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Schein und Sein in RösrathDie Nazivergangenheit von Haus Venauen und Fake-Rokoko

Lesezeit 4 Minuten
Bei der Besichtigung der Reusch-Villa am Weiher lernen die Besucher von Robert Fahr und Guido Wagner auch viel über die frühere Fabrik.

Bei der Besichtigung der Reusch-Villa am Weiher lernen die Besucher von Robert Fahr und Guido Wagner auch viel über die frühere Fabrik.

Rösrath – Vom Hoffnungsthaler Rathaus, das früher mal ein schlichtes Schulhaus war, bis zum Baumhofhaus, das ursprünglich mal im Nachbarort stand, bevor es nach Volberg versetzt wurde. An wie vielen Gebäuden und Plätzen in der eigenen Heimatstadt läuft man wohl tagtäglich vorbei, ohne wirklich zu wissen, was dahintersteckt?

Die Veranstaltung „Expedition Heimat 2.0“ stellte sich dieser Frage zum Tag des offenen Denkmals. „Sein und Schein“ war das übergeordnete Motto einer Reihe von Führungen und Vorträgen, organisiert von Kreiskulturamt, Stadt Rösrath und dem örtlichen Geschichtsverein.

Rösrath zeige Wirkung von Denkmalschutz besonders gut

Nicole Bernstein und Robert Wagner entführten auf einer Tour in die Geschichte des „Rosa Rathauses“ mit der Schulvergangenheit und die Historie des Rittergutes Haus Stade, Dr. Eva Cichy blickte mit Exkursionsteilnehmern hinter die Fassader der Evangelische Kirche Volberg, während Robert Fahr und Guido Wagner Gruppen zu den Bauten der Industriellenfamilie Reusch und in die Zeit führten, als in Hoffnungsthal nicht nur im Hotel „Zum Hammer“ der Fremdenverkehr boomte.

Kreiskulturreferentin Charlotte Loesch hält Rösrath für besonders geeignet, um die Wirkung von Denkmalschutz zu zeigen: „Das hier erklärt doch, dass Denkmäler lebendig sind, genutzt werden und nicht verstaubt oder tot wirken sollen“, sagt sie. „Beim Geschichtsverein sind Ideen nur so gesprudelt.“

Vieles aus Nazizeit nicht dauerhaft dokumentiert

Die zwei Veranstaltungstage waren für Einheimische eine Möglichkeit, im Altbekannten Neues zu finden, sowie auch für Neuankömmlinge, sich mit der Stadt vertraut zu machen. Claudia Brinker gehörte zu Letzteren. Sie ist vor einem Jahr nach Hoffnungsthal gezogen. „Ich bin hier, um ein bisschen was über die neue Heimat zu lernen“, sagte sie am zweiten Veranstaltungstag, bevor Klaus-Dieter Gernert vom Rösrather Geschichtsverein bei den Vorträgen im Werkstattgebäude von Schloss Eulenbroich über das Haus Venauen sprach.

Im 16. Jahrhundert gebaut und lange landwirtschaftlich genutzt, trägt das Gebäude auch eine hässliche Nazivergangenheit in sich: Ab 1938 war dort eine Gauschule der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt untergebracht, auf der unter anderem Euthanasie-Gedankengut gelehrt wurde. Man merkte Gernert das tiefe Bedauern an, als er sagte, vieles aus dieser Zeit habe hier nicht dauerhaft dokumentiert werden können; kein Platz, Behörden-Pingpong.

Hitlerzitate einfach hängen gelassen

Aber Schwarzweißfotos von der damaligen Innenausstattung gibt es noch, und einiges blieb während der Nutzung als belgisches Gymnasium nach dem Krieg heimlich erhalten. „Die Lehrkräfte dort haben vieles einfach hängen lassen, Hitlerzitate zum Beispiel“, so Gernert. „Ich vermute, sie waren geblendet von der historischen Bedeutsamkeit“, versuchte er das zu erklären, auch wenn ihm das selbst schleierhaft scheint. Heute sind in Haus Venauen Eigentumswohnungen untergebracht. „Es ist einfach interessant, was in Deutschland mit diesen historisch kontaminierten Gebäuden passiert“, so Gernert.

In den weiteren Vorträgen ging es auch um den ersten Bahnanschluss für Rösrath im Jahr 1890 (Herbert Rixen) und die beginnende Verstädterung (Robert Fahr), den Architekten Hermann Eberhard Pflaume (Gabriele Emrich) und die 1920er Jahre, als Hoffnungsthal „Die Bergische Schweiz im schönen Sülztal“ genannt wurde und allein dieser Ort über 19 florierende Gaststätten verfügte.

Bei Renovierungen auf alte Stile zurückgegriffen

Einige Beiträge stimmten auch langjährige Rösrather nachdenklich. Eine Zuhörerin meldete sich und fragte, warum man denn das belgische Kino geschlossen habe, da sei sie als Kind schon gewesen. Sie heißt Doris Scheldt und wohnt seit 1954 in Forsbach. „Ich habe so vieles nicht wirklich gewusst“, sagte sie nach dem Vortrag.

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Ein Aspekt des Hauses Venauen passt noch zum Motto „Sein und Schein“: Vieles, was äußerlich jahrhundertealt zu sein scheint, stammt eigentlich von einem Umbau 1907. Die Vorsitzende des Geschichtsvereins, Dr. Eva Cichy, kennt das Phänomen auch von Schloss Eulenbroich. „Während einer Renovierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat man viel auf ehemalige Stile zurückgegriffen“, erklärte sie. Also sah man damals dort Räume im Rokoko-Stil, die aber nicht im richtigen Stil der Zeit ausgestattet wurden – auch hier: mehr Schein als Sein.

An anderer Stelle wurde das Motto künstlerisch interpretiert. Barbara Doerfler bot einen Malkurs an, in dem mit Folie und Farbe Bilder entstehen sollten, die etwa eine Marmorierung imitierten. Auch sie war von der Veranstaltung sehr angetan. „Man kennt seinen eigenen Ort ja oft eigentlich gar nicht“, meinte sie, ehe sie die gerade Malende neben sich zur Geduld mahnte: „Nur langsam, Kunst braucht Zeit!“ Wie so vieles. Und eben auch die Dokumentation und Betreuung eines Denkmals.

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