Abschied von Brühler TraditionsunternehmenSchlachthof weicht neuer Siedlung

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Eine Abrissparty markierte das Ende des Brühler Schlachthofs. Dort sollen Wohnungen gebaut werden.

Eine Abrissparty markierte das Ende des Brühler Schlachthofs. Dort sollen Wohnungen gebaut werden.

Brühl – „Ich musste mir das Gebäude besonders wegen des markanten Turms einfach noch einmal ansehen, bevor es verschwindet“, sagte Iris Ludwig, die wie viele andere Besucher am Sonntag zur Abrissparty in den ehemaligen Schlachthof Bendermacher nach Brühl gekommen war. Denn heute rollen die Bagger an.

Neues Kapitel beginnt

Die Gebäude an der Bergerstraße werden abgerissen, es entsteht ein neuer Wohnkomplex. „Deshalb wollten wir allen Interessierten die Gelegenheit bieten, ein letztes Mal das Gebäude, das Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist, von innen und außen anzusehen“, erklärte Hans-Hermann Hürth, Vorsitzender der Ortsgemeinschaft Brühl-Ost.

„Für uns ist es auch ein Abschied. Der Turm ist im Logo der Ortsgemeinschaft. Er hat mehr als 120 Jahre das Bild unseres Veedels mitgeprägt“, sagte er weiter. „Das ist nun Geschichte. Mit der Wohnbebauung beginnt ein neues Kapitel.“

Andenken in Heftreihe

Dazu gehöre aber das Erinnern, ergänzte Evi Gelath. In den vergangenen Wochen hat sie im Stadtarchiv recherchiert und das erste Hefte der Reihe „Verzällche usem Veedel“ über die Historie des städtischen Schlachthofs geschrieben. Weitere Hefte sollen folgen.

Über die Initiative der Ortsgemeinschaft und die aktive Mitgestaltung des Wandels freute sich auch Bürgermeister Dieter Freytag, der vorbeischaute. Für ihn wie für andere Besucher war der Anblick der stillgelegten Schlacht- und Kühlräume für Schweine und Rinder mit den entsprechenden Zerlegungsstraßen schon ungewöhnlich. „Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht uninteressant“, so Franz Commer.

Familienbetrieb mit Tradition

Dass Betriebe schließen müssen, sei der Lauf der Dinge, so der Brühler. Während manchen wehmütig zumute war, erinnerten sich andere auch an das nicht immer leichte Nebeneinander der Betriebsstätte und der nahen Wohnsiedlung.

Für Werner Steeger war der Schlachthof fast so etwas wie ein zweites Zuhause. Denn der inzwischen 70-Jährige hat für den Familienbetrieb 25 Jahre als Fahrer gearbeitet. Von der Laderampe bis zum letzten Kühlraum kennt er hier jeden Meter. „Da musste man schon zupacken können“, erzählte er. Von ihm erfuhren die Gäste, wie die Tiere ankamen, geschlachtet und zerlegt wurden.

Ehrliche Arbeit und hohe Standards

Für ihn war die Tätigkeit im Betrieb eine ehrliche Arbeit. Die Schließung bedauere er, aber ihm sei klar, dass eine optimale Tierhaltung und -betreuung samt schonender Betäubung und Tötung ein Mehraufwand bedeute, der vom Verbraucher bezahlt werden müsse. Nicht jeder Betrieb könne da mithalten.

Wenn nun die Abrissarbeiten beginnen, werden sich Anwohner auf mehr Verkehr und Baulärm einstellen müssen. Denn auf dem rund 1,3 Hektar großen Areal entsteht eine komplett neue Siedlung mit rund 120 Wohnungen in vier Blöcken. Dazu sind auch angrenzende Parzellen der Stadt angekauft worden. Bauherr an der Bergerstraße ist inzwischen das nordrhein-westfälische Wohnungsunternehmen Vivawest.

Zwei- und dreigeschossiger Bau soll entstehen

Es hat die Grundstücke von der Brühler Firma Yanmaz Immobilienbau im vergangenen Herbst gekauft, nachdem Baris Yanmaz den Schlachthof von der Familie Bendermacher erworben hatte. Der Bau, der von der Bergerstraße bis in Richtung Elisabethstraße reicht, soll zwei- und dreigeschossig werden.

Dabei soll eine ausgewogene Mischung von 2,5-, 3,5- und 4,5-Zimmer-Wohnungen entstehen. Vorgesehen ist bis zu 30 Prozent sozial geförderter Wohnungsbau.

Historie

Am 27. August 1896, Brühl zählte gerade mal 5000 Einwohner, wurde in der Gemeinderatssitzung der Bau eines öffentlichen Schlachthofs beschlossen. Er wurde nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Ehrhardt errichtet und nach eineinhalbjähriger Bauzeit am 1. April 1898 in Betrieb genommen.

Er war nach dem sogenannten deutschen System gebaut worden, wonach alle Betriebsräume unter einem Dach vereinigt gut erreichbar neben- und zueinander liegen.

1972 verkaufte die Stadt den Schlachthof an die Familie Bendermacher. Nach 44 Jahren, im April 2016, stellte diese den Betrieb ein. Das Familienunternehmen wurde in dritter Generation geschlossen. Die Räume mit den erhaltenen Anlagen dienten von diesem Zeitpunkt an wiederholt als Drehort für Fernsehkrimis.

Im September 2017 veranstaltete die katholische Kirche im Schlachthof eine Diskussionsveranstaltung „Standpunkte zur Bundestagswahl“ zum Thema „Populismus“. Jetzt weicht das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert einem Wohnkomplex. Nach dem Abriss der alten Gebäude beginnt die Umgestaltung des Areals in ein Neubaugebiet mit rund 120 Wohnungen. (höb)

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