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„Das muss ich festhalten“Kerpenerin sammelt Corona-Geschichten aus ganz Deutschland

Lesezeit 4 Minuten
Hunderte Berichte von Menschen aus aller Welt, aber auch aus Kerpen, hat Barbara Siefken in ihrem Blog gesammelt.

Hunderte Berichte von Menschen aus aller Welt, aber auch aus Kerpen, hat Barbara Siefken in ihrem Blog gesammelt.

  • In Barbara Siefkens Blog erzählen Menschen ihre ganz persönliche Corona-Geschichte.
  • Im Gespräch verrät sie, was sie dazu bewogen hat, den Blog ins Leben zu rufen.

Kerpen – Die Mehrheit hatte von Corona bislang nur aus den Nachrichten gehört, als bei Barbara Siefken die Pandemie ankam. Am 9. März beginnt ihr Internetblog mit einer Schilderung ihrer Cousine Cessi: „Alle Männer stehen auf dem Parkplatz bei unserem Hausarzt und lassen sich testen!“ Just aus Ischgl seien der Freund der Cousine, ihr Schwager und einige Freunde nach Hause gekommen, schildert Barbara Siefken in einem Gespräch auf ihrer Terrasse.

Diesem Besuch hat sie zugestimmt. Sie sei jedoch sehr vorsichtig und überlege sorgfältig, welche Kontakte wirklich notwendig seien. Der Respekt vor dem Virus komme nicht von ungefähr. Vor 15 Jahren erlebte Siefken mit, wie ihr Mann Olaf nach einer Lungenentzündung von der Beatmungsmaschine entwöhnt werden musste. Zudem pflegt sie ihre alte Tante. Weil die an Demenz erkrankt ist, begegnet die Nichte ihr ohne Mundschutz. Da könne sie sich keine Infektion leisten, sagt Siefken.

Ischgl-Reisegruppe berichtet Kerpenerin von Corona-Erlebnissen

Hoch ansteckend sei das Virus, davon erzähle auch die Geschichte der 16 Jungen aus der Reisegruppe, die Anfang März in einer Après-Ski-Bar in Ischgl gefeiert hätten. Elf von ihnen seien krank geworden. Das sei zu einer Zeit gewesen, als noch viele der Meinung gewesen seien, beim Coronavirus handele es sich um eine Fake-Nachricht. „Es ist so unglaublich, was da gerade passiert, das muss ich einfach festhalten“, habe sie damals gedacht. Erste Fotos und Berichte zum Umgang mit der Pandemie, die ihr Freundinnen und Freunde zusandten, habe sie auf Instagram veröffentlicht, dann habe sie sich im Baukastensystem eine Internetseite gebastelt.

Die zentrale Botschaft lautet bis heute: „Erst im Nachhinein werden wir diese Zeit bewerten können. Teilt eure Geschichten! Bitte schickt mir eure Gedanken und Erlebnisse! Gerne mit Fotos.“ Sie sei während des ersten Lockdowns auf viele Menschen getroffen, die froh gewesen seien, ihre Geschichten erzählen zu können. Die Umstände seien für die Arbeit an einer Zeitdokumentation günstig gewesen. „Alle saßen ja zu Hause. Ich hatte Zeit und den Eindruck, ich nutze sie sinnvoll.“ Ihre Töchter hätten viel Zeit mit ihren Freunden mittels Social Media verbracht. Ihr Mann habe länger als sonst im Homeoffice gearbeitet.

Menschen erzählen im Blog der Kerpenerin ihre Corona-Geschichte

Solange in den Beiträgen niemand beschimpft oder gefährdet worden sei, habe sie nicht eingegriffen, sagt Siefken. Extreme Behauptungen habe sie jedoch nicht veröffentlicht. Da sei es beispielsweise um Annahmen gegangen, die Bundesregierung treffe ihre Corona-Entscheidungen in zehn Kilometern Höhe in einem Flugzeug oder Bill Gates sei an allem schuld.

Von kranken und gesunden Menschen handelten die Beiträge, von Familien im Lockdown, von überforderten Gesundheitsämtern und sorgenvollen Unternehmern und Restaurantbesitzern. Und von Kinobesitzer Bernd Schmitz, der vor dem Haus Popcorn aus der eigenen Maschine verkaufte. Sie erzählen von einem Himmel ohne Kondensstreifen, von Wanderungen auf sonst vielbefahrenen Straßen, von überforderten Müttern im Homeoffice, abgesagten Hochzeiten und Todgeweihten, die einsam sterben mussten, weil es nicht genügend Schutzkleidung gab.

Kerpen: Diese Erfahrungen hat Barbara Siefken gemacht

Einer Lehrerin hat die Vorsitzende des Fördervereins der Europaschule eine eigene Rubrik gewidmet. Siefken selbst meldet sich als „Nina“ zu Wort. In der „Gastredaktion Blatt-Gold“ lässt sie behinderte Menschen zu Wort kommen, die sonst in den Werkstätten der Gold-Kraemer-Stiftung arbeiten. „Für sie ist ein Lockdown eine Katastrophe, wenn sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen können. Sie brauchen dringend Herzensmenschen.“ Die Dokumentation der ersten 15 Wochen gebe vielleicht Stoff für eine Ausstellung oder ein Buch her, sagt Siefken.

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Im Sommer habe sie acht Wochen Pause gemacht. Jetzt frage sie wieder nach Geschichten. Auslöser seien die Bürgermeisterwahlen gewesen. Im Wahllokal habe sie zwei Freundinnen ihrer Tochter Karolina getroffen, die sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hatten, und auch Bernd Schmitz wiedergesehen, der Popcorn an die Wahlhelfer verschenkte.

Da sei ihr wieder klar geworden, wie sensibel diese „immer noch surreal anmutenden Zeiten“ die Menschen für Gemeinschaft gemacht hätten. Jetzt falle ihr allerdings auf, dass der gesellschaftlichen Konsens mehr und mehr abnehme.

Hier geht es zu ihrem Blog www.corona-2020.eu.

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