Steinmetz aus LindlarKürtener Wegekreuze unter der Lupe

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Das Wegekreuz in Eichhof-Brücke, an der Wipperfürther Straße.

Das Wegekreuz in Eichhof-Brücke, an der Wipperfürther Straße.

Kürten – Autos rauschen hier zu Hunderten vorbei, jeden Tag. Einen Blick für das Wegekreuz, das hier seit ewigen Zeiten steht, hat kaum einer. Eichhof, Wipperfürther Straße, kurz vor dem Ortsausgang nach Hungenbach. Die Sülz ist hier schon fast zu spüren, der alte Ortsname Brücke erinnert an die Gegebenheiten. Der Weiler Brücke ist noch da, und das Wegekreuz von Brücke auch noch.

Dieses Wegekreuz, im Jahre des Herrn 1880 errichtet, wie es die Inschrift preisgibt, ist umstanden von uralten knorrigen Eichen. Als Ensemble präsentiert es sich den Spaziergängern, und seine ungewöhnliche Form fällt sofort ins Auge. Bergische Steinhauerkunst prägt das Wegekreuz, das seit 1984 unter Denkmalschutz steht. Der Sandstein ist stark geschädigt von Wind und Wetter. An einigen Stellen sind die Steine aufgeplatzt. Wasser dringt ein und schädigt das Denkmal. „Dringend muss dieses Wegekreuz saniert werden, der Zustand ist sehr schlecht“, meint Bernd Weber vom örtlichen Geschichtsverein. Er hat sich in Brücke umgeschaut und sofort den Charakter des Ortes bemerkt. „Dieses Wegekreuz ist besonders.“

Vollständige Erfassung der Wegekreuze

In diesen Wochen sind Weber und seine Mitstreiter überall unterwegs, um die Wegekreuze der Gemeinde erstmals in Gänze zu erfassen und den Zustand zu notieren. Für Kürten gelten die Wegekreuze als ein bedeutendes Kulturgut, kaum eine andere Gemeinde im Bergischen bietet eine derartige Fülle. Was sich daraus ergibt: In Kürten muss einst die Volksfrömmigkeit stark ausgeprägt gewesen sein. Der Geschichtsverein werde sich dafür einsetzen, dass das Wegekreuz als eines der nächsten saniert wird, erklärt Bernd Weber. Auch mit dem Eigentümer will er sprechen.

Wer das Wegekreuz, markant mit seiner achteckigen Gestaltung, mit dem Sockel und den Heiligenfiguren unter Baldachinen (Gottesmutter, Johannes der Täufer und Apollonia) vor über 140 Jahren aus den Sandsteinblock gemeißelt hat, wissen wir. Der Steinmetz nennt sich selbst mit Namen: „Hugo Brochhag(en)“ steht auf dem Sockel, auch der Wohnort ist genannt: Lindlar. Das Selbstbewusstsein eines Künstlers ist zu spüren, denn die allermeisten Steinmetze verschweigen ihren Namen. Hugo Brochhagen nicht.

Wegekreuze

Wegekreuze in Kürten

In den vergangenen Jahren sind in Kürten eine Reihe von Wegekreuzen saniert worden, mit Initiative der Nachbarschaften, des Kürtener Geschichtsvereins sowie der Eigentümer. Die beiden Wegekreuze in Engeldorf-Linde wurden 2015 saniert, 2017 folgten die Wegekreuze in Winterberg/Dürscheid und Junkermühle/Rothe Furth. Auch das Hofkreuz von Körschsiefen wurde 2017 erneuert. Schließlich konnte 2020 das Wegekreuz in Busch erneuert werden. Unterstützung kommt bei den Vorhaben auch vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, die die Arbeiten an den Denkmälern finanziell fördern. In den „Kürtener Schriften“ 11/2018 und 12/2020 finden sich Berichte zu den Sanierungen. Nach einer Zählung von Heimatforscher Werner Lüghausen stehen im Gemeindegebiet von Kürten 173 Wegekreuze. (cbt)

Steinmetz stammte aus Lindlar

Das Wissen darüber, dass er aus der traditionsreichen Steinhauergemeinde Lindlar kommt, ist den Forschungen von Paul Friepörtner zu verdanken. Er ist Mitglied des Arbeitskreises Regionalgeschichte Lindlar und mit der Geschichte der Lindlarer Steinhauerkunst bestens vertraut. Friepörtner ist es dank intensiver Nachforschungen gelungen, zur Person des Steinmetzes Hugo Brochhagen Wichtiges herauszufinden. Im Geburtsregister von Lindlar als Leonard Hugo Brochhagen geführt, kam er am 28. Dezember 1847 auf die Welt, als Sohn des Amandus und der Maria Christine Brochhagen, geborene Remmel; der Vater, selbst ein Steinhauer, stammte aus Kirschbäumchen nahe Lindlar, die Mutter aus Engelskirchen-Heide.

