Statt Hilfe nach HochwasserBergisch Gladbacher verzweifeln an der Bürokratie

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Rettungsaktion in letzter Minute. Ein Feuerwehrmann hob Verkäuferin Andrea Düppers aus dem Fenster. Die Türen des Cafés Back-Company im Strundepark waren nicht mehr zu öffnen.

Bergisch Gladbach – „Wir wissen immer noch nicht annähernd, wie es weitergeht“, sagt Gert Müller, sechs Wochen nach der Strunde-Flutwelle. Das Wasser, das am 14. Juli mit großer Gewalt in den Strundepark strömte, hat auch seine Back-Company erwischt. Das Wasser im Geschäfts- und Gewerbezentrum an der Locher Mühle stand zum Teil anderthalb Meter hoch.

Von Müllers Café mit Backstube, dem Verkaufsraum, Küche und Kühlhaus ist nichts mehr übrig. Ehefrau Gerlinde Müller verzweifelt am Bürokratismus, vermisst Empathie und Lösungsansätze seitens der Behörden. Nur dank „ihrer persönlichen Helden“, Nachbarn, Freunden und Menschen, die sie vorher gar nicht kannte, glaubt sie wieder an ein Wunder. Die Back-Company als kleines Familienunternehmen ist ein Beispiel dafür, wie in Existenznot geratene mittelständische Unternehmen mit ihrem Schicksal umgehen.

Bautrupp des Vermieters angekommen

Alles ist weg, das gesamte Inventar, zerstört von einer feuchten Schlammwüste. Den Charme des Bäckerei-Cafés in dem restaurierten Fabrikgebäude einer früheren Wollspinnerei kann man nur noch erahnen. Stattdessen liegt ein modriger Gestank in der Luft. Ein Bautrupp des Vermieters, der EGK Projektentwicklungs- & Beteiligungs GmbH, ist seit ein paar Tagen dabei, sämtliche Wandaufbauten und Rigipsplatten rauszuhauen.

„Ende August haben wir endlich einen Termin beim Vermieter, um hoffentlich zu erfahren, wie der Sanierungszeitplan aussieht“, berichtet Gert Müller, „wenn wir unsere zweite Filiale in Gummersbach nicht hätten, wären wir jetzt insolvent.“ Denn die entscheidende Elementarversicherung fehlt. Sein Schaden summiere sich nach einer ersten Schätzung auf mindestens 140 000 Euro. Dazu kommen Investitionskredite, die weiter bedient werden müssen.

Stadtverwaltung verweist auf Gesprächstermin

Gert Müller steht mit seinen 66 Jahren vor der großen Aufgabe, für sich und sein Team einen Neuanfang zu schaffen. Aus dem Mietvertrag kommt er nicht raus, er läuft noch fünf Jahre. Die drei Auszubildenden musste er schweren Herzens entlassen. Sie sind bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet. Für die vier Mitarbeiterinnen genehmigte die Agentur für Arbeit immerhin bis Ende November Kurzarbeit.

„Wir wünschen uns inständig, dass die Stadt bauliche Veränderungen vornimmt, die eine solche Katastrophe künftig verhindern“, sagt Gerlinde Müller und spricht dabei auch für die anderen betroffenen Firmen im Strundepark. Das unternehmerische Risiko, sich hier anzusiedeln, sei sonst einfach zu groß. Die Stadtverwaltung verweist auf einen Gesprächstermin mit der zuständigen Immobilienverwaltung.

Möbel hochgestellt, als das Wasser kam

„Besprochen werden soll, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Gewässerführung getroffen werden können oder ob passiver Objektschutz sinnvoll sein kann“, sagt Stadtsprecher Martin Rölen. Dies aber vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Starkregen vom 14. Juli statistisch um ein 1000-jähriges Ereignis gehandelt habe. Martin Wagner hatte als Geschäftsführer des Strundeverbandes im Interview mit dieser Zeitung bereits festgestellt: Rechtlich gesehen sei jeder Bürger, der in einem Hochwassergebiet lebe, verpflichtet, sich selbst zu schützen.

Wie eine Badewanne ist das Gelände hinter dem Gebäude der Back-Company am 14. Juli bis in Brusthöhe voll gelaufen. Die Gefahr hat Andrea Dübbers, 54, an jenem Mittwochabend zu spät realisiert. Alleine im Bäckerei-Café dachte sie nur daran, zu retten, was zu, retten ist „Ich habe Möbel hochgestellt, als ich merkte, dass das Wasser von allen Seiten eindrang.“

Schnelles Handeln und Hilfe ist Privatsache

Sie alarmierte ihren Chef, der mit der Familie Urlaub am Steinhuder Meer machte. Als eine Kollegin herbeieilte, um zu helfen, stand das Wasser im Gebäude 1,30 Meter hoch. „Ich war eingeschlossen. Die Eingangstür bog sich beängstigend nach innen“, erinnert sich Andrea Dübbers. Die Kollegin draußen fand einen Feuerwehrmann. Er hob die Verkäuferin aus dem Fenster und führte sie durch den strudelnden Strom, in dem schwere lose Teile wie Kanaldeckel wirbelten.

„Unsere Erfahrung ist, dass schnelles Handeln und Hilfe Privatsache ist“, sagt Gerlinde Müller. Speziell von der Stadtverwaltung hätte sie sich mehr Empathie gewünscht: „Wir wissen, dass der Bürgermeister keine Wunder vollbringen kann.“ Ein Wort des Zuspruchs, Ideen für Lösungsansätze, die sich im Gespräch ergeben, bewirkten viel. Exemplarisch für den Formalismus berichtet Gert Müller von seiner weggeschwemmten Biotonne.

Als er am Tag 2 eine neue beantragen wollte, um Abfälle zu entsorgen, erhielt er vom Sachbearbeiter die Auskunft, da müsse er erst einmal schriftlich eine Verlustanzeige stellen. Müller legte einfach frustriert auf. Wie die Stadtverwaltung mitteilt, sei die Stadt verpflichtet zu prüfen, ob einem Betrieb eine solche Tonne zustünde. Herausgestellt habe sich, dass der Back-Company keine Biotonne zustehe.

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