RettungsaktionDrohnen bewahren Rehkitze in Rhein-Berg vor der Mähmaschine

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Gerettet: Judith Hecker mit einem Rehkitz.

Rhein-Berg – Die Wochen der Heuernte sind für Rehkitze eine lebensgefährliche Zeit. Wenn die riesigen Mähmaschinen mit ihrem tödlichen Schneidwerkzeug durch das hohe Gras fahren, dann könnte nur die schnelle Flucht retten. Doch Mähmaschinen sind der Evolution unbekannt und so setzen die Tierbabys auf einen archaischen Reflex: Sie versuchen sich still weg zu ducken, bis die Gefahr vorüber ist.

Das half in der Vergangenheit und macht auch heute noch gegen Fressfeinde Sinn, weil die Kitze zu ihrem Schutz keinen Eigengeruch verströmen, so dass selbst ein Hund sie nicht aufspüren kann. Bei modernen Mähmaschinen klappt das nicht. „Die Erntemaschinen sind zehn Meter breit oder mehr – da hat der Fahrer nicht den Hauch einer Chance zu sehen, ob da was im Gras liegt“, bedauert Ralf Huckriede von der Kreisjägerschaft Rhein-Berg. Und so sterben viele Kitze einen grausamen Tod in den Messern oder werden brutal verstümmelt.

Helfer setzen auf Drohnen

Um diese Tragödien auf den Wiesen so gut wie möglich zu verhindern, werden immer mehr Menschen aktiv. Lange gab es nur die Möglichkeit, in Gruppen vor dem Mäher herzugehen, um zu prüfen, ob die Maschine freie Bahn hat oder die Wiesen durch Flattertücher oder Raubtiergeruch für Rehe unattraktiv zu machen. Mit mäßigem Erfolg.

In jüngster Zeit profitieren die Helfer immer stärker von modernen Drohnen. „Sie bringt die größte Sicherheit“, so Huckriede. Ausgestattet mit Wärmebildkameras spüren sie systematisch aus der Luft Tierbabys auf und leiten die Retter zum Fundort.

Die nehmen das Kitz, manchmal auch Hasenbabys, vorsichtig auf und tragen es an den Rand der Wiese. Dabei müssen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, damit das Tier nicht anschließend nach Mensch riecht und von der Ricke, die ihr Kind sucht, nicht mehr angenommen wird. Handschuhe und dicke Grasbüschel sollen das vermeiden.

Fundquote bei fast 100 Prozent

143 Einsätze ist die Kreisjägerschaft in diesem Frühjahr im Nord- und im Südkreis geflogen, 59 Kitze konnten dabei gerettet werden. Zum Einsatz kamen dabei zwei Drohnen. Die „Fundquote“ für untersuchte Wiesen liege bei fast 100 Prozent, meint Huckriede. „Aber leider gibt es auch Wiesen, zu denen wir nicht gerufen werden.“

Zudem ist die Maat wetterabhängig, so dass fast alle Landwirte gleichzeitig auf die Wiesen wollen. Dann reichen Einsatzkräfte und Drohnen nicht aus. Perspektivisch denken daher viele helfende Organisationen an die Anschaffung zusätzlicher (recht kostspieliger) Drohnen und hoffen auf Unterstützung durch Menschen, die einen entsprechenden Drohnenführerschein besitzen oder ihn machen wollen.

Wildtierrettung findet 62 Kitze

Die Gefahr für die Kitze habe sich seit 20 oder 30 Jahren extrem verschärft, sagt Huckriede, „weil die Maaten immer früher und immer häufiger kommen.“ Früher habe der Bauer oft erst Anfang Juli das erste Mal gemäht, zu einem Zeitpunkt, da der Rehnachwuchs nicht mehr hilflos im Gras liege.

Auch die Wildtierrettung Rhein-Berg war wieder aktiv. 26 Einsatztage waren die beiden Teams dank einer zweiten Drohne im Einsatz und flogen zwischen Wuppertal und Marienheide 577 Hektar ab. „62 Kitze haben wir auf diese Weise retten können“, freute sich Benjamin Severin-von Polheim. Zudem wurden noch ein paar Gänse und Hasen aus den Wiesen gescheucht.

Mit dem Alter der Kitze wächst das Problem

„Das ist schon ein schönes Gefühl, wenn man so ein Kitz aufnimmt und in Sicherheit bringt“, sagt er. „Man ist voll Adrenalin und dann hat es sich gelohnt, dass morgens um vier Uhr der Wecker klingelt.“

Die Aufregung dürften die Kitze wohl teilen, denn sie wissen nicht, dass sie gerade das große Los gezogen haben und dank des Einsatzes der Frühaufsteher weiterleben dürfen. „Je älter die Kitze sind, desto schwieriger wird es für uns“, sagt von Polheim. „Dann strampeln sie und fiepen nach der Mutter, versuchen wegzulaufen.“

Rückkehr in die Wiese brachte den Tod

Einem Kitz sei auf diese Weise die Flucht gelungen, zurück in die vermeintlich schützende Wiese. Die Helfer fanden es nicht mehr und mussten Stunden später hilflos die Nachricht des Landwirts entgegennehmen, dass das Tier tot sei. „Das ist dann natürlich sehr deprimierend“, sagt von Polheim.

Zum Glück gibt es auch andere Meldungen. In Katterbach war ein Feld bereits abgesucht und dem Landwirt frei von Kitzen gemeldet worden, da bekam die Wildtierrettung vom Fahrer des Mähdreschers einen Anruf: „Während er die eine Hälfte des Feldes schon mähte, hatte er auf der anderen Seite ein Reh beobachtet, das zwei Kitze in die Wiese führte und alleine wieder herauskam. Da sind wir dann nochmal hin.“ Und während der Fahrer des Mähers gewartet habe, holten die Helfer die beiden Kitze aus der Wiese. Rettung in letzter Sekunde.

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