BogenschießenEin Volltreffer ist nicht das Ziel

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Rolf Räbiger (hinten) führte Mitarbeiter Manfred Christoph in die Kunst des Bogenschießens ein. Ein lohnender Selbstversuch. (Fotos: Rosenbaum)

Rolf Räbiger (hinten) führte Mitarbeiter Manfred Christoph in die Kunst des Bogenschießens ein. Ein lohnender Selbstversuch. (Fotos: Rosenbaum)

Brühl – Im zarten Alter von 51 Jahren werde ich kein Robin Hood mehr, nur weil ich mich auf das Bogenschießen einlasse. Aber vielleicht würden ja die Enterbten etwas zufriedener und die Welt etwas gerechter werden, wenn ich mich mit Pfeil und Bogen auseinandersetze? Mit diesem Leitmotiv mache ich mich auf den Weg zum Brühler Kletterwald.

Einer Einladung folgend, komme ich am Wasserturm an und erfahre von dem neuen Projekt, das den Kletterwald „Schwindelfrei“ und das Unternehmen „Bogenlust“ sowie den dortigen Restaurationsbetrieb zusammenbringt.

Auf dem Weg durch den Kottenforst zur Maiglerwiese wird es spannend. Denn die Rede ist von Waldbewohnern, den Wildschweinen – und sofort schießt mir ein neuer Gedanke durch den Kopf, Robin Hood ist vergessen. Scherzhaft frage ich in die Gruppe, wie wir es mit der Zubereitung der kapitalen Beute nach der Jagd halten wollen? Vielleicht wie bei Asterix und Obelix, das Tier zerlegen und bei einem ausgelassenen Fest zünftig feiern?

Die Gruppe ist amüsiert, und mir fällt ein, dass ich das letzte Mal einen Bogen samt Pfeil mit aufgesetztem Gummipfropfen in der Hand hatte, als ich als Indianer verkleidet durch das Gelände vor den Häusern streifte – Kindheitserinnerungen.

Die Gastgeber haben sich richtig Mühe gegeben, denke ich, als wir eine riesige, einladende Wiese erreichen. Im Schatten der Südseite ist ein kleines Buffet aufgebaut, in sicherem Abstand befindet sich ein Bogenparcours mit zwei Zielen, Behältern für die Pfeile sowie Aufhängungen für die vielen Bögen.

Rolf Räbiger weist uns genau ein. Der Geschäftsführer von Bogenlust bringt uns „das traditionelle Bogenschießen“ nahe, das es „seit über 10 000 Jahren“ gibt. Im Vordergrund stehe der „Teamgedanke“, und beim Bogen handele es sich um ein „Sportgerät und keine Waffe“, so die einführenden Worte des Bogenflüsterers, wie ich ihn insgeheim nenne. So weit, so gut, eher also keine Wildschweinjagd, denn Räbiger sagt weiter: „Es ist die sicherste Sportart der Welt. Es gibt weder Zerrungen noch andere schlimme Verletzungen. Höchstens mal einen blauen Fleck, wenn die Sehne auf den Arm schnellt.“

Und dann wird es gefühlvoll, die Beschreibung des Experten über die Kunst des Bogenschießens. Man komme zur Ruhe, es sei eine Bewegung voller Anmut, ein Gefühl der Harmonie komme auf – das alles und noch viel mehr mache das Bogenschießen, immerhin eine olympische Sportart, aus. Nur wer diese Kunst verstanden habe, sie beherrsche, der schaffe den perfekten Schuss. Räbiger nennt das „Entschleunigung“. Auch deswegen eigne sich Bogenschießen auch für therapeutische Zwecke.

Auf einen getriebenen Journalisten wie mich haben die Ausführungen über die Historie der Sportart schon mal eine beruhigende Wirkung. Vielleicht sind es auch noch die Sonne, das laue Lüftchen oder der Reiz des Neuen – jedenfalls haben die sonst eher üblichen Stressgefühle heute keine Chance.

Ich lerne, dass das intuitive Bogenschießen beidäugig abläuft, man hat beim Zielen beide Augen geöffnet. Beim olympische Systembogenschießen zielt der Schütze dagegen nur mit einem Auge – nur eine Gehirnhälfte wird eingesetzt, bei uns „Traditionsbewussten“ beide. Sogleich bilde ich mir ein, ich fühle mich ausbalanciert.

Wir dürfen nun jeder einen Bogen in die Hand nehmen. Er fühlt sich gut an, ein einfaches, ehrliches Sportgerät ohne jeden technischen Schnickschnack. Nur sauber furniertes Holz, das gut in der Hand liegt.

Dann geht es an die acht Phasen des Schusses. Erste Phase: Ich stelle mich breitbeinig auf, leicht gebeugt in den Knien und in einem 90-Grad-Winkel zum Ziel. Zweite Phase: Ich fixiere den Raum einschließlich des Ziels, nehme drittens den Pfeil aus dem Köcher am Boden ganz entspannt auf und lege ihn viertens in die Aussparung des Bogens und nocke ihn in die Sehne.

Jetzt wird es spannend, ich bleibe ruhig und konzentriert. Ich hebe in Schussphase fünf den Bogen hoch in mein Sichtfeld und strecke meinen linken Bogenarm. Mit den drei mittleren Fingern der rechten Hand spanne ich sechstens die Sehne an, Zeige- und Mittelfinger umgeben locker den Pfeil. Ich ziehe meine Hand zu mir, bis der Daumenhügel meine Weisheitszahnhöhle der rechten Wange berührt. Siebtens: Ich ziele und löse meine Finger sacht von der Sehne. Als letzte und beste Phase verharre ich einen Moment in dieser Körperhaltung, schaue dem Pfeil nach und höre ihn beim Auftreffen auf die Scheibe. Ziemlich mittig, das hätte ich nicht unbedingt erwartet.

Harmonie zwischen Bogen und Schütze

„Es kommt nicht auf das Ergebnis an“, gibt Räbiger zu Bedenken. „Der Ästhetikgedanke steht ganz im Vordergrund. Es geht darum, mit Anmut etwas Schönes zu tun. Gute Treffer sind nur eine Begleiterscheinung.“

Die perfekte Harmonie dieses Ablaufs führt zu einer entspannten Reise zu sich selbst, sagen die Experten. Vielleicht erklärt dies den Umstand, dass jeder meiner Schüsse die Scheibe traf. Wer weiß, zu welchen Erkenntnissen ich mit Tagen, Wochen oder Monaten des Trainings kommen würde?

Ganz sicher scheint mir zu sein, Bogenschießen kann jeden in seinen Bann ziehen.

Am 15., 22., und 29. August bietet Bogenlust auf der Maiglerwiese Kurse zwischen 15 und 18 Uhr zum Preis von 30 Euro an. Treffpunkt ist der Kletterwald „Schwindelfrei“ in der Liblarer Straße 181, Anmelden kann man sich unter info@bogenlust.de oder telefonisch bei Bogenlust, Rolf Räbiger, unter (01 73) 2 89 47 73.

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