WildwechselWarum sich Wildschweine und Menschen an der Saaler Mühle ins Gehege kommen

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Wildschweine dpa

Wildschweine halten Ausschau nach Essensresten. (Symbolbild)

  • Warum es gerade an der Saaler Mühle zu Begegnungen zwischen Menschen und Wildschweinen kommt, erklärt Thomas Mönig, Veterinär der Kreisverwaltung in Bergisch Gladbach. Der Ort ist kein Zufall.

Rheinisch-Bergischer Kreis – Über die Landkarte, die Dr. Thomas Mönig, der Veterinär der Kreisverwaltung in Bergisch Gladbach, auf seinem Schreibtisch ausbreitet, gehen zwei dicke schwarze Linien.

Die Linien verlaufen mitten durch Bergisch Gladbach. Sie zeigen die Grünzüge, die es im Stadtgebiet gibt. An der Saaler Mühle bleibt fürs Grün nur ein schmaler Korridor übrig, die Wohnbebauung ist hier sehr dicht an den Wald gerückt. Dichter geht es kaum. Wildschweine, die ihr Quartier wechseln wollen, müssen aber zum Wildwechsel hier durch. Außenrum geht nicht, da versperren Autobahnen den Weg. Dass es gerade an der Saaler Mühle zu Konflikten zwischen Mensch und Wildtier kommt, ist für Mönig deshalb nachvollziehbar.

Die Karte mit ihrem schmalen Korridor zeigt: Die Saaler Mühle ist geradezu ein Hotspot für die Schwarzkittel.

Jede Rotte, die auf dem Weg zur Grube Cox und in die Hardt weiter ziehen möchte, muss hier entlang. „Aber genau hier breiten sich die Menschen mit ihrem Freizeitdrang aus“, erklärt der Experte, mit ausgiebigem Freizeitsport und Erholungssuchenden von frühmorgens bis spätnachts. Die Folge ist eine unübersichtliche Lage auf engstem Raum. Salopp ausgesprochen: Ein Riesengedränge zwischen Wildscheinen und Spaziergängern. Über kurz oder lang treffen beide Gruppen aufeinander. Nicht immer geht das gut aus. Am nächsten Tag klingelt dann oft das Telefon bei Mönig und Bürger beschweren sich über die Wildtiere, die sie bedrängt haben. Das kommt so ungefähr alle drei Tage vor.

Wildschweine sind wahre Überlebenskünstler

Spricht Mönig über die Schwarzkittel, geschieht das ruhig und bedächtig. Der Veterinär ist niemand, der die Tiere verteufelt. Er spricht vom Konditionieren der Tiere und von ihren Lebensräumen. Sie sind wahre Überlebenskünstler: Die Wildschweine merkten schnell, dass es ihnen in dieser städtisch geprägten Region gut gehe. Jäger könnten kaum aktiv werden, ohne Gefahr zu laufen, Unbeteiligte zu gefährden. Eine Kugel fliege vier, fünf Kilometer weiter, am Rand eines Wohngebiets sei eine Bejagung fast ausgeschlossen. Anderseits seien die Wildschweine keine Kostverächter, die vom kleinen Nager bis zum Kadaver nichts verschmähten.

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Büsche und Sträucher böten Schutz und Nahrung, der Inhalt von Mülltonnen sei verlockend, auch ausgestreutes Futter für Igel oder Katzen locke an. „Hier geht es uns gut, hier können wir bleiben“, erläutert Mönig die Denkweise der Tiere. Dass sie nah am Menschen agierten, störe sie nicht. Weil ja keine Gefahr von den Menschen ausgehe. „Im Gegenteil. Sie merken, dass der Kontakt zu Menschen für sie nützlich ist. Diese Tiere sind Nahrungsopportunisten.“ In Berlin oder Wien liefen die Tiere tatsächlich den Menschen schon nach. „Das ist am Anfang ein Betteln. Schnell kann daraus ein Fordern werden.“ In Refrath wollen Anwohner dieses Betteln in jüngster Zeit auch beobachtet haben. Im Forst gebe es viel Platz, um den Menschen aus dem Wege zu gehen. An der Saaler Mühle könne das nicht gelingen.

Ein Keiler wiege ausgewachsen 60 bis 70 Kilo, sagt Mönig. Große Exemplare bringen es auf bis zu 120 Kilo. Bis auf die Rauschzeit seien sie Einzelgänger, Bachen mit den Frischlingen suchten hingegen Schutz in der Rotte. Aber in einer etwa dreiwöchigen Zeit nach dem Wurf im Frühjahr eben nicht. Dann seien die Mütter mit dem Nachwuchs alleine, der Schutz der Frischlinge werde rigoros verfolgt. Komme dann ein Hund unverhofft einer Bache ins Gehege, könne es für das Haustier schlecht ausgehen. Andererseits wüssten die Wildschweine auch, dass Hunde grundsätzlich nichts Gutes bedeuteten. Denn die Meute der Hunde hetze die Wildschweine. Die Wildtiere seien also vorgewarnt: Ein Hund ist nichts Gutes für ein Wildschwein.

Dass sich an der Zahl der bergischen Wildschweine kurzfristig etwas ändert, hält Mönig für unwahrscheinlich. 2017 habe es rund 2000 Abschüsse im Kreis gegeben, etwa 50 Prozent mehr als sonst, weshalb in diesem Jahr auch die Population zurückgegangen sei. Mönig kann das an den Zahlen für 2018 ablesen. Bislang erlegten die Jäger nämlich nur 1000 Wildschweine. Das Paarungsverhalten der Tiere werde aber für einen zügigen Ausgleich sorgen, vermutet Mönig. Bleibe der Winter (wie in den Vorjahren) mild, seien die Frischlinge nicht in Gefahr.

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