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„Ein einziger Albtraum“Gastwirte aus Rhein-Erft suchen händeringend nach Personal

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Matthias Moritz vom Gastwerk und Restaurant Wilkens freut sich, wieder Gäste bewirten zu können.

Matthias Moritz vom Gastwerk und Restaurant Wilkens freut sich, wieder Gäste bewirten zu können.

Rhein-Erft-Kreis – Der Sommer ist da, und viele Corona-Einschränkungen wurden inzwischen gelockert. Die Menschen zieht es nach draußen in die Städte und Fußgängerzonen und natürlich mit Vorliebe in die Restaurants, Gasthöfe, Kneipen und Bars. Man trifft sicher wieder, sitzt draußen und kann das Feierabendbier in Gesellschaft genießen. Seit vergangenem Freitag gilt im Rhein-Erft-Kreis die neue Inzidenzstufe 0, mit der noch weitreichendere Lockerungen einhergehen. So fällt inzwischen die Registrierungspflicht beim Restaurantbesuch weg. Abstände müssen jedoch weiterhin gewahrt bleiben und Trennwände vorhanden sein.

Das Personal im Gastgewerbe muss entweder getestet sein – ein Selbsttest ist ausreichend – oder eine Maske tragen. Dies dürfte für einen noch größeren Zustrom in die Restaurants und Gasthöfe sorgen, gerade während der Sommerferien- und Urlaubszeit. Die Freude über die wiederkehrende Kundschaft bei den Gastronomen im Kreis ist groß. Doch ihre Probleme sind damit nicht gelöst, denn es fehlt an Personal.

Rhein-Erft-Kreis: Vor allem Aushilfskräfte fehlen

Jeder fünfte Beschäftigte habe im vergangenen Jahr das Gastronomiegewerbe verlassen, teilte die Gewerkschaft-Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Küchenpersonal, Hotelangestellte und Servicekräfte seien betroffen. Es fehle daher ausgerechnet in der Sommersaison vielen Betrieben das Personal, um Gäste bewirten zu können, so Manja Wiesner von der NGG-Region Köln.

Gastronomen aus dem Kreis bestätigen das. Vor allem die Aushilfskräfte würden fehlen. „Wir sind alle glücklich, wieder hier zu sein“, freut sich Matthias Moritz, stellvertretender Restaurantleiter im Gastwerk Wilkens in Kerpen-Sindorf. „Die Leute wollen wieder genießen und sind hungrig danach, wieder rauszukommen“, sagt Moritz. „Aber diese Saison ist eng besetzt.“

Durch die Coronakrise und die damit verbundenen Schließungen stünden nun viele Aushilfen nicht mehr zur Verfügung. Viele hätten sich andere Nebenjobs gesucht und seien nun dort geblieben. „Wir suchen zurzeit händeringend“, erklärt Moritz. Aber es sei schwierig, Leute zu finden. „Wer mit Herzblut dabei ist, kommt wieder“, betont Moritz. „Aber Aushilfen sind eben zurzeit rar, weil sich viele in anderen Jobs mit geregelteren Arbeitszeiten wohler fühlen.“

Gastwirte und Personal haben Angst vor der vierten Welle

Ein bekanntes Problem, berichtet Georg Frey, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Viele Beschäftigte aus dem Gastrogewerbe – Mini-Jobber, aber auch Festangestellte – hätten sich beruflich umorientiert. „Und wenn man dann einen Job mit geregelten Arbeitszeiten hat und nicht an Feiertagen arbeiten muss, überlegt man es sich zweimal, jetzt in die Gastronomie zurückzukehren“, so Frey.

Auch er habe in seinem Betrieb Angestellte verloren, die nicht zurückkommen wollten. Die Branche sei nicht verlässlich genug, vor allem mit Blick auf den Herbst und eine potenzielle vierte Welle. „Ich glaube, wir haben die Chance, mit den Impfungen gut durch den Winter zu kommen“, meint Frey. „Die Hoffnung ist natürlich groß, dass die Gastronomiebetriebe nicht erneut schließen müssen.“

„Wir müssen von Woche zu Woche schauen, wie wir personell hinkommen“, berichtet Thomas Trunz, Geschäftsführer des Alten Bahnhofs in Frechen. Auch ihm fehlten vor allem die Mini-Jobber, da viele nun andere Arbeit hätten und kaum oder gar nicht mehr aushelfen könnten. Es gebe zwar immer Fluktuation bei den Aushilfskräften, doch fünf bis zehn seiner Angestellten kämen nur noch wenig arbeiten oder hätten ganz aufgehört. Er werde abwarten, wie sich nun alles entwickelt. „Wirklich planen kann man jedenfalls nicht“, so Trunz.

Bedburger Gastwirt: „Keiner hat mehr Lust auf die Gastro“

Ähnlich sieht es Rolf Dieffendahl, Betreiber des Hotels Bedburger Mühle. Er habe glücklicherweise kein festes Personal verloren, dennoch sei die Situation im Gastgewerbe „ein einziger Albtraum“ geworden. „Keiner hat mehr Lust auf die Gastro, weil die Gehälter und Arbeitszeiten schlechter sind als zum Beispiel im Einzelhandel.“

So weiß Dieffendahl von einem passionierten Koch, der während der Schließungen an der Fleischtheke im Einzelhandel gearbeitet habe. Der sei nun dort geblieben, weil die Arbeit mehr Sicherheit für die Familien- und Lebensplanung biete. „Solche Leute sind dadurch weg vom Fenster“, erklärt Dieffendahl. Er suche zurzeit Köche, Servicekräfte und Spüler. „Vor einigen Jahren war die Nachfrage nach Jobs noch groß. Heute klingelt das Telefon diesbezüglich kaum noch.“

Die NGG fordert nun, die Branche mit Tarifverträgen attraktiver zu machen. Denn viele Probleme in der Gastronomie hätten schon vor der Pandemie bestanden, so zum Beispiel die geringe Bezahlung und ungeregelte Arbeitszeiten.

Rhein-Erft-Kreis: 60 offene Stellen gemeldet

„Hinweise gibt es zwar vereinzelt darauf, dass vor allem ungelernte Arbeitskräfte sich während der Schließung der Gastronomie beruflich anders orientiert haben“, erklärt Nicole Cuvelier, Pressesprecherin der Arbeitsagentur für Arbeit in Brühl. „Andererseits sind bei der Agentur und dem Jobcenter immer noch über 400 arbeitslose Menschen aus dem Rhein-Erft-Kreis mit einem Wunschberuf in der Gastronomie gemeldet.“ Dies seien vor allem Menschen, die nach einer Festanstellung suchten.

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Da im Gastgewerbe jedoch sehr viele Mini-Jobber beschäftigt seien, lasse sich keine pauschale Aussage zur Stellensituation der Gastronomie im Rhein-Erft-Kreis machen, so die Sprecherin Agentur für Arbeit. Denn die Agentur erfasse nur sozialversicherungspflichtige Berufe.

„Im Juni 2021 wurden uns insgesamt rund 60 offene Arbeitsstellen im Gastgewerbe gemeldet. Im Juni 2020 waren es lediglich 13 neue Stellenmeldungen“, so Cuvelier. Das lasse darauf schließen, dass es in der Gastronomie aktuell durchaus einen größeren Bedarf an Beschäftigten, auch Festangestellten gebe.

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