Aus Biomüll wird StromSo modern ist die neue Remondis-Anlage im Rhein-Erft-Kreises

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Förderbänder bringen den Biomüll zu den Sortierern.

Förderbänder bringen den Biomüll zu den Sortierern.

Erftstadt-Liblar – Warum landet ein Teppich im Biomüll? Die Frage könnte nur derjenige beantworten, der ihn in der braunen Tonne versenkt hat. Klar ist dagegen, wer dafür gesorgt hat, dass der Läufer nicht irgendwann in Klein- und Kleinstteilen auf dem Acker oder im Garten endet: Das war nämlich einer der Sortierer, die in der Kompostanlage von Reterra beherzt in den Müll packen, um Teile rauszufischen, die wohl kaum verrotten werden. Eine Handarbeit, die bei aller modernen Technik noch unersetzlich ist.

Moderne Technik gibt es reichlich im Verwertungszentrum Erftkreis bei Liblar, und seit einigen Wochen noch einmal mehr. Da wurde die neue Vergärungsanlage in Betrieb genommen. Rund 22 Millionen Euro hat Reterra, das zum Entsorger Remondis gehört, investiert und dafür unter anderem den Prototyp eines Mehrstufensichters bekommen – einer Anlage, die auch noch sehr kleine Teile in der Biomasse entdeckt. Doch bis der Inhalt der braunen Tonnen dorthin gekommen ist, hat er einen weiten Weg hinter sich.

Entsorgungsanlage in Erftstadt: Gastankstelle für Müllwagen wird noch gebaut

Aus dem Rasenschnitt, den Obst- und Gemüseabfällen und den Essensresten ist dann nicht nur hochwertiger Dünger geworden, sondern auch Methan. Und dieses Biogas wird verstromt. „Ein ganz normaler Verbrennungsmotor treibt eine Turbine an, die Energie erzeugt“, so erklärt es Betriebsleiter Ulrich Herpel. Der Strom wird ins Netz eingespeist. Die neue Anlage habe die Aufgabe, das energetische Potenzial des Bioabfalls zu nutzen, wie es der Rhein-Erft-Kreis in seinen Abfallkonzept festgeschrieben habe, sagt Geschäftsführerin Barbara Junker.

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Neu auf dem Reterra-Gelände ist auch ein kugelrunder Gasspeicher. Wenn Wind und Sonne mehr als genug Energie produzierten, werde das Methan dort zwischengelagert – als Reserve für die Dunkelflaute gewissermaßen. Später, berichtet Junker, soll auch noch eine Gastankstelle eingerichtet werden, damit die Flotte der gasbetriebenen Müllwagen gleich an Ort und Stelle die Tanks füllen kann.

Noch sind die meisten Fahrzeuge in der Lkw-Schlange an der Einfahrt mit Diesel betrieben. Aus dem gesamten Rhein-Erft-Kreis, aus Düren und normalerweise auch aus Ahrweiler karren sie den Inhalt der braunen Tonnen nach Erftstadt. Wenn er abgekippt ist, wird er auf Förderbänder gehoben, zerfasert, läuft über einen Magnetabscheider, der Metallteile herausfischt, wird sortiert. Bis zu 60 Millimeter lang sind die Stücke, die schließlich in der neuen Vergärungsanlage landen, größere kommen in den Kompost.

Erftstadt: Alte Kompostieranlage ist 1995 in Betrieb gegangen

Der Unterschied zwischen Vergären und Kompostieren liegt in der Art der Bakterien: Beim Kompostieren brauchen die winzigen Helfer Sauerstoff, beim Vergären nicht.

Bei beiden Verfahren macht die Nässe derzeit zu schaffen: „Die Bakterien brauchen Wasser, aber sie wollen nicht schwimmen“, sagt Barbara Junker. Und im Moment ist der Rasenschnitt so feucht, dass das Wasser aus den Bunker genannten Abteilen der Anlage rinnt.

Die alte Kompostieranlage ist 1995 in Betrieb gegangen. Bei Reterra landet heute nicht nur der Inhalt der Biotonnen, sondern auch Grünabfall und Altholz. Genutzt wird beides. Um das Nässeproblem zu lösen, lässt Herpel eine Schicht aus Zweigen in die Bunker legen, durch die die Flüssigkeit sickern kann. Wurzeln und Stammholz wanderten in die Biofilter, die helfen sollen, das die Anlage nicht stinkt. Aus diesem Grund herrsche auch in allen Hallen Unterdruck.

Gärsubstrat wird als hochwertiger Dünger an Landwirte verkauft

Der Biomüll für die Gäranlage wandert in einen Vorratsbehälter. Lange soll er da nicht bleiben: „Je älter das Material, desto geringer der Ertrag an Gas“, sagt Junker. Dann geht es in eine riesige Röhre. „Propfenstromverfahren“ heißt das schöne Wort dafür, dass hinten eine Pumpe neues Material hineindrückt und damit das alte vorwärtsschiebt. Riesige Paddel rühren in der Masse, die vorher mit vergorenen Teilen „angeimpft“ ist, um den biochemischen Prozess in Gang zu setzen. 21 Tage dauert es, bis hinten herauskommt, was vorne reingepresst wurde.

Das Gärsubstrat habe eine ähnliche Konsistenz wie ein Kuhfladen, beschreibt die Geschäftsführerin. Es wird nochmal kompostiert und dann als hochwertiger Dünger an Landwirte verkauft.

Vorher aber hat noch der Mehrstufensichter seinen Job gemacht. Die ganze Masse wird mit einem Luftstrom durchgepustet, die schwereren Teile fallen als erstes runter. Und je nach Wurfparabel – der Laie würde Flugbahn sagen – sortiert die Maschine nochmal aus. „Trotz all dieses Aufwands schaffen wir es nicht, 100 Prozent der Fremdstoffe zu entfernen“, gesteht Herpel ein. Ein letzter Rest bleibt doch noch für die Müllverbrennung.

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Nicht alles, was gut gemeint ist und gut klingt, ist auch tatsächlich gut. Kompostierbares Einweggeschirr beispielsweise hat in der braunen Tonne nichts verloren. „Wir wissen ja im Einzelfall auch gar nicht, was für Stoffe darin sind“, sagt Barbara Junker. Oder die kompostierbaren Beutel, die eigens für den Biomüll angeboten werden. „Sie brauchen rund 40 Tage, um zu verrotten“, sagt Ulrich Hempel.

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Der Kompost in der Anlage wird aber innerhalb von 21 Tagen umgesetzt. Im besseren Fall platzt der Beutel, und der Sortierer zieht ihn als Fremdstoff vom Band. Im schlechteren gelangt er in kleinen Stücken in der Gäranlage und verlässt sie auch in kleinen Stücken. Bioabfall schlicht in Zeitungspapier zu wickeln sei günstiger. Auch Zahnbürsten aus Bambus verrotten nur ganz langsam.

Besonders hartnäckig sind die Schildchen, die auf Äpfeln oder Paprika kleben. Oft landen sie mit der schrumpeligen Schote in der Biotonne. Wird die zerkleinert, rollt sich der Aufkleber zusammen und schlüpft von da an durch alle Siebe und Kontrollen. Und landet schließlich da, wo er auf keinen Fall hin soll: auf dem Acker.

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