgebot für alle Nutzer in Hebborn erlassen, rund 3000 Haushalte bis in die Stadtmitte waren betroffen. Die Belkaw hatte das Wasser von der Universität Bonn engmaschig kontrollieren lassen. Zahlreiche Hausanschlüsse waren geprüft worden – ohne Ergebnis. Erst das Mehl brachte die Belkaw auf die richtige Spur. Eine knappe Woche nach den „Mehl“-Arbeiten hatten sich Bürger an die Belkaw gewandt und einen unangenehmen Geruch im Wasser gemeldet. Daraufhin waren die Prüfverfahren ins Rollen gekommen.

So könnte es gewesen sein: Aus Mehl und Wasser wird eine Klebe-Masse angerührt.

So könnte es gewesen sein: Aus Mehl und Wasser wird eine Klebe-Masse angerührt.

Die mikrobiologischen Analysen hätten jetzt einwandfrei ergeben, dass die im Trinkwasser gefundenen Keime identisch mit denen am Mehlklumpen seien, sagte Kaiser. Das Mehl habe als „ideale Nahrungsgrundlage“ für die Keime gewirkt. Kaiser: „Mittlerweile ist der Rohrabschnitt ausgetauscht worden, und ein neues, sauberes Rohr ist eingebaut worden.“ Von der Verkeimung betroffen gewesen seien etwa 100 Haushalte an der Odenthaler Straße und Jägerstraße. Das Abkochgebot für Hebborn sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen. „Es sind keine Keime mehr im Netz“, stellte er klar.

Ominöse Leitungsstück wird gereinigt

Das Aufarbeiten der Mehl-Panne wird den Energieversorger in den nächsten Wochen weiter intensiv beschäftigen. Das ominöse Leitungsstück wird mit Hilfe eines neuartigen Schirmverfahrens des Wasserversorgers „Gelsenwasser“ intensiv durchgereinigt. Weil das Mehl bevorzugt an den Innenseiten der Leitungen anzutreffen sei, soll ein spezieller Kunststoffschirm an einer Seilkonstruktion durch das Wasserrohr fahren. Der Schirm wird durch das Wasser aufgebläht und mit Hilfe des Wasserstroms durch die Leitung gespült. Das Wasser wird aufgewirbelt, dadurch wird alles, was sich an der Rohrinnenwand ablagert, entfernt. Sobald „Gelsenwasser“ einen freien Termin habe, werde das Unternehmen in Bergisch Gladbach tätig.

Die rund 100 Haushalte, die unmittelbar an der „Mehl-Leitung“ liegen, bekommen zusätzlich in den nächsten Tagen Post von ihrem Energieversorger: Vorbeugend wird die Belkaw alle Feinfilter austauschen. Diese Filter liegen in der Nähe der Hausanschlüsse, oft benachbart zum Wasserzähler; hier könnten sich Keime ansiedeln. „Das wird einige Wochen in Anspruch nehmen“, sagte Kaiser. Wie der Firmenchef ausführte, sei man in Kontakt mit den Auftragsfirmen. Allen werde noch einmal mitgeteilt und eingeschärft, dass auf keinen Fall Mehl zum Abdichten genommen werden dürfe.

Die Haushalte in der Netzzone, für die vorübergehend ein Abkochgebot erlassen worden war, müssen bis auf weiteres eine Chlorung des Wassers hinnehmen. Obwohl die Belkaw-Vertreter erklärten, dass es nur bei warmen Wasser zu einem leichten Chlorgeruch komme, berichten Betroffene von einer starken Geruchsbelästigung auch bei kaltem Wasser. Blumen, die mit dem Wasser gegossen wurden, seien eingegangen. Derzeit liegt die Chlorkonzentration bei 0,3 Milligramm je Liter. In den nächsten Wochen will die Belkaw die Dosis nach und nach zurückgefahren. Vorbeugend sei es nicht möglich die Chlorung sofort einzustellen.

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