Vesperkonzert in OdenthalOrganist Jonathan Roth spielt auf der Klais-Orgel

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Premiere: Assistenzorganist Jonathan Roth gab am Sonntag sein erstes Konzert auf der Klais-Orgel.

Premiere: Assistenzorganist Jonathan Roth gab am Sonntag sein erstes Konzert auf der Klais-Orgel.

Odenthal – Es gibt unerwartete Sternstunden in dieser kulturarmen Pandemiezeit: Das Vesperkonzert der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen am Sonntagnachmittag im Dom. Für Musikliebhaber sind diese Konzerte, eingebettet in kurze Gedanken und Gebete an Gott, längst der Geheimtipp für Musik mit Live-Genuss.

Am letzten Sonntag sogar mit einer Premiere: Der junge Jonathan Roth, seit 2020 Assistenzorganist bei Domorganist Andreas Meisner, gab sein erstes Konzert auf der berühmten Klaisorgel – eine Premiere. Mit Werken von Johann Sebastian Bach und Louis Vierne, zwei überaus bedeutenden Komponisten für Orgel aus dem Barock und dem 20. Jahrhundert, zeigt der junge Musiker die große Bandbreite seiner Passion für die Königin der Instrumente.

Zuhören mit Abstand

Mit Bachs Passacglia und Fuge c-Moll BWV 582 beginnt er das Konzert in der gut besuchten Kathedrale, in der die Zuhörer sehr diszipliniert in weitem Abstand sitzen. Das Thema, angelegt mit 15 Tönen, beginnt sehr ungewöhnlich als unbegleitetes Pedalsolo, wird dann in 20 Variationen durchgeführt, in Kantilenen, Verzierungen und aufsteigenden Intervallen. Nahtlos geht die Passacaglia über in die Fuge – Roth entwickelt tröstliche Klangteppiche, entführt seine Zuhörer mit subtilem Spiel auf die geistige Ebene, in der man die komplizierte Kompositionstechnik vergisst und heraufschaut zur Madonna mit dem Strahlenkranz und der Osterkerze, bis das Werk mit einem langanhaltenden Ton verklingt.

Nach dem kurzen Choralvorspiel „Liebster Jesu, wir sind hier“, BWV 633, liest Pfarrerin Claudia Posch kurz aus „Moses„ Befreiung aus Ägypten“. Nachdenklich stimmt ihr Fazit: „Alles, was ich tue, tue ich zur Ehre Gottes: Orgelspielen bis Rohre verkaufen. Letztlich entscheidend ist die innere Haltung.“

Dann entführt Jonathan Roth mit Louis Viernes (1870 bis 1937) drei ersten Sätzen aus der 3. Orgelsinfonie in das Jahr 1911. Vierne, unter dem Einfluss von César Franck stehend, hat die Renaissance der Orgel maßgeblich mitbestimmt. Doch als er nach dem Tod seines Orgelprofessors Alexandre Guilmant wegen politischer Intrigen nicht dessen Nachfolger wurde, stürzte er in wilde, zornige Verzweiflung – deutlich zu hören im ersten Satz. In der Cantilene entwickelt sich eine Klage mit strukturierten, hohen Tönen, die leise und dunkel ausklingen. Im Finale lässt Vierne eine tragische Toccata erklingen, die mit dem tiefen Bassthema im letztendlich jubelnden Diskant endet.

Vierne verinnerlicht

Jonathan Roth hat den zeitgenössischen Komponisten Vierne verinnerlicht, spürt dessen Seelenregungen bis ins Detail nach, ohne die Transparenz der Töne beim wilden Einsatz von Händen und Füßen auf Manualen und Pedalen zu verlieren. Das begeistert applaudierende Publikum ist sich sicher, etwas Besonderes erlebt zu haben.

Im fünften Semester studiert der gebürtige Münchner evangelische Kirchenmusik bei Professor Thierry Mechler an der Musikhochschule Köln. Mit Cello hat er angefangen, ab dem 7./8. Lebensjahr Klavier gelernt. „Ich habe den Weg zur Orgel erst über einen Umweg gefunden“, erzählt er nach dem Konzert. Im Jahr 2015 ist er nach Köln gezogen, hat zunächst in Aachen Maschinenbau studiert. „Über den Orgelneubau in der Mülheimer Friedenskirche bin ich in die Orgelwelt gekommen – ich bin ein Quereinsteiger“, erinnert er sich. Da keimte das Interesse für die Orgel wieder auf: „Als kleiner Junge, als die Beine noch viel zur kurz waren, wollte ich auch schon Orgel lernen.“

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Bei Domorganist Andreas Meisner hat er Orgelunterricht genommen, und dabei stellte er fest, dass die Orgel genau „sein Ding“ ist und begann mit dem Studium evangelischer Kirchenmusik. Als Assistenzorganistin Cornelia Kupski 2020 nach Melsungen wechselte, rief ihn Andreas Meisner an wegen der Nachfolge. „Ich bin fast aus den Schuhen gefallen,“ erinnert sich Roth. „Seit April 2020 darf ich auf der Altenberger Orgel spielen, die Gottesdienste begleiten und die Kirchenmusik mitgestalten – eine sehr große Ehre, ich bin Andreas Meisner sehr dankbar.“

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