StraßenchorFriesheimer Nachbarn musizieren jeden Abend – seit mehr als 110 Tagen

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Jeden Abend versammelt sich der Chor vor dem Haus des Ehepaars Angelika und Jürgen Loevenich (M.) 

  • Jeden Abend versammeln sich Friesheimer Nachbarn vor dem Haus von Angelika und Jürgen Loevenich.
  • Am 22. März, dem Tag des Corona-Lockdowns, haben sie begonnen, täglich gemeinsam zu singen.
  • Kölsche Lieder, Schlager und Evergreens: Nicht nur der Beifall motiviert den kleinen Chor weiterzumachen.

Erftstadt-Friesheim – Nur der Schluss ist immer der gleiche: „Kutt jot heim“ stimmen die Sängerinnen und Sänger als letztes Lied an. Ansonsten ist das Programm jeden Abend neu. Kölsche Tön, Schlager, Evergreens, Ohrwürmer. Jürgen und Angelika Loevenich stellen die Liste zusammen – seit mehr als 110 Tagen.

Am 22. März haben viele Menschen in ganz Deutschland begonnen, auf der Straße zu musizieren. Es war ein Zeichen der Gemeinsamkeit, als der Lockdown wegen des Coronavirus das gesellschaftliche Leben zum Erliegen brachte. Mittlerweile sind die meisten Freiluft-Chöre längst wieder verstummt. Doch die Nachbarn an der Birkenstraße in Friesheim denken nicht ans Aufhören. Jürgen und Angelika Loevenich stellen jeden Tag ein neues Programm zusammen, und pünktlich um acht treffen sich die Sängerinnen und Sänger vor dem Haus des Ehepaars. Angelika Loevenich verteilt die Blätter mit den Liedtexten, Jürgen Loevenich wirft im ersten Stock bei offenem Fenster schon mal die Musik an.

Beifall aus dem Nachbargarten

Der Chor ist mal größer, mal kleiner, mal hören Spaziergänger zu, mal gibt es Beifall aus einem Nachbargarten. Ein Zuhörer hält den Sängern aber eisern die Treue, findet sich jeden Tag pünktlich mit seiner Betreuerin auf dem Balkon des Nachbarhauses ein. „Allein seinetwegen können wir nicht aufhören“, sagt Angelika Loevenich. Er habe ihr gesagt, wie viel Mut und Kraft ihm der Gesang in den schweren Zeiten gebe. Zu „Rut sin die Ruse“ habe er sogar ein Tänzchen mit der Pflegerin auf dem Balkon gewagt. Und auch an diesem Abend ist die Szene rührend: Mit gesenktem Kopf lauscht der alte Herr der Musik, um am Ende aufzustehen, mit beiden Händen zum Chor herüberzuwinken und Beifall zu klatschen.

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Wie lange die Sängerinnen und Sänger noch durchhalten wollen, können sie selbst nicht sagen. „Bis Weihnachten schaffen wir es bedenkenlos“, sagt Jürgen Loevenich. Er habe 3000 Titel auf Lager – die Lieder gehen den Friesheimern nicht aus, auch wenn die Corona-Krise, wie zu befürchten ist, noch lange währen wird.

Singen mit Suchtgefahr

Nur zweimal haben sie das abendliche Konzert bisher ausfallen lassen, an Karfreitag und einmal, weil das Ehepaar Loevenich zu einer Silberhochzeit musste. Regenschauer dagegen haben die musikalische Begeisterung nicht abgekühlt. Ganz offenbar birgt das Singen Suchtgefahr: Ohne das Lied „Kutt jot heim“ könne er abends nicht mehr einschlafen, gesteht einer der Sänger mit einem Augenzwinkern.

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