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Prozess geplatztFrau aus Rhein-Berg wegen Telefonbetrugs angeklagt

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Symbolbild

Rhein-Berg – Wäre die Bande nicht so ruchlos vorgegangen, könnte man darüber schmunzeln, dass sich die Telefonbetrüger und -erpresser womöglich von Vorabend-Krimiserien inspirieren ließen. Denn ihre „Staatsanwältin Frau Dr. Stein“ ist ebenso der Phantasie entsprungen wie die „Staatsanwaltschaft Solingen“ oder die „Landesbank Lüdenscheid“. Und doch ist geschlagene fünf Jahre nach den angeklagten Taten der Prozess gegen die anscheinend einzige Verdächtige, derer die Behörden habhaft werden konnten, vorläufig geplatzt.

35-minütige Anklageverlesung

Angeklagt vor dem Bergisch Gladbacher Schöffengericht wegen bandenmäßigen Betruges und Erpressung in 29 Fällen, darunter 23 Versuchen, ist Fatima P. (Name geändert) aus Wermelskirchen. Allein die Anklageverlesung gegen die 51-jährige geschiedene Mutter dreier Töchter dauert 35 Minuten – und das ist noch flott, weil P. darauf verzichtet, sich Satz für Satz ins Türkische übersetzen zu lassen.

Die Bande, der neben Fatima P. drei „gesondert verfolgte“ Männer angehören sollen, hatte es sich laut Anklage mit einer Enkeltrickmutation Menschen dazu gebracht, Geld in die Türkei zu überweisen.

Tipp-Spiel nicht abbestellt

Das alles fand schon 2017 statt. Der Trick war die Behauptung, der Angerufene oder sein Ehepartner hätten ein „Tipp-Spiel“ im Internet bestellt, es nicht gekündigt und damit hohe Schulden aufgehäuft. Um wahlweise eine Kontopfändung oder einen Prozess in Istanbul oder ein anderes großes Übel zu vermeiden, müsse ganz schnell gezahlt werden, behauptete etwa ein „Stefan Stab“ vom Inkasso-Dienst XY. Immer wieder kam Staatsanwältin Stein ins Spiel, auch gab es gefälschte Schreiben der türkischen Justiz oder des Bundeskriminalamtes.

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Die meisten Betrugsversuche scheiterten am Ende: Entweder die Opfer wachten selbst auf oder sie wurden von aufmerksamen Bankangestellten geweckt. In sechs Fällen kam es gleichwohl zu Zahlungen. Den höchsten Schaden trug eine mehrfach abgezockte Rentnerin mit 49.730 Euro davon. Insgesamt ging es um 55.000 Euro.

Angeklagte handelte nicht alleine

Im Gladbacher Schöffengerichtsprozess war aber die 35-Minuten-Anklage das eine, die Beteiligung von Fatima P. aber das andere. Was sollte die unscheinbare kleine Frau, die als Elfjährige nach Deutschland kam, mit allem zu tun haben? Dass sie die falsche Staatsanwältin war, vermutetet wohl niemand mehr im Raum, nachdem die Frau, die sich zur Sache nicht äußern wollte, auf Deutsch ein paar Sätze über ihr Leben gesprochen hatte: gut verständlich zwar, aber hörbar keine Muttersprachlerin und schon gar keine Frau Dr. Stein.

Belastet wurde sie, wie sich in dem kurzen Prozess aus den knappen Erörterungen von Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger ergab, weil sie die Inhaberin der Wermelskirchener Telefonnummer war, über die später immer wieder die falsche Anklägerin erreicht wurde – vermutlich via Anrufweiterschaltung in die Türkei, wo ihre älteste Tochter in einem Callcenter arbeitete.

Zu wenig Infos über andere Verdächtige

Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellte die Polizei belastendes Material, etwa falsche BKA-Bögen, sicher.

Verteidiger Mustafa Kaplan rügte im Prozess, dass im Saal offenbar keiner wisse, was aus den anderen Verdächtigen geworden sei. Deren Akten müssten zwingend herbeigezogen werden. Damit war der schon einmal geplatzte Prozess erneut geplatzt. Drei Polizisten, die die ganze Zeit draußen gewartet hatten, mussten wieder gehen.

Ob zu einem neuen Gerichtstermin neben den Ermittlern auch Opfer als Zeugen geladen werden, bleibt abzuwarten.

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