RTL wehrt sich gegen VorwürfeHürther sind wegen Dschungelshow empört und sauer

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Die Nobeo Filmstudios in Hürth, in denen die RTL-Dschungelshow in diesem Jahr wegen Corona produziert wird.

Die Nobeo Filmstudios in Hürth, in denen die RTL-Dschungelshow in diesem Jahr wegen Corona produziert wird.

Hürth – Ein Gaststätten-Schild schaukelt einsam im Wind, die Kamera fährt an den heruntergekommenen Wohnwagen vor dem Containerbahnhof am Eifeltor entlang, in denen Rotlicht-Damen ihrem Gewerbe nachgehen, wenn nicht gerade Pandemie ist. Dann schwenkt der Kamerablick über die tristen Betonwürfel im Gewerbegebiet und rückt auch die winkende Wurst-Skulptur im Kreisel vor der Fleischwarenfabrik Hardy Remagen und rauchende Schornsteine der Rußfabrik aus der Luft ins Bild. Das soll Hürth-Efferen sein, so erfahren es Millionen TV-Zuschauer jeden Abend. Der Ort, um den laut einer Moderation selbst die Sonne einen Bogen macht. Und an dem die Bewohner des Dschungelcamps nun in den Nobeo-Studios in einer Kulisse aus Buschwerk und Rindenmulch ausharren müssen, weil der echte Dschungel in Australien durch Corona gerade unerreichbar ist.

Hürth: Bürgermeister Dirk Breuer bekommt Briefe empörter Bürger

Dass von Hürth auf diese Weise bundesweit die Rede ist, gefällt längst nicht jedem in der Stadt, die als Keimzelle des deutschen Reality-TVs gilt. „Mir haben empörte Bürger geschrieben und sich beklagt, dass Hürth auf diese Weise präsentiert und die landschaftliche Schönheit und das gute Wohnumfeld komplett ausgelassen wird“, sagt Bürgermeister Dirk Breuer. Ihn ärgert vor allem, dass die scheußlichsten Bilder gar nicht in Hürth gedreht wurden. „Die Wohnwagen am Eifeltor stehen auf Kölner Stadtgebiet.“

Dass Besucher, die dort auf dem Weg nach Hürth von der Autobahn abfahren, von dieser Kulisse empfangen werden, ist dem Bürgermeister schon lange ein Dorn im Auge. Dass das Image der Stadt Schaden durch die Dschungel-Show nehmen könnte, fürchtet Breuer aber nicht. „Ich seh das gelassen. Hürth bleibt attraktiv für junge Familien.“ Nicht umsonst sei die Nachfrage nach Bauplätzen und Wohnungen so hoch.

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Landrat Frank Rock rät Hürthern zur Gelassenheit

Erfreut ist auch Landrat Frank Rock nicht von der Darstellung seiner Heimatstadt. Aber er rät zur Gelassenheit: „Die Hürther können darüber stehen, denn sie wissen, dass es so nicht ist.“ Dennoch, einen gewissen Imageschaden fürchtet Rock schon.

Positiv ist das natürlich nicht“, sagt Fidelis Thywissen, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft Hürth, der aber keine großen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und Wohnort annimmt. „Die Leute ziehen ja nicht nach Hürth, weil sie gern in Hürth wohnen möchten, sondern weil es hier noch einigermaßen bezahlbar ist.“ Die Stadt profitiere von der Nähe zu Köln. Das gelte auch für Unternehmen, die andere Probleme hätten als das Image der Stadt. „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen bei den Verkehrsproblemen und bei der Digitalisierung“, sagt Thywissen. „Wenn wir das in den Griff bekommen, können wir das Dschungelcamp locker ertragen.“

„Wir haben Big Brother überlebt, wir werden auch den Dschungel überleben“

„Wir haben Big Brother überlebt, wir werden auch den Dschungel überleben“, ist der frühere Bürgermeister Walther Boecker sicher, der die Entwicklung des Medienviertels zwei Jahrzehnte lang gefördert hat. „Die Bezirksregierung wollte uns damals sogar dazu bringen, die Show zu verbieten“, erinnert er sich an die Anfänge der Container-Show. In Hürth habe es im Jahr 2000 aus einem ganz anderen Grund massive Beschwerden der Anwohner gegeben. Denn der Big-Brother-Container auf einem Außengelände der Studios in Efferen sei regelrecht belagert worden von Tausenden Fans, die sich nicht immer vorbildlich verhalten und manchen Vorgarten verwüstet hätten. Von solchen Auswüchsen abgesehen habe Hürth von den Medienunternehmen sehr profitiert. Dort seien mehr als 1000 Arbeitsplätze geschaffen worden.

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An den Ansturm auf den Big-Brother-Container erinnert sich auch Ortsvorsteher Thomas Blank noch. „Zum Glück ist das beim Dschungel ja nicht so“, sagt er. „Ich sehe das deshalb mit rheinischem Humor und einem Lächeln.“ Wer Efferen von seiner schönen Seite kennenlernen wolle, den führe er gern durch den Ort mit Burg, Ahl Schull, Brunnen und Einkaufsstraße.

Bei RTL rät man unterdessen dazu, die Sache nicht zu ernst zu nehmen. „»Ich bin ein Star – Die große Dschungelshow« ist eine Show, in der scharfzüngig und pointiert Kandidaten, Themen und manchmal eben auch Orte persifliert werden“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.

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