Platz für kreativen AustauschEhemaliger Reparaturbahnhof Brühl dient als Atelier

Lesezeit 4 Minuten
Gut gelaunte Ateliergemeinschaft: Andreas Gehlen, Evamaria Schaller und Markus Döhne (v.l.). Das Schild haben sie auf dem Gelände gefunden.

Gut gelaunte Ateliergemeinschaft: Andreas Gehlen, Evamaria Schaller und Markus Döhne (v.l.). Das Schild haben sie auf dem Gelände gefunden.

  • Im ehemaligen Reparaturbahnhof in Brühl habern sich drei Künstler ihr Atelier eingerichtet
  • Ihre Arbeitsweise ist dabei so unterschiedlich, wie die Kunstwerke, die sie erschaffen
  • Nach umfangreichen Umbauarbeiten können die drei Mieter nun wieder ihre Arbeit ausüben

Brühl – Etwas versteckt liegt der einstige Reparaturbahnhof der Köln-Bonner-Eisenbahn. Nur die Rangiergleise vor der Haustür erinnern noch an die frühere Funktion des langgestreckten Gebäudes, das seit drei Jahren als Atelierhaus dient.

Durch Zufall hatte der Kölner Künstler Andreas Gehlen erfahren, dass die Immobilie zu mieten war. Der Tipp kam zur richtigen Zeit, denn aus dem langjährigen Domizil im Mülheimer Hafen mussten der Installationskünstler und sein Kollege, der Grafiker Markus Döhne, ausziehen. Auch für die Performance- und Video-Künstlerin Evamaria Schaller war noch ausreichend Platz vorhanden, die 2017 nachzog. Sie hat sich in einem Raum eingerichtet, der vor Jahren als Zahlstelle fungierte, in der sich die Rangierer die Lohntüten abholten.

Als „Jellyspoor“ Aufsehen erregen

„So ein Objekt ist in Köln nicht mehr zu haben“, weiß Gehlen, der ohne lange Überlegung zugriff. Zwar war das Haus in einem desolaten Zustand, dafür konnten die Künstler die Räume so gestalten, wie sie sie brauchten. Monatelang haben sie geschuftet, Wände eingezogen, alten Teppichboden beseitigt und eine neue Beleuchtung installiert. „Das war ein ziemlicher Akt“, erinnert sich Gehlen mit Schaudern. Die Arbeit hat sich gelohnt: Jeder der drei hat sich hier genau die Arbeitsbedingungen geschaffen, die er benötigt.

Evamaria Schallers Refugium erinnert an ein Büro oder eine Denkfabrik, in der sie Ideen für Performances und Projekte ausbrütet, die gelegentlich auch zusammen mit Andreas Gehlen entstehen. Dann firmieren sie als interdisziplinäres Künstlerkollektiv „Jellyspoor“, das etwa im urbanen Raum mit temporären, ortsspezifischen Installationen für Aufsehen sorgt. Häufig setzen sie den eigenen Körper mit ein und scheuen dabei auch Grenzerfahrungen nicht.

Zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen

Computer und Kamera sind die hauptsächlichen Werkzeuge der 38-jährigen Österreicherin, die an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert hat und mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet wurde. Vor einiger Zeit hat sie einen DNA-Test machen lassen und dabei festgestellt, dass sie Vorfahren im Osten Europas, im Süden, aber auch in Afrika und Asien hat. Diese Erkenntnis bildete den Ausgangspunkt einer Fotoserie, in der sich die Künstlerin in mehr als 50 fotografischen Verwandlungen präsentiert. Dabei benutzte sie Attribute, die im Atelier und der nahen Umgebung gerade greifbar waren. Papier, Blattwerk, Grünkohlblätter, eine Sisalschnur und viele andere Materialien kamen bei der Reise zu ihren genetischen Wurzeln zum Einsatz.

Andreas Gehlens großzügiges Atelier ist hingegen eine Art Experimentierwerkstatt, die vollgestopft ist mit unterschiedlichsten Fundstücken und Sammlungsobjekten, die bei Installationen zum Einsatz kommen können. Gehlen, der im Brotberuf Kunstfels-Anlagen etwa für zoologische Gärten errichtet, taucht hier „ins Filigrane ein“ und genießt den Wechsel zwischen den unterschiedlichen Arbeitsfeldern.

Kritischer Austausch ist besonders wichtig

Markus Döhne, mit seinen 58 Jahren der Senior in der Ateliergemeinschaft, hat für die Herstellung seiner komplexen druckgrafischen Werke, die auf vorgefundenem Fotomaterial basieren, ebenfalls beste Voraussetzungen. Sogar eine Druckpresse ist vorhanden, außerdem bietet sich dem Künstler viel Platz für Experimente.

„Ich habe vorher nie mit dem Pinsel gearbeitet“, erzählt er. Döhne ist 2002 mit dem ersten Preis bei der Internationalen Deutschen Grafiktriennale Frechen ausgezeichnet worden. Schon damals wurde ihm bescheinigt, dass er das Medium der Grafik immer wieder vor neue Herausforderungen stelle. Dass die drei den „Maschinenpark“ gemeinsam nutzen und in ihren Ateliers auch mal Lärm machen können, ist ein unschätzbarer Vorteil. Ganz wichtig ist ihnen der kritische Austausch. „Ich bin immer aufgeregt, wenn ich den Kollegen meine Arbeiten zeige“, gesteht Evamaria Schaller, die deren „ehrliches Urteil“ schätzt.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Die Stadt tut nichts für ihre Künstler“

Gemeinsame Mahlzeiten und Kaffeepausen verstärken den Zusammenhalt. Im verwilderten Garten haben sie sich einen Sitzplatz eingerichtet; das Außengelände taugt auch für Skulptur-Projekte. Und wenn im Keller die Elektropunkband „Hall und Rauch“ probt, ist für musikalische Unterhaltung gesorgt. Dass sie der Metropole Köln den Rücken gekehrt haben, schmerzt nicht im Mindesten. „Die Stadt tut nichts für ihre Künstler, da werden noch viele abwandern“, stellt Andreas Gehlen nüchtern fest. Dafür sind sie jetzt in Brühl angekommen, wie die Künstler einvernehmlich versichern. Allmählich strecken sie die Fühler aus und beginnen, Kontakte zu knüpfen.

Die Alte Schlosserei, den Ausstellungsraum des Brühler Kunstvereins, haben sie schon in Augenschein genommen, denn hier haben ehemalige Studienkollegen und Freunde wie Tessa Knapp, Thomas Kemper und Clemens Goldbach bereits ausgestellt. Irgendwann wollen sie ihre Ateliers mal einen Tag für Publikum öffnen.

„Wir müssen mal nachdenken, was wir in Zusammenarbeit mit der Stadt machen können“, sagt Gehlen unter dem zustimmenden Nicken der Kollegen.

www.efeumaria.com

www.markus-doehne.de

www.andreasgehlen.com

Rundschau abonnieren