Pro und ContraSollten sich Senioren einer Fahrtauglichkeitsprüfung unterziehen?

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Eine Teilnehmerin eines Fahrtrainings für Senioren. Unsere Autoren diskutieren, ob solche Trainings Pflicht werden sollten. (Archivbild)

  • Pro: Margret Klose denkt, Senioren sollten ihr Fahrvermögen einmal reflektieren. Vor allem in unvorhersehbaren Situationen komme es auf schnelle Reaktionen an. Da gerieten viele an ihre Grenzen.
  • Contra: Jörn Tüffers findet, einen Unfall zum Anlass zu nehmen, eine Altersgruppe unter Generalverdacht zu stellen, gehe zu weit. Die Unfallstatistik gebe die Forderung nach einem Fahrsicherheitstraining für Senioren jedenfalls nicht her.

Hürth – Beim Thema Fahrtauglichkeitstest für Senioren scheiden sich die Geister. Fakt ist: Senioren, zu denen die Polizei alle Menschen ab einem Alter von 65 Jahren zählt, sind auf keinen Fall die Unfallverursacher Nummer eins auf den Straßen. Das geht ganz klar auch aus der Unfallstatistik der Polizei des Kreises hervor. Demnach wurde die Polizei im Rhein-Erft-Kreis im vergangenen Jahr zu 11. 311 Unfällen gerufen, bei 1317 waren Verletzte zu beklagen.

Bei 603 Verkehrsunfällen seien Senioren dabei die Verursacher gewesen, 215 dieser Unfälle endeten mit verletzten Menschen. Wie es sich anfühlt, Opfer eines Verkehrsunfalls zu sein, bekam der Hürther DJ Michael Grulich am 22. April am eigenen Leib zu spüren, als er als Radfahrer von einer Seniorin angefahren wurde. Immer noch leidet er an den Folgen. Laufen sei noch nicht möglich und auch den linken Arm könne er noch nicht schmerzfrei bewegen. Gerade habe die Reha begonnen, berichtet er.

Hürther startete nach Unfall Online-Petition

Grulich hat nach dem Unfall eine Petition für verbindliche Fahrtauglichkeitstests für Senioren gestartet. „Es gibt bereits Fahrtauglichkeitsprüfungen für bestimmte Berufsgruppen, warum also nicht auch für Menschen gehobenen Alters“, fragt er. Sollte die Fahruntauglichkeit festgestellt werden schlägt er zum Beispiel vergünstigte Fahrtickets für den ÖPNV vor. „Ich bin mit der Resonanz der Petition bisher ganz zufrieden“, sagt er.

144 Menschen haben sich inzwischen seiner Petition angeschlossen. Auch zustimmende Kommentare habe er bereits bekommen, berichtet Michael Gulich: „Ich will ja auch, dass alte Leute so lange wie möglich mobil bleiben, aber auch sicher Auto fahren.“

PRO: Altern geht mit Schwächen einher

Was spricht dagegen, wenn ältere Autofahrer ihre Fahrfähigkeiten verpflichtend trainieren sollten – um so lange wie möglich mobil bleiben zu können? Natürlich: Jeder Unfall ist einer zu viel, auch der, an denen Senioren eine Schuld oder Mitschuld tragen. Deswegen ist es nicht verkehrt, wenn Senioren ihr Fahrvermögen einmal reflektieren.

Das schließt aber auf gar keinen Fall aus, dass eine Einschätzung des eigenen Fahrstils und Verhaltens im Straßenverkehr generell allen Altersgruppen gut anstünde. Schließlich ist es kein Grundrecht, den Führerschein machen und ein Fahrzeug fahren zu dürfen. Es ist ein Privileg. Auch für Senioren.

Das Thema ist hochemotional. Auch bei Senioren geht es immerhin um Eigenständigkeit, Mobilität und ein großes Stück Freiheit. Und genau die gilt es ja so lange wie möglich zu erhalten. Meistens entscheiden Bruchteile von Sekunden über schwere Verletzungen und – im schlimmsten Fall – über das eigene und oder das Menschenleben anderer.

