Renaturierung geht weiterTausende Fische in die Erft gesetzt

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Junge Zander werden in die Erft bei Zieverich eingelassen.

Junge Zander werden in die Erft bei Zieverich eingelassen.

Kerpen/Bergheim/Bedburg – Seit Montag leben 3000 Zander und 3000 Hechte in der Erft zwischen Kerpen-Horrem, Bergheim, Bedburg und der Mündung in Neuss. Die bei Anglern so begehrten Raubfische sind noch klein, es sind Jungfische von einem oder zwei Jahren, die erst im Laufe der kommenden Jahre auf eine kapitale Größe heranwachsen sollen.

Sie teilen sich ihr neues Habitat in der Mitte und dem Norden des Rhein-Erft-Kreises nicht nur mit den dort schon lebenden Fischen, sondern auch mit 75 Kilogramm winzig kleiner Schleien, 125 Kilogramm ebenso zierlicher Wildkarpfen sowie jeweils mehr als 300 Kilogramm zweijähriger Schleien und Wildkarpfen, die ebenfalls von der Erftfischereigenossenschaft ausgesetzt wurden.

Durch Braunkohlebergbau mussten viele Teile des Erftbettes verlegt werden

Angelregeln

Häufig in der Erft gefangene Fische sind Döbel, Rotaugen, Karpfen und Aale. Auch manch ein Wels geht den Anglern an den Haken. Hinzu kommen kleinere Fische wie Ukeleien oder Rotfedern. Auch Hechte und mitunter auch die beliebten Speisefische Zander werden gefangen.

Damit die Fische aufwachsen können, gibt es Mindestmaße. So darf ein Aal nur ab 50 Zentimetern mit nach Hause genommen werden, ein Zander muss 40, ein Karpfen 35 und ein Hecht 45 Zentimeter groß sein. Dazu gibt es befristete und bei seltenen Fischen sogar ganzjährige Schonzeiten. Auch Muscheln und Krebse sind geschützt. (rj)

Ausgesetzt worden seien die Jungtiere an zwölf ausgesuchten Stellen zwischen Horrem und der Mühle Brata in Neuss, wie Jochen Birbaum vom Erftverband berichtete. Im Laufe des Jahres waren bereits Jungaale eingesetzt worden. Ende November endet der diesjährige Besatz mit dem Ausbringen von 500 Kilogramm Rotaugen.

Wenn man alte Schwarz-Weiß-Fotos der Erft sieht, etwa in Bedburg, dann sieht man stellenweise einen geschwungenen Fluss mit zahlreichen seichten Uferzonen. Durch den Braunkohlebergbau mussten aber viele Teile des Erftbettes verlegt werden, da die fortschreitenden Bagger auch vor einem Fließgewässer nicht Halt machen. Die Erft erhielt anschließend ein kanalartiges, gleichförmiges Bett. Sümpfungswasser wird in Elsdorf abgepumpt, damit die Tagebaue nicht volllaufen. Es wird in Bergheim-Kenten eingeleitet und in Grevenbroich wieder entnommen und als Kühlwasser zu den Braunkohlenkraftwerken geführt. Die Erft ist also ein sehr durchplanter Fluss.

Fische aus der Erft schon früh auf dem Speiseplan

Die Gründe dafür, dass das Gewässer regelmäßigen Fischbesatz nötig hat, reichen jedoch bis weit in die Vergangenheit zurück. Fische aus der Arnapa, wie die Erft auf Lateinisch heißt, stehen schon seit vielen Jahrtausenden auf dem Speiseplan der Menschen. Schon früh wurde der Erftfisch auch auf Märkten verkauft, „umfangreiche Schutz- und Hegevorschriften begleiten daher die Fischerei an der Erft – auch angesichts zahlreicher Streitigkeiten – schon seit Jahrhunderten“, informiert die Erftfischereigenossenschaft.

Auch Lachse soll es einmal dort gegeben haben. Sie durchwanderten die Erft, um im Oberlauf der Erft in der Eifel abzulaichen. „Die Bedingungen für den Lachs und andere Wanderfische verschlechterten sich allerdings bereits im Mittelalter durch die Errichtung zahlreicher Mühlenstandorte. Die Mühlenwehre verhinderten seither den Aufstieg von Wanderfischen in die Oberläufe ...“, erläutert der Erftverband.

Erft war früher ein fischreiches Gewässer

Dennoch war die Erft bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein fischreiches Gewässer. Berichtet werde von einem „unerschöpflichen Fischreichtum“, so die Erftfischereigenossenschaft in einem Bericht: „Bedeutsam waren vor allem Aal – die Mühlenwehre waren für aufsteigende Aale offensichtlich passierbar –, Karpfen, Hecht sowie auch in Massen vorkommende Flusskrebse.“

Das lag nach Auskunft des Erftverbandsbiologen Dr. Udo Rose überraschenderweise auch daran, dass damals viele Abwässer in die Erft eingeleitet wurden. Die darin enthaltenen Nährstoffe führten zu einem starken Algen- und Kleintierwachstum, was wiederum zahlreiche kleinere Fische wie Rotaugen oder Rotfedern ernährte, die dann von kapitalen Hechten und Zandern gejagt wurden.

Wertvoller Lebensraum durch Sumpf-Trockenlegung verloren

Um Sumpfgebiete trockenzulegen, wurde schon im 19. Jahrhundert der geradlinig verlaufende Erftflutkanal angelegt. Dadurch ging wertvoller Lebensraum für die Fische verloren. Im Industriezeitalter belasteten zunächst Zuläufe aus Zuckerfabriken und anderen Industriebetrieben das Gewässer. Dank der modernen Klärtechnik habe sich die Wasserqualität aber heute wieder wesentlich verbessert, berichtet der Verband. Dennoch kommen von den ursprünglich 30 Fischarten, die wahrscheinlich früher im Fluss gelebt haben, etwa die Hälfte nicht oder nur in geringen Stückzahlen vor. Deshalb werden heutzutage Fische eingesetzt.

Birbaum: „Aale scheitern beim Heraufwandern an den Wehren, von denen es schon in Neuss und Grevenbroich viele gibt. In absehbarer Zeit wird die Erft auch nicht komplett für Fische durchgängig werden.“ Hinzu komme, dass die Einleitung aus den Kläranlagen eine so hohe Reinheit habe, dass das Flusswasser relativ nährstoffarm sei, was sich wiederum negativ auf die Fischmenge auswirke.

Derzeit ist der Erftverband dabei, Teile des Flusslaufs naturnah zu gestalten. Mehr Schlingen und mehr Flachwasserzonen sollen bessere Voraussetzungen für Fische bieten, wieder in der Erft zu laichen und sich selbstständig fortzupflanzen. In Bedburg und Kenten habe man damit schon Erfolg.

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