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Neue „Achera“Geschichtsverein Overath erforscht die Historie von Gut Eichthal

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Charlotte Peters mit ihren Hunden Ende der 1930er Jahre auf der Terrasse von Gut Eichthal.

  • Bis ins 19. Jahrhundert reicht die Geschichte des Gut Eichthal zurück.
  • Der Geschichtsverein in Overath hat nun die Historie des Guts erforscht.
  • Jeden Mittwoch ist die „Gut Eichthal und seine Bewohner“ im Stadtarchiv im Schulzentrum Cyriax erhältlich.

Overath – Wer heute in Overath über Gut Eichthal spricht, dem fallen als Erstes womöglich die hohen Kosten im Rahmen der Regionale 2010 ein, als das alte Gutshaus in den Aggerauen um drei Betonpavillons, zwei Brücken und neue Wege ergänzt wurde. Oder der Schildbürgerstreich um den wegen Rutschgefahr gesperrten Ameisenschutzweg. Oder Pläne für eine Kanu-Anlegestelle und für ein öffentliches WC.

Aber Gut Eichthal ist viel mehr: Im 19. Jahrhundert lebte dort ein Bergwerks-Direktor, im 20. war es der Landsitz des Kölners Kaufmanns Carl Peters und seiner Familie, aus dessen Kaufhaus in der Domstadt später Karstadt wurde. Gut Eichthal ist ein wichtiger Teil von Overath, der „Perle an der Agger“, viel wichtiger, als es die durch Agger, Bahn und Bundesstraße verstärkte Randlage vermuten lässt.

Geschichte des Anwesens reicht ins 19. Jahrhundert

Zu seinem Vereinsjubiläum am Wochenende (Bericht unten) hat der Bergische Geschichtsverein Overath eine Sonderausgabe des Vereinsperiodikums „Achera“ vorgelegt: „Gut Eichthal und seine Bewohner“.

In ihrer heimatkundlichen Arbeit zeichnen die Autoren und Vereinsmitglieder Dr. Hartwig Soicke und Karl Schiffbauer die über 200 Jahre alte Geschichte dieses Overather Anwesens nach. Von der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts über die Zeit, in der dort der Honrather Bergwerksdirektor Carl Clauß residierte, bis hin in die Gegenwart. Die Berichte unterlegen sie mit vielen bisher unbekannten Abbildungen. In die Broschüre haben der promovierte Chemiker Soicke und sein Ko-Autor Schiffbauer nicht nur gepackt, was andere vorher schon veröffentlicht haben, sondern sie haben, und das macht den besonderen Wert der knapp 60-seitigen Publikation aus, selbst geforscht, sind in die Archive gestiegen, haben Zeitzeugen getroffen und dabei viel herausgefunden, was heute kaum noch jemand weiß.

Anwesen 1948 an Gemeinde Overath überschrieben

Zum Beispiel den Zusammenhang zwischen der aggeraufwärts gelegenen Drogen-Fachklinik Haus Aggerblick und Gut Eichthal. In Haus Aggerblick, wo heute Drogenabhängige für ein suchtfreies Leben fit gemacht werden, fanden früher Schwimm- und Sportwettkämpfe der Kaufhaus-Belegschaft von Carl Peters statt, und das Gebäude hieß „Petersheim“. Peters hatte den vormaligen Helenenhof gekauft, um seiner Belegschaft etwas Gutes zu bieten. Gemeinsame Ausflüge führten die Kaufhaus-Angestellten aus der Domstadt an die Agger – nach 1933 unter dem Hakenkreuz und mit viel Leibesertüchtigung.

Overather Geschichtsverein feiert seinen 40. Geburtstag

In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung ist die Beschäftigung mit der eigenen Heimat wieder angesagt und dazu gehört auch die Heimatgeschichte: „Wie wir wurden, was wir sind“ (so der Titel eines Sachbuchs des Schriftstellers Bernt Engelmann) kann eben eine überaus spannende Frage sein, und wie Overath zu dem wurde, was es heute ist, damit befasst sich seit jetzt 40 Jahren der Bergische Geschichtsverein Overath eV.

