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Geteiltes Echo„Portalpraxen“ sollen Notambulanzen in Rhein-Berg entlasten

Lesezeit 4 Minuten
Die Notaufnahmen sollen sich stärker abschotten, um Patienten schon im Vorfeld zurückweisen zu können.

Die Notaufnahmen sollen sich stärker abschotten, um Patienten schon im Vorfeld zurückweisen zu können.

Rhein-Berg – Die Rentnerin Susanne Beister (Name geändert) wartet seit drei Stunden in der Notaufnahme eines Krankenhauses im Rheinisch-Bergischen Kreis auf einen Arzt.

Sie hat Atemnot und ist so schwach, dass sie nicht mehr laufen kann. Patienten in ihrer Nähe unterhalten sich über ihre Wehwehchen. Darunter sind viele, die man nicht unbedingt in einer Notaufnahme erwartet. Von Schnupfen über Hautprobleme, Schürfwunden und Schlafstörungen ist alles vertreten.

Eigentlich ist die Notaufnahme für lebensbedrohliche Fälle zuständig, für Patienten, denen bleibende Gesundheitsschäden drohen, wenn sie nicht schnell behandelt werden. Für diese Patienten kann der große Andrang von Bagatellfällen und die damit verbundene Wartezeit massive Folgen haben.

Idee, näher zusammenzurücken, kommt an

Abhilfe schaffen soll das Modell „Portalpraxis“. Dem Krankenhaus angegliederte Notdienstpraxen sollen in diese Praxen umgewandelt werden – so auch die Notdienstpraxis am Marienkrankenhaus (MKH).

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Die Idee: Die Portalpraxis wird der Krankenhausaufnahme vorgeschaltet. Schon hier soll die Entscheidung getroffen werden, ob der Patient als echter Notfall ins Krankenhaus überwiesen oder als Bagatellfall eingestuft wird.

„Die Notfallpraxis am Marienkrankenhaus war der erste Schritt in diese Richtung“, sagt Dr. Guido Lerzynski, Regionaldirektor für GfO-Krankenhäuser in Rhein-Berg und Oberberg, zu denen auch das MKH und das Vincenz-Pallotti-Hospital gehören.

Für die Eingangsuntersuchung werde ein Generalist gesucht

Es sei richtig, dass Krankenhaus und Notdienstpraxis näher zusammenrücken. „Wir brauchen für die Eingangsuntersuchung in der Portalpraxis allerdings eine eierlegende Wollmilchsau“, sagt der Regionaldirektor. Einen Arzt, der in mehreren Fachdisziplinen fit und in der Lage sei, die Patienten der adäquaten Versorgung zuzuführen. Schließlich gehe es um die bestmögliche Versorgung kranker Menschen.

Lerzynski setzt zusätzlich auf eine verändertes Einweisungsverhalten aus Pflegeeinrichtungen für ältere Mitbürger, um die Überlastung der Notfallaufnahmen einzudämmen. So sei es oft nicht zielführend, ältere Menschen sofort in ein Krankenhaus einzuweisen. Lerzynski: „Häufig ist eine Behandlung in der gewohnten Umgebung besser und weniger belastend.“ Natürlich sei dies nur sinnvoll, wenn die Erkrankung eine Behandlung in der häuslichen Umgebung zulasse.

Grundsätzlich sei die Einrichtung der Portalpraxen ein Schritt in die richtige Richtung. Es sei jedoch besser, die Portalpraxis erst einmal an einem Standort zu etablieren, um den Weg für die tatsächlich behandlungsbedürftigen Patienten frei zu machen.

Kassenärztliche Vereinigung ist anderer Ansicht

Dr. Heribert Wiemer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinisch-Bergischer Kreis, wendet ein: „Wenn wir Portalpraxen anstreben, müsste jedes Krankenhaus eine haben.“ Erst dies ergäbe einen Sinn. Auf lange Sicht seien Portalpraxen aber nicht die Lösung des Problems. Dafür fehlten das Personal und die Expertise.

„Fakt ist, die Leute laufen aus Bequemlichkeit und Ignoranz in die Krankenhausambulanz“, glaubt der KV-Funktionär. Bei vielen Patienten herrsche die Meinung: „Ich will alles und das sofort“ vor. Das Anspruchsdenken vieler Patienten mit Bagatellerkrankungen sei so.

Anders sei es nicht zu erklären, dass die Inanspruchnahme der Krankenhausambulanzen häufig am Donnerstagvormittag geschehe. Wiemer: „Eine Zeit, in der alle Hausarztpraxen geöffnet haben.“ Primär sei der Hausarzt für die Versorgung Kranker zuständig und nicht das Krankenhaus.

Wiemer plädiert für Erziehung über das Portemonnaie

Wiemer plädiert für eine „Erziehung über das Portemonnaie“. Der Arzt ist der festen Überzeugung, dass eine Geldgebühr vor der Konsultation eines Krankenhausarztes den Ansturm auf die Krankenhäuser eindämmen würde.

Natürlich müsse der Patient die Gebühr rückerstattet bekommen, wenn er tatsächlich ernsthaft erkrankt sei. Wiemer geht davon aus, dass nur ein Drittel der Patienten, die in der der Krankenhausambulanz vorstellig werden, so ernsthaft erkrankt sind, dass eine sofortige Behandlung notwendig ist.

Erfahrungen abwarten

„Zu den Überlegungen der Kassenärztlichen Vereinigung zur Etablierung von Portalpraxen müssen zunächst Erfahrungen abgewartet werden, wie diese sich in der Versorgungsstruktur bewähren“, sagt Robert Schäfer, Pressesprecher des Evangelischen Krankenhauses Bergisch Gladbach.

Angebot für die Patienten

Notfallpraxen sollen eigentlich Patienten außerhalb der normalen Praxiszeiten der niedergelassenen Ärzte behandeln. Doch immer wieder stellt sich heraus, dass viele Menschen von der Existenz dieser Angebote nichts wissen und auch die zentrale Notfallnummer 116 117 nicht kennen.

Derzeit gibt es im Rheinisch-Bergischen Kreis zwei Notfallpraxen, eine am Marienkrankenhaus in Bergisch Gladbach und eine in Overath. Bis 2016 existierte noch eine weitere Notfallpraxis in Rösrath, doch diese wurde geschlossen, nachdem die KV (Kassenärztliche Vereinigung) Nordrhein beschlossen hatte, die Zahl der Praxen in ihrem Gebiet von 61 auf 41 zu reduzieren. Die Idee wurde zwar nach empörtem Gegenwind aufgegeben, aber Overath hatte schon aufgegeben.

Auf der Terminseite im Lokalteil veröffentlichen wir jeden Mittwoch und Samstag die Rufnummern der Notfallpraxen. (eck)

Das Haus wolle keine Schätzungen darüber anstellen, wie viele Patienten in Notfallambulanzen tatsächlich Notfälle seien oder genauso gut von einem Hausarzt zu den regulären Sprechzeiten versorgt werden könnten.

Ob sich eine ernste Erkrankung oder nur ein harmloser Schnupfen hinter den Symptomen verberge, sei nicht immer ganz einfach zu erkennen. Schäfer: „Patienten, die die Notfallambulanz aufsuchen, werden bei uns ärztlich untersucht, und danach wird die weitere medizinische Versorgung festgelegt.“

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