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TagebauAbrissbagger versetzen Immerather Dom den Todesstoß

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Kurz bevor die Abrissbagger am Montag die Arbeit aufnahmen, forderten Aktivisten bei Mahnwachen am „Immerather Dom“ den schnellen Ausstieg aus der Braunkohleförderung.

Kurz bevor die Abrissbagger am Montag die Arbeit aufnahmen, forderten Aktivisten bei Mahnwachen am „Immerather Dom“ den schnellen Ausstieg aus der Braunkohleförderung.

Erkelenz-Immerath – Nur wenige Umgesiedelte kehrten am Wochenende noch einmal in ihr sterbendes Dorf zurück. Und auch wenn die Abrissbagger dem Immerather Dom von Montagmorgen an den endgültigen Todesstoß versetzen, erwartet Michael Zobel nicht allzu viele frühere Bewohner.

„Es tut ihnen einfach zu weh. Die Menschen, die hier gelebt haben, können oder wollen den Anblick der Zerstörung ihrer Heimat nicht ertragen“, glaubt der durch seine Wanderungen durch den Hambacher Forst bekannt gewordene Naturführer, Braunkohlegegner und Klimaschutzaktivist aus Aachen.

Zobel blieb am Samstagnachmittag dennoch nicht allein. Rund 100 Menschen versammelten sich bei einer von ihm angemeldeten Mahnwache vor der eingezäunten und von RWE-Sicherheitskräften bewachten Lambertus-Kirche, die ebenso wie ganz Immerath und bald wohl noch weitere Dörfern westlich der Autobahn 61 dem Braunkohlentagebau Garzweiler weichen muss.

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Am Sonntagmittag kamen noch einmal etwa 250 Teilnehmer zu einer weiteren Mahnwache und einer ökumenischen Feier, zu der die Kölner Initiative „Ein Dom für Immer(ath)“ und kirchliche Basisgruppen eingeladen hatten.

Man sang und betete gemeinsam. Es wurden Protestreden gegen „eine auf Profitmaximierung ausgerichtete, die Schöpfung und die Menschen verachtende Energiewirtschaft“ gehalten, und es wurden große Transparente ausgerollt, die unter anderem den Stopp des Tagebaus Garzweiler an der „roten Linie Autobahn 61“ forderten. In einer Mischung aus Trauer, Fassungslosigkeit und nicht zuletzt auch gehöriger Wut brachten viele Menschen gestern Zettel mit Fürbitten an dem in dieser Situation wie eine Klagemauer wirkenden Sperrzaun am Dom an. Dabei richtete sich die Kritik nicht nur gegen RWE, sondern deutlich stärker als bei früheren Kundgebungen auch gegen die regierenden Spitzenpolitiker in Berlin und Düsseldorf. Diesen warf man vor, wider besseren Wissens nicht den Mut zu besitzen, aus einer überholten Stromproduktion auszusteigen und Ernst zu machen mit der Energiewende.

Laschet wurde verbal scharf attackiert

Vor allem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wurde verbal scharf attackiert für seinen Vorschlag, künftig mehr Strom aus rheinischen Braunkohlemeilern nach Belgien zu verkaufen, um dort den Atomausstieg zu forcieren. Michael Zobel, Hans Stenzel als Mitweltbeauftragter des Kirchenkreises Jülich und andere Redner werteten diese Idee als klassisches Laschet-Eigentor. Denn wenn man offenbar in der Lage sei, große Mengen Kohlestrom ins Ausland zu exportieren, dann zeige dies doch deutlich, dass dieser schmutzige Strom hierzulande gar nicht mehr für die oft beschworene heimische Versorgungssicherheit benötigt werde. Damit aber habe die gesamte Tagebauwirtschaft ihre eigentliche Legitimation endgültig verloren.

Auch zum heutigen Beginn der Abrissarbeiten werden wieder Kohlegegner in Immerath erwartet. Michael Zobel rechnet mit einem „Publicity-Desaster für RWE“: „Hätten sie den Dom wie zunächst geplant gesprengt, dann wäre die Geschichte an einem Tag gegessen gewesen. Jetzt werden zwei Wochen lang täglich neue quälende Bilder einer sinnlosen Zerstörung durchs Land gehen.“

Der „Dom von Immerath“ wurde bereits 2013 entwidmet

Die Pfarrkirche St. Lambertus in Erkelenz-Immerath wird aufgrund ihrer Größe im Volksmund „Dom von Immerath“ genannt. Beeindruckend ist der mächtige Doppelturm, der die 1888 bis 1891 nach Plänen des Kölner Baumeisters Erasmus Schüller errichtete neuromanische Basilika überragt. Da die Kirche wie der gesamte Ort dem Braunkohletagebau Garzweiler II weichen muss, wurde sie am 13. Oktober 2013 entwidmet und im April des folgenden Jahres an den Tagebaubetreiber RWE Power übergeben.

Die Umsiedlung des Dorfes begann bereits 2006 und wurde im vergangenen Frühjahr abgeschlossen. Große Teile der einstigen Bebauung wurden inzwischen abgerissen. Am Montag, 8. Januar, beginnt nun um 9 Uhr der Rückbau der ehemaligen Immerather Pfarrkirche. RWE Power veranschlagt dafür rund zwei Wochen. Der Abbruch der Kirche steht nun an, weil die Bagger des Tagebaus nahen. Im Sommer wird die neue Autobahn A 44 zwischen den Kreuzen Holz und Jackerath in Betrieb genommen.

RWE Power will unmittelbar danach damit beginnen, die A 61 zwischen Wanlo und Jackerath abzutragen. Anschließend werden die Schaufelradbagger die Ortslage von Immerath erreichen. Im Tagebau Garzweiler werden jährlich bis zu 35 Millionen Tonnen Braunkohle für die Stromerzeugung gefördert. Mit der Verfeuerung der Kohle aus den drei Tagebauen des Rheinischen Reviers werden nach Angaben von RWE derzeit rund 40 Prozent des Strombedarfs in Nordrhein-Westfalen gedeckt. (wok)

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