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Grundkurs auf PonygnadenhofIn Leichlingen lernen Tierfreunde Esel wirklich kennen

Lesezeit 6 Minuten
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Die Esel auf dem Ponygnadenhof in Leichlingen 

  • Esel haben zurzeit Hochkonjunktur, belegt das Internet.
  • Woher die Saga vom sturen Grautier stammt.
  • Was es mit dem Anpusten lassen auf sich hat.

Leichlingen – Wenn man aktuell im Internet nach „Esel kaufen“ sucht, hageln tausende Treffer auf einen ein. Es herrscht ein regelrechter Boom um das Tier mit den langen Ohren und Stehmähne. Das Angebot ist so groß, dass man ab 300 bis 500 Euro schon einen eigenen Esel kaufen kann.

Marlis Pohle erklärt sich dies damit, dass die Leute im Moment viel Zeit haben und Zuhause sind. Die Eselexpertin hält schon seit vielen Jahren Pferde und Esel und bietet das Seminar „Esel ABC“ auf dem Ponygnadenhof in Leichlingen an. Denn Esel seien nicht nur graue Pferde, über kaum ein Tier gebe es so viele falsche Mythen und Missverständnisse.

Wenn Fachwissen fehlt

„Esel sind super, die brauchen nichts.“ Solche und ähnliche Sprüche hörten die Teilnehmenden des Seminars im Vorfeld von Händlern. Aber wer kommt überhaupt zu einen Eselseminar? Einige haben blauäugig einen Esel gekauft und dann erst gemerkt, dass ihnen entscheidendes Fachwissen fehlt.

Andere – oft Leute im Ruhestand wie Manfred Plieske – planen, sich Esel zuzulegen, und wollen sich im Vorfeld gründlich informieren. „Ich bin jetzt in einem Alter, da möchte ich nur noch Dinge tun, die mir Spaß machen, so kam ich auf Eselhaltung“, erklärt der Rentner, der extra aus Dortmund angereist ist. Er habe dort viele Hektar Land, am Hang, wo das Gras aktuell brusthoch steht.

Eine Tierphysiotherapeutin aus Leichlingen, Nadja Brünner, die normalerweise mit Pferden arbeitet, will sich weiterbilden, um in Zukunft auch Esel richtig einsetzen zu können. Einige Teilnehmer sind auch einfach Tierliebhaber oder nutzen das Seminar als Ausflug mit ihren gut in Matschhose und Gummistiefel eingepackten Kindern.

Das Esel-ABC

Das „Esel ABC“ besteht aus einer Theorie- und einem Praxisteil. Gemütlich in einem alten Stall teilt Marlis Pohle ihr geballtes Wissen und steht für individuelle Fragen und Beratung zur Verfügung. Sie arbeitet ausführlich die Unterschiede zwischen Eseln und Pferden oder Ponys heraus. Vieles ist auf die ursprünglich unterschiedlichen Lebensräume zurückzuführen. Allein schon der Körperbau unterscheidet sich. Esel sind anders als Pferde keine reinen Fluchttiere und während Pferde eher „latschen“, „schreiten“ Esel, die auch gerne klettern, vorsichtig voran.

Esel kommunizieren über Distanzen von bis zu fünf Kilometern, können dementsprechend sehr laut werden und brauchen daher die 40 Zentimeter langen Ohren. „Sie können physiologie-bedingt eigentlich nur knapp 20 Prozent des eigenen Körpergewichtes tragen“, erklärt Pohle die Touristen-Attraktionen in der Umgebung, wo Esel den ganzen Tag Menschen irgendwelche Bergpfade hochbuckeln, was äußerst kritisch zu sehen sei. Denn Esel lassen es zwar mit sich machen, aber leiden und nehmen körperlichen Schaden.

Beim Essen anspruchsvoll

Besonders in der Ernährung seien Esel anspruchsvoll. Füttert man sie genauso wie Pferde, bekommen sie EMS, die Zuckerkrankheit an der viele Esel leiden. Esel sollten am besten Heu aus Gras bekommen, was vor der Blüte lang abgeschnitten worden ist, damit damit dies nicht zu gehaltvoll ist. „Am besten ist es, wenn noch viele Kräuter enthalten sind, um einen guten Mineralstoffhaushalt zu gewährleisten“, so Pohle. Wichtig für das Gebiss der Tiere sei es, dass das Heu möglichst hart ist und nicht aus Netzen verfüttert wird. Früchte sollten daher äußerst selten verfüttert werden. Einen Esel könne man auch verbal und durch Streicheln belohnen.

