Kalte WinternächteWie Obdachlose im Rhein-Erft-Kreis überleben

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Nach dem Frühstück bleiben die Teilnehmer in der Sozialstation in Frechen oft noch etwas sitzen.

Nach dem Frühstück bleiben die Teilnehmer in der Sozialstation in Frechen oft noch etwas sitzen.

Rhein-Erft-Kreis – In den derzeit bitterkalten Nächten haben es diejenigen besonders schwer, die auf der Straße leben. Am vergangenen Samstag wurde die Polizei um 6.30 Uhr nach Frechen zur Hauptstraße gerufen, wo sie einen Mann vorfand, der bereits Unterkühlungssymptome zeigte. Der Rettungsdienst betreute ihn dort und brachte ihn schließlich ins Krankenhaus.

Am gleichen Abend riefen Passanten die Polizei in einem ähnlichen Fall nach Hürth-Fischenich. Doch der Mann habe sich noch vor dem Eintreffen der Polizei auf den Weg zur Bahnhofsmission gemacht, berichtet Nadine Welp von der Pressestelle der Polizei im Rhein-Erft-Kreis. Dabei bieten die Städte und Kommunen im Rhein-Erft-Kreis Notbetten in beheizten Räumen für Menschen an, die kurzfristig Hilfe brauchen.

Es gibt aber offenbar auch Betroffene, die die Angebote der Stadt nicht wahrnehmen. Besonders in den zurzeit sehr kalten Nächten achtet deswegen auch die Polizei verstärkt auf Menschen, die sich im Freien aufhalten.

In extremen Fällen greift die Polizei ein

Dabei zähle jedoch der freie Wille. „Wir können keinen Menschen zwingen, in einer Unterkunft zu übernachten“, erläutert Welp. Jeder sei grundsätzlich frei in seinen Entscheidungen. Sei jedoch zu erkennen, dass sich die Person in einer für sie bedrohlichen Lage befinde oder mache sie einen hilflosen Eindruck, griffen die Beamten ein, sagt sie.

Die meisten Unterkünfte für Obdachlose im Rhein-Erft-Kreis sind zurzeit gut belegt, wie zum Beispiel in Bergheim. „Hier leben jedoch weniger Nichtsesshafte, sondern vielmehr Menschen, die irgendwann beim Sozialamt der Stadt vorsprachen, weil sie kein Zuhause haben“, erklärt Bergheims Sozialarbeiterin Hildegard Engels. Manche blieben einige Tage, andere Wochen oder Monate. Zusammen mit ihrer Kollegin Isabel Dappert-Winter kümmert sie sich um die Menschen mit dem Ziel, ihnen aus der Obdachlosigkeit zu helfen.

Vor elf Monaten ist etwa eine rumänische Familie, die im Dezember 2016 nach Deutschland gekommen war, in der Obdachlosenunterkunft in Bergheim untergekommen. „Drei Tage habe ich damals auf der Straße gelebt“, berichtet die Rumänin. Dann erst habe sie sich bei den Behörden gemeldet. Hilfe für Obdachlose und Bedürftige leistet auch die Sozialstation der evangelischen Kirche in Frechen. Katharina B. (63) kann die Frühstücksrunden, die dort montags und mittwochs stattfinden, kaum erwarten.

Üppig sei dort immer der Tisch gedeckt. „In Gesellschaft mit anderen, die das gleiche Schicksal haben, schmeckt es mir ohnehin viel besser als alleine“, erzählt sie. Ihren richtigen Namen will sie nicht nennen. Sie weiß, wie schmal mitunter der Grat ist, sein zu Hause zu behalten oder plötzlich auf der Straße zu stehen. Oft spielen Geld, Gleichgültigkeit, aber auch Krankheiten und Sucht dabei eine große Rolle.

Auslastung ist sehr unterschiedlich

Um ein Haar wäre auch sie vor zehn Jahren auf der Straße gelandet, berichtet Kathrina B.. Damals lebte sie noch in Köln. Viel zu lange habe sie die Kündigung ihrer Wohnung einfach nicht ernst genommen. „Im allerletzten Moment habe ich mir dann Hilfe beim Sozialrichter geholt“, sagt sie. Von einigen ihrer Tischnachbarn weiß sie, dass sie schon im Heim geschlafen haben. „Die Betten dort sind sauber, sie sind in Ordnung“, sagt sie. Mit Heim meint die 63-Jährige die Unterkünfte, in denen auch die Stadt Frechen Zimmer und Betten für wohnungslose Menschen bereit hält.

Die Auslastung sei sehr unterschiedlich, fast täglich gebe es Wechsel bei den Belegungen, erklärt Thorsten Friedmann, Sprecher der Stadt Frechen. Die Menschen ohne Obdach könnten sich an die Stadt wenden, die Kollegen des Sozialamts versuchten, sofort zu helfen.

Warme Mahlzeiten und Kleiderspenden

Ähnliche Häuser gibt es in allen Kommunen im ganzen Rhein-Erft-Kreis. Die Stadt Hürth verfügt laut Sprecher Willi Pütz über vier Häuser mit insgesamt 150 Plätzen. 50 Betten, verteilt auf vier Notunterkünfte, stehen in Kerpen zur Verfügung. „Sie sind zurzeit auch fast alle belegt“, erklärt Stadtsprecher Erhard Nimtz. Kapazitäten habe man aber noch für Menschen, die jetzt aufgrund der Kälte ein Bett für einige Nächte bräuchten, erklärt er. Von diesen sei aber zurzeit kein Bett belegt.

In Wesseling gibt es in mehreren Wohnhäusern insgesamt 85 Plätze, die laut Co-Dezernent Jörg Fliegner bis auf drei Notschlafplätze aktuell alle belegt seien. „Die Kommunen sind grundsätzlich verpflichtet, obdachlosen Menschen eine Unterkunft anzubieten“, heißt es aus der Stadtverwaltung Brühl. Um Menschen, die auf der Straße leben, zu helfen, haben die Kommunen umfangreiche Netzwerke aufgebaut. In Brühl reicht die Unterstützung von warmen Mahlzeiten über Kleiderspenden bis hin zu Beratung und Begleitung durch den Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer.

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