Familienvater angeklagtStreit in kinderreicher Siedlung in Rösrath eskaliert

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Kinderspielplatz (Symbolbild)

Rösrath/Bergisch Gladbach – Ausgerechnet eine Siedlung mit vielen kleinen Kindern hatten sich eine 71-jährige Ex-Krankenschwester und ihre 38-jährige Tochter als Wohnplatz ausgesucht. Ein gedeihliches Miteinander gab es dort nicht, und jetzt fand die schlechte Nachbarschaft sogar ein Nachspiel vor dem Strafgericht: Ein Nachbar habe sie beleidigt und bedroht, behaupteten Mutter Erna G. (alle Namen geändert) und Tochter Mathilde und zeigten Familienvater Alexander S. (42) an.

Auch sonst seien sie in der Siedlung gemobbt worden, indem Eltern ihre Kinder extra zum Spielen vor ihre Wohnungsfenster statt auf den Spielplatz geschickt hätten. Amtsrichter Ertan Güven ging den Dingen auf dem Grund, vernahm fünf Zeugen und verkündete dann sein Urteil: Freispruch für den Familienvater. Der Fall aus der Siedlung habe ein erhebliches Potenzial für Falschaussagen, hatte der frisch von Wermelskirchen nach Gladbach gewechselte Richter bereits beim Studium der Akten erkannt und alle Zeugen besonders eindringlich über ihre Wahrheitspflicht belehrt. Miteinander unvereinbare Versionen dessen, was sich da im August 2019 in Rösrath zugetragen haben soll, gab es gleichwohl.

„Mobbing-Aktion“

Aus der Sicht von Erna und Mathilde veranstaltete nämlich an diesem Tag ein kleiner Junge beziehungsweise seine Mutter eine Mobbing-Aktion gegen die beiden Frauen, weil der Kleine mit seinem neuen Bobby-Car lautstark vor dem Haus herumfuhr. Aus Sicht der Damen reihte sich diese „Provokation“ ein in ständige Attacken vor allem der „vielen Russen“ in der Siedlung. Der Angeklagte habe die Szenerie betreten, sie als „Ihr deutschen Säue“ beschimpft, ihnen gedroht: „Ich haue euch eine rein“ und behauptet: „Ihr habt hier nichts zu suchen“.

Alexander S., gebürtig aus Estland, aber deutscher Staatsbürger, bestritt das komplett: „Das ist nicht meine Sprache. Ich habe selbst die deutsche Staatsangehörigkeit, da werde ich so etwas nicht sagen.“ Auch Fatima P., die Mutter des zur Tatzeit gerade zwei Jahre und drei Monate alten Bobby-Car-Piloten Mohammed, stellte die Situation ganz anders dar: Sie selbst habe Stress mit Erna und Mathilde gehabt, weil die wollten, dass ihr Sohnemann das Bobby-Car-Fahren einstelle. Die Nachbarinnen hätten ihr mit der Polizei gedroht, sie selbst habe daraufhin gefordert, dass dies nun auch geschehen solle. Als dann Nachbar Alexander von der Arbeit nach Hause kam, habe sie sich hilfesuchend an ihn gewendet: „Die wollen meinem Kind das Bobby-Car-Fahren verbieten!“ Aber Alexander habe nur den Kopf geschüttelt und gemeint: „Lass es.“ Mit den beiden Nachbarinnen zu streiten bringe nichts.

Übereinstimmende Aussagen

Gleich mehrere weitere Nachbarn beschrieben das Ereignis, das ja nun schon ein Jahr zurückliegt, ähnlich – vielleicht sogar ein bisschen zu ähnlich? Jedoch waren auch die Aussagen, die Mutter und Tochter erst bei der Polizei und dann vor Gericht machten, nicht so ganz überzeugend und übereinstimmend – beispielsweise bei der Frage, ob es Tag oder Nacht war und ob die Polizei einen oder zwei Tage nach dem Vorfall zwecks Anzeigenerstattung aufgesucht wurde.

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Richter Güven schlug schließlich vor, das Verfahren ohne Buße einzustellen. Da machte allerdings der telefonisch konsultierte Ausbilder der Staatsanwältin nicht mit. Die junge Anklägerin bewies daraufhin Rückgrat: Sie beantragte Freispruch, da sie nach der Verhandlung nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt sei. Dem entsprach der Richter. Den beiden Zeuginnen der Anklage hatte er bereits vorher zu bedenken gegeben, dass die Anmietung einer Wohnung in einer kinderreichen Siedlung nicht unbedingt das Klügste sei, wenn man selbst so sehr wenig mit Kindern zu tun habe. Inzwischen hat sich die Lage in dem Viertel entspannt: Erna und Mathilde sind mitsamt Rex, ihrem Vierbeiner, weggezogen.

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