Der Vater muss auf den Sohn großen Einfluss gehabt haben: Steinhauer wurde auch er, aber er wollte als Handwerker und als Künstler arbeiten. Nach seinem Vater habe er sich „Mandus Brochhagen“ genannt, sagt Friepörtner. Schon der Vater habe sich aus der Vielzahl der Lindlarer Steinhauer abgehoben. Der Sohn eiferte ihm nach: „Mandus war nicht der Steinhauer fürs Grobe. Er konnte vielmehr aus der Lindlarer Grauwacke Kunstwerke schaffen, die nicht nur zur damaligen Zeit Anerkennung gefunden haben.“ Um seine Fertigkeiten zu vervollkommen, arbeitete Hugo Brochhagen nach Friepörtners Forschungen an der Dombauhütte zu Köln.

Wegkreuz früher wichtige Sehenswürdigkeit

Dort waren damals nur die Besten ihrer Zunft beschäftigt. Überliefert ist, dass Besucher aus Lindlar, die in Köln ihren Militärdienst ableisteten, ihren Freunden aus Lindlar bei der Arbeit in der Dombauhütte zuschauten. Gearbeitet wurde in weißen Kitteln, was einiges über den Berufsstand aussagt. Nur Künstler und Ärzte trugen diese Kleidung. Der Steinmetz Leonard Hugo Brochhagen habe sich als Künstler gefühlt, meint Friepörtner. Auch das Wegekreuz zu Brücke entstand als Kunstwerk, mit Reliefs der Heiligenfiguren, die ursprünglich in Rot, Blau und Gelb angestrichen waren. Der Himmel zeigte sich mit goldener Farbe umfasst. Das Wegkreuz muss damals eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges gewesen sein.

Als das Wegekreuz in Brücke/Eichhof entstand, war Brochhagen Anfang 30. Er erhielt den Auftrag von Peter Eiberg und dessen Ehefrau Anna Maria, geborene Löhe, und deren Tochter Anna. „Zu Brücke“ wohnten die Stifter damals, sicher als einiges von wenigen Häusern der Siedlung. Das Wegekreuz stiftete die Familie „zu Ehre der Gottesmutter“, der eigentliche Anlass ist nicht überliefert. Oft waren es überstandene Unglücke oder Krankheiten, die die Stifter motivierten. Friepörtner setzt sich auch für eine rasche Sanierung des Wegekreuzes ein. Die unter Baldachinen aufgestellten Heiligenfiguren seien bereits stark beschädigt.

Weitere Kunstwerke von Brochhagen in Lindlar

Von Hugo Brochhagen haben sich in Lindlar weitere Kunstwerke erhalten. Auch das hat Friepörtner bei seinen Recherchen entdeckt. Er schuf die Skulptur des heiligen Reinoldus in der Lindlarer St.-Severins-Kirche, die Herz-Jesu-Statue vor dem früheren Lindlarer Krankenhaus (heute ist sie verschollen) und die Dekore am Lindlarer Kriegerehrenmal. Friepörtner glaubt, dass es ehemals eine „Hugo-Brochhagen-Schule“ unter den Lindlarer Steinmetzen gegeben hat. Auch zwei Grabkreuze auf dem Lindlarer Friedhof („Stephan Kesseler“ und „August Luxem“) erinnerten an die Handschrift des Hugo „Mandus“ Brochhagen.

Was Brochhagen 1892 bewogen hat, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, ist nicht überliefert. Mit seiner Familie verließ er die bergische Heimat und war dort offenbar weiter als Steinhauer tätig. Er starb am 4. Mai 1901, im Alter von 53 Jahren. Bislang ist es nicht gelungen, Arbeiten von ihm in den USA ausfindig zu machen.

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Ob die Figur der heiligen Apollonia einen Bezug zur Apollonia-Oktav im Nachbarort Kürten haben könnte, ist offen. Mindestens seit dem Jahr 1831 gibt es die Oktavwoche, sie wird erwähnt in einem Ablassbrief Gregor XVI. 1838 wird eine Kirchenglocke mit ihrem Namen versehen und in der Kürtener Pfarrkirche St. Johannes Baptist wird seit 1903 eine Reliquie der frühchristlichen Märtyrern (um 250) aufbewahrt. Schließlich erinnert die Figur Johannes des Täufers an die Kürtener Kirche, die nach dem Heiligen benannt ist.

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