Seit seiner Gründung hat der Verein stetig an Mitgliedern gewonnen. Waren zu Beginn 37 Personen dabei, waren es 1989 nach Angaben der heutigen Vorsitzenden Ulla Gote schon 61, 1999 dann 170 und heute 204. Der Verein wirkt nach innen und nach außen: Nach innen durch Informations- und Begegnungsangebote, zu denen mittlerweile auch mehrtägige Exkursionen gehören, nach außen durch die Herausgabe der „Achera“, die sich mit immer neuen Aspekten der Heimatgeschichte befasst und zum Teil hohen Ansprüchen genügt, wenn es etwa um den Ersten Weltkrieg in Overath geht oder, wie bei der jetzt präsentierten Sonderausgabe, um Gut Eichthal.

Für die nächsten zwei Jahre hat sich Ulla Gote ein großes Projekt vorgenommen: Nach dem Vorbild von „Erklär mir Wuppertal“ plant sie ein Kinderbuch für Overath. Sie will es gemeinsam mit zwei Ko-Autoren machen, darunter der früheren Grundschulrektorin und „Tafel“-Gründerin Barbara Matthias. Der andere Co-Autor weiß laut Gote „noch nichts von seinem Glück“.

Am Wochenende feiert der BGV seinen „kleinen“ runden Geburtstag. Unter anderem mit dabei sein wird ein Mann, der schon bei der Gründung mit dabei war und der fast auf den Tag genau vor 40 Jahren, nämlich am 20. Oktober 1979, beim Bergischen Geschichtsverein Overath schon einmal einen Vortrag über die Geschichte seiner Kommune gehalten hat: Andreas Heider, damals aufstrebender Jung-Politiker, seit 2014 gesetzter Alt-Bürgermeister der Stadt Overath, hält die Festrede. (sb)

Viel ist auch zu erfahren über das Leben der Kaufmanns-Tochter Charlotte Peters, die das Gut am 8. April 1936 nach dem Tode des Vaters der Mutter abkaufte und es 1948 (und nicht 1988, wie „Wikipedia“ fälschlich schreibt) der damaligen Gemeinde Overath überschrieb. Das echte Datum der „hochherzigen Schenkung“ (so eine Überschrift in der Kölnischen Rundschau vom 9. November 1948) belegen die Autoren mit dem Abdruck eines Zeitungsberichts und eines Gemeinderatsprotokolls aus dem Jahr. Was am Ende den Ausschlag für die Schenkung gab – finanzielle Probleme oder andere Überlegungen – bleibt offen. Soicke zeichnet auf der Grundlage eines Interviews mit Charlotte Peters’ Freunden Dieter und Renate Müller, die heute in Königswinter leben, ein warmherziges Porträt der gebürtigen Kölnerin, die ein für ihre damalige Zeit bemerkenswert „emanzipiertes“ Leben geführt habe.

LVR ist Mieter des Gutshauses

Charlotte Peters, die auch nach der Schenkung noch lange auf Gut Eichthal lebte, starb am 12. März 1987 in Rottach-Egern am Tegernsee. Die Gemeinde Overath fand neue Mieter in den Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland, und um die Jahrtausendwende setzten die Bestrebungen vor allem des Heimat- und Bürgervereins Overath um eine verstärkte Nutzung des Gutes ein, die schließlich in das interkommunale Gemeinschaft-Projekt „Kennnenlernenumwelt“ mündeten“, das Kindern aus der Region bis heute die regionale Geschichte näherbringt.

Mieter im Gutshaus ist nach wie vor der LVR. Von dort kam auch der erste Anstoß zu der Arbeit, wie Soicke bei der Präsentation der Schrift berichtete. Der frühere Leiter der im Gutsgebäude beheimateten Außenstelle Overath des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Dr. Erich Claßen, übergab 2017 dem BGV-Fotoexperten Karl Schiffbauer einen Satz historischer Fotos zu Gut Eichthal, die sein Vorgänger Michael Gechter zusammengetragen hatte. Schiffbauer machte daraus eine Präsentation, Soicke sah sie und fand, dass das Thema eine weitergehende Betrachtung verdiente.

Bei der Präsentation im Guthaus zeigten sich sowohl die Mieter, neben Claßen auch Dr. Jens Berthold, sein Nachfolger als Hausherr, als auch die Vermieter in Gestalt des Overather Bürgermeisters Jörg Weigt und seines Stellvertreters Bernd Sassenhof sehr angetan vom Ergebnis der Forschungen. Sassenhof: „Ich bin total begeistert.“

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Gut Eichthal und seine Bewohner ist mittwochs zwischen 9 und 13 Uhr im Stadtarchiv im Schulzentrum Cyriax erhältlich. Der BGV bittet um eine Spende, um damit die nächste Achera zu finanzieren.

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