Ein Nachbar sagt immer: Im Ernstfall ist es zum Üben zu spät. Als Inhaber des Fahrsicherheitszentrums in Weilerswist weiß er, wovon er spricht. Er hat berichtet, dass Autofahrer mit zunehmendem Alter bekannte Strecken bevorzugen. Und solange eine Fahrt dann planmäßig verläuft, geht das auch gut. Erst wenn es auf diesen Strecken zu Zwischenfällen kommt, ein Rettungswagen von hinten naht und Platz zum Überholen braucht, oder ein Fahrradfahrer unangekündigt die Fahrbahnseite wechselt – wenn also blitzschnelle Reaktionen gefordert sind, geraten Menschen mit zunehmendem Alter an ihre Grenzen.

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Leider liegt es auch in der Natur der Dinge, dass das Altern mit Schwächen in der Wahrnehmung, in der motorischen Beweglichkeit und in der Reaktion einhergeht – bei einem mehr, bei anderen weniger. Doch genau das lasse sich üben, sagt der Experte. Dazu gibt es Konzepte, wie ältere Verkehrsteilnehmer trainiert werden können.

Führerscheinprüfungen liegen bei Senioren ja oft schon Jahrzehnte zurück. Und ein Update hat es für die meisten danach nicht gegeben. (mkl) 

CONTRA: Die Statistik gibt das nicht her

Sicher, es ist bedauerlich, dass Michael Grulich Opfer eines Verkehrsunfalls geworden und dabei schwer verletzt worden ist. Dies aber zum Anlass zu nehmen, eine Altersgruppe unter Generalverdacht zu stellen, das geht aber nun doch zu weit. Dass die Verursacherin jenseits der 70 gewesen ist, bedeutet gar nichts.

Vielleicht wäre der Unfall in Hürth auch mit einem Fahranfänger, einer 33-Jährigen oder einem 50-Jährigen passiert. Möglicherweise waren es ja mehr oder zumindest auch die Umstände, die eine Rolle spielten: eine Kreuzung, die schwer einzusehen ist; Nieselregen oder tief stehende Sonne, die die Sicht erschwerte.

Die Statistik gibt eine Forderung nach Fahrsicherheitstrainings für Senioren jedenfalls nicht her: Jeder fünfte Pkw-Fahrer, der einen Unfall verschuldet hatte, war zwischen 18 und 24 Jahren alt. Lediglich jeder 13. Unfallverursacher zählte in die Kategorie der Senioren von 65 bis 74 Jahren, ebenfalls jeder 13. Unfallverursacher war 75 Jahre oder älter.

Wann ist man ein Senior? Ab 60? Mit Eintritt ins Rentenalter? Oder erst ab 80? Wer will, wer kann das entscheiden? Auch hier: Es gibt garantiert eine Vielzahl fitter 80-Jähriger, die keinerlei Gefahr für den Straßenverkehr darstellen. Sie bewegen sich sicher und routiniert auf den Wegen, um Alltägliches zu erledigen. Gerade im flächigen Rhein-Erft-Kreis, in ländlich geprägten Gegenden, sind Menschen auf ihren mobilen Fahruntersatz angewiesen – und nicht nur die Älteren. Busse und Bahnen fahren mitunter so selten, dass das Warten auf die Anschlussverbindung locker mal eine Stunde dauern kann. Das ist nicht zumutbar!

Zu guter Letzt stellt sich die Frage der Kosten. Es wäre absehbar, dass regelmäßige Fahrtauglichkeitstrainings der Pkw-Halter selber bezahlen müsste. Und das in Zeiten, da die Inflation täglich steigt, und gerade ältere Menschen mit kleiner Rente sich beim Gang in den Supermarkt das eine oder andere Lebensmittel verkneifen müssen, weil es einfach zu teuer geworden ist. Sie würde es finanziell überfordern, die Kosten für ein Stück Selbstbestimmung aufzubringen. (jtü)

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