297 Euro für Bett in NotunterkunftOverath bittet arbeitende Flüchtlinge zur Kasse

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Ein Bett in einer Flüchtlingsunterkunft. (Symbolbild)

Ein Bett in einer Flüchtlingsunterkunft. (Symbolbild)

Overath – Die Stadt hat die Gebührensatzung für Übergangsheime überarbeitet, um die internen Verrechnungen der Stadt zu verändern. Unbeabsichtigte Nebenfolge: Jetzt müssen nicht nur Sozialbehörden sehr viel höhere Nutzungsentschädigungen zahlen, sondern auch die Flüchtlinge, die gar keine Sozialleistungen mehr brauchen, weil sie schon Arbeit gefunden haben.

Aktuell betroffen sind 19 Personen: Sie müssen knapp 300 Euro im Monat für ein Minimum an Unterkunft berappen. Die Bitte der ehrenamtlichen Helfer von der Individuellen Flüchtlingshilfe Overath (IFO), diese Satzung zu überarbeiten, lehnte der Sozialausschuss in seiner jüngsten Sitzung jedoch mit großer Mehrheit ab.

Im Ausschuss trugen die IFO-Vorsitzende Nicole Freund und ihr Mitstreiterin Karin Grunewald das Ansinnen vor. Es gehe nicht um eine „Härtefall-Regelung“, da es ja schließlich keine Härte sei, eine Arbeitsstelle zu besitzen, sondern um ein „angemessenes, gerechtes und für alle Flüchtlinge nachvollziehbares Zahlungsmodell“.

Ein Bett und einen Stahlspind in einem Vierbettzimmer

Wer derzeit auf eine Notunterkunft angewiesen sei, weil er einerseits in Overath keine reguläre Wohnung finde, andererseits die Stadt wegen der „Wohnsitzauflage“ aber auch nicht verlassen dürfe, finde in seiner Unterkunft nach einem langen Arbeitstag ein Bett und einen Stahlspind in einem Vierbettzimmer mit zehn bis 20 Quadratmetern vor sowie gemeinschaftliche Sanitär- und Küchenanlagen auf niedrigstem Standard. Freund: „Töpfe und Lebensmittel bewahrt unser Flüchtling in seinem Zimmer auf. Er geht kochen und nimmt dann das Essen mit, um es in seinem Zimmer zu essen.“

Die Privatsphäre, so die Flüchtlingshelferin, sei überwiegend gleich null. „Möglicherweise liegt im Bett nebenan ein Mensch, den er kaum kennt, der aus einem anderen Land kommt, der vielleicht mit psychischen Belastungen zu kämpfen hat. Oder auch »nur« abends, wenn er selbst nach einem harten Arbeitstag nur noch seine Ruhe haben will, laute Musik und viel Besuch bevorzugt.“

Für Unterbringung zahlt Arbeitnehmer 297 Euro

Für diese Unterbringung zahlt der Arbeitnehmer laut Karin Grunewald 297 Euro von seinem Lohn. In der Konsequenz habe er am Ende des Monats gerade 300 Euro mehr als ein Mitbewohner, der nicht arbeiten gehe, sondern den „lieben Gott (welchen auch immer) einen guten Mann“ sein lasse. Grunewald: „Es ist ein Hinderungsgrund für Integrationsbemühungen, wenn die Menschen sehen, dass sich Arbeit hier in Overath nicht lohnt!“

Für die CDU-Fraktion machte Ratsherr Jörg Schiefer eine andere Rechnung auf: „297 Euro sind immer noch weniger als ein Drittel des Einkommens. 800 Euro bleiben dem Betroffenen. Alleinerziehende haben zum Teil weniger.“ Angesichts der Overather Haushaltsnöte sehe er keine andere Möglichkeit. Die Verwaltung sei aber gefordert, berufstätige Flüchtlinge prioritär mit Wohnungen zu versorgen, da diese ja auch einen anderen Lebensrhythmus hätten als nicht Berufstätige.

Für die SPD sagte David Maisey, dass für einen Geringverdiener ein Unterschied von hundert Euro bereits beträchtlich sei. Es sei aber wichtig, Leerstände für Alleinlebende umzubauen. Dagegen wies die Stadtverwaltung darauf hin, dass solche Möglichkeiten bereits weitgehend ausgereizt seien: „Wir bemühen uns täglich, die Belegung so zu gestalten, dass es passt, aber wir stoßen an Grenzen“, sagte eine Sozialarbeiterin.

Grüne fordern Änderung

Die Grünen räumten ein, die Problematik nicht erkannt zu haben, als sie der neuen Gebührensatzung zustimmten und forderten eine Änderung. Ihr Ratsherr Gerhard Bartel wies überdies darauf hin, dass die jetzigen Bewohner infolge der Gebührenkalkulation für die nicht belegten Betten mit zahlen müssten. „Unser Ziel muss es sein, die Flüchtlinge aus den Unterkünften heraus in Wohnungen zu bekommen. Damit wird es für die Verbleibenden aber immer teurer.“

Am Ende stimmten bei einer Enthaltung außer den Grünen alle für die Beibehaltung der neuen Gebührenordnung.

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