Diät auf Sand

Hat ein Esel erst mal EMS, sehe man das daran, dass der Mähnenkamm dick und abgenickt ist. Dann müsse man diesen langsam herunter „diäten“. Am besten stelle man ihn auf einen Sandplatz. Sand bräuchten Esel für ihr Fell ohnehin immer. Es sei durchaus nicht ungewöhnlich, wenn ein Esel mal ein paar Tage lang nichts trinke.

Was Pflege, Bürsten und Hufe auskratzen angeht, ähneln sie dann den Pferden doch stark. Beim Zubehör seien jedoch unbedingt die langen Ohren zu beachten, so dass man Halfter und Tremsen mit Schnalle zum Öffnen verwendet, um den Eseln beim Anziehen nicht die Ohren umzuknicken.

Elisabeth Korte, die sich mit ihrem Mann nach ihrem Umzug von Köln nach Solingen bereits den Traum vom Zwergesel erfüllt hat, stellt besonders viele Detailfragen: „Das ist genau wie mit der Kindererziehung. Ein Prozess. Man kann nicht von Anfang an alles richtig machen, aber man muss immer besser werden wollen.“ Die Mutter beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Esel, hat schon zahlreiche Eselwanderungen in Frankreich gemacht.

Dann geht es an die Praxis. Etwas eingeschüchtert und ehrfürchtig nähern sich die Teilnehmer den Eseln, nach all dem was sie jetzt schon über diese erfahren haben. Paul und Milla, die Kinder von Elisabeth Korte, die bei der Theorie zum Ende hin schon etwas quengelig geworden waren, sind plötzlich ganz ruhig.

Vom Anpusten

Mit seinen nach vorne gerichteten Augen sei der Mensch für Esel ein potenzieller Angreifer, erfahren sie. Daher sollte man einem Esel nicht direkt ins Gesicht gucken. Wenn man sich dann langsam einem Esel nähert, tue man dies am besten auch in Schlangenlinien und läuft nicht direkt auf ihn zu. Eine Armlänge Abstand halte man ohnehin immer ein. Den letzten Schritt zur Annäherung solle immer der Esel machen. Dieser wird mit den Nüstern zu einem kommen – wenn er denn will – und einen leicht anpusten, um den Kontakt zu suchen. Dann könne man sich leicht vorbeugen und zurück pusten. So begrüße Pohle ihre Esel auch nach all den Jahren noch täglich. Man solle in der Gegenwart von Eseln nicht hocken oder rennen. Wenn ein Esel sich einem nähert, solle man stehenbleiben und nicht zurücktreten.

Nicht stur, sondern bedacht

Pohle erklärt auch, wie das Gerücht vom sturen Esel zustande kommt: „Esel sind nämlich alles andere als stur, sondern handeln sehr bedacht.“ Als sie einen Esel versucht, mit dem Strick auf die Gruppe zu zuführen, bewegt dieser sich kein Stück. Über einen kleinen Umweg erst mal von der Menschengruppe weg, lässt er sich dann ohne Probleme führen.

Gut dabei deutlich wird auch die Komplexe Gruppendynamik unter den Eseln, denn mache Esel weichen anderen nicht von der Seite. Innerhalb der Herde gebe es nämlich keine Hierarchie, sondern die Esel pflegen untereinander die unterschiedlichsten Beziehungen. Es bilden sich regelrecht Cliquen, wie man das von Schulkindern kenne.

Ecrin Ciftci und ihre tierbegeisterte Tochter wollen das Eselgehege am liebsten gar nicht mehr verlassen: „Die Kleine hat gar keine Berührungsängste mit den Eseln. Das Seminar ist eine mehr als gelungene Abwechslung zu dem Corona-Alltag. Wir haben sehr viel gelernt.“

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Beim Kauf eines Esels solle man stets beachten, dass diese eine Lebenserwartung vom 40 Jahren haben und täglich gut drei Stunden Arbeit in Anspruch nehmen, warnt Pohle. Oft würden Esel von Züchtern auch zu früh von ihren Eltern getrennt werden. Esel entwickelten sich spät und sind erst mit zehn Jahren aus der Pubertät. Sie seien viel anspruchsvoller in ihrer Haltung als Pferde.

www.ponygnadenhof.de

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