LandratMichael Kreuzberg über das politische Geschehen in Kreis, Land und Bund

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Rhein-Erft-Kreis – In Berlin tun sich CDU/CSU und SPD schwer, zu einer erneuten Koalition zusammenzufinden. Im rheinischen Revier wächst die Unruhe mit jeder neuen Idee zu einem vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle, und die Zukunft des Rhein-Erft-Kreises will auch gestaltet sein. Landrat Michael Kreuzberg hat im Redaktionsgespräch mit dieser Zeitung das aktuelle politische Geschehen reflektiert.

Eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene hätte Michael Kreuzberg gut gefallen, zumal er sich im Rhein-Erft-Kreis zurzeit keine bessere Kreistagsmehrheit als besagtes Bündnis vorstellen könne. „Jamaika in Berlin wäre ein neuer Impuls gewesen, der auch von der Mehrheit der Wähler gewünscht war“, sagt er. „Auch die SPD hätte als größte Oppositionspartei eine wichtige Rolle spielen können.“

Leider seien die Sondierungsgespräche von CDU/CSU, FPD und Grünen gescheitert. „Als FDP-Chef Christian Lindner mitansehen musste, wie Horst Seehofer (CSU) und Jürgen Trittin (Grüne) allmählich eine Wellenlänge fanden, ist ihm bewusst geworden, dass der gelbe Kitt zwischen Schwarz und Grün nicht unbedingt benötigt wird. Da hat er sich nicht mehr in der richtigen Rolle gesehen.“ Inzwischen seien die Gemeinsamkeiten von Schwarz-Grün größer als die von Rot-Grün.

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Jetzt aber, sagt der Landrat, gäben die Parteien im Bundestag ein „verheerendes Bild“ ab. „Demokratische Parteien, die eigentlich alle miteinander koalieren könnten, sind nicht in der Lage, eine Regierung zu bilden. Das versteht der Wähler nicht.“ Gleichzeitig beruhigt Kreuzberg: Unregiert sei die Republik deshalb nicht, schließlich sei eine handlungsfähige Regierung kommissarisch im Amt.

Martin Schulz habe sich nicht glücklich verhalten, als er eine Viertelstunde nach Schließung der Wahllokale eine große Koalition ausgeschlossen habe. „Im Wahlkampf hat sich der SPD-Kandidat sehr schnell entzaubert, weil man ihm angemerkt hat, dass er bundespolitisch nicht à jour ist“, erklärt Kreuzberg den Umfrageabsturz von Martin Schulz.

Als Europapolitiker sei Schulz hervorragend. „Die Idee der Vereinigten Staaten von Europa ist mein politisches Ziel, solange ich denken kann.“ Schulz’ Zeitplan bis 2025 sei allerdings schon aus organisatorischen Gründen nicht umzusetzen. Vor einem Verlust der Identität der Völker müsse man sich in einem föderalistischen Europa keine Sorgen machen, ist Kreuzberg überzeugt: „’Ne Kölsche bleibt ’ne Kölsche!“

Aber es gebe Aufgaben, die nur innerhalb der EU zu lösen seien. In der Flüchtlingsfrage etwa könnten die komplexen Konflikte nur mit einem gemeinsamen Vorgehen bewältigt werden.

Ist die Braunkohle in Zukunft noch ein Geschäftsmodell? „Ich habe schon in meinem Landratswahlkampf 2013 nicht mehr von einer Brücken-, sondern von einer Auslauftechnologie gesprochen“, sagt Kreuzberg. „Entscheidend ist: Der Ausstieg muss sozialverträglich sein.“ Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass der Ausstieg früher komme als bisher gedacht. Der Strukturwandel müsse aber mit Hilfen unterfüttert werden, damit nicht 35 000 bis 40 000 Arbeitsplätze verloren gingen.

Dabei gehe es nicht nur um Geld, sondern zum Beispiel auch um die Ausweisung von neuen Industrieflächen, damit neue Produktionsstätten entstehen können. Für Berlin heiße das: „Wir müssen mit dem Revier im Fokus der bundespolitischen Entscheidungen bleiben, damit nicht willkürlich Größen wie sieben Gigawatt Leistungsminderung von Kohlekraftwerken politisch festgelegt werden, ohne die Folgen zu bedenken.“

Um in Berlin die Sorgen der Braunkohlebranche im Gespräch zu halten, habe er sich zusammen mit seinen Kollegen Harald Altekrüger und Götz Ulrich aus der Lausitz und dem mitteldeutschen Braunkohlerevier an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt und einen Braunkohle-Gipfel im Bundeskanzleramt angeregt. Vor Ort müsse der Ausbau, der Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) zur Zukunftsagentur vorangetrieben werden. Da sei mit der Berufung eines hauptamtlichen Geschäftsführers ein Schritt in die richtige Richtung getan worden.

Große Erwartungen hat Kreuzberg in diesem Zusammenhang auch an die neue Landesregierung. Er lobt sie als vom Start weg flexibel und empathisch. „Das ist ein ganz neuer Stil, der eindeutig die Handschrift von Armin Laschet trägt. Er sorgt dafür, dass es eine große politische Familie von Entscheidungsträgern gibt, die die Bedürfnisse der Menschen im Blick hat.“ Eine der ersten Leistungen sei es gewesen, die Polizei unbürokratisch zu stärken.

Den Landtagsabgeordneten der CDU im Rhein-Erft-Kreis bescheinigt Kreuzberg „einen formidablen Wahlkampf“. Romina Plonsker, Gregor Golland und Frank Rock, die alle ihre Wahlkreise direkt gewannen, böten eine Mischung, die die Leute, auch junge Menschen, anspreche.

Tag X ausgemacht

Michael Kreuzberg ist im Oktober 60 Jahre alt geworden. Wie sieht seine Planung für die Zukunft aus? „Zunächst einmal stehen Familie und Gesundheit an erster Stelle.“ Wie es beruflich weitergehe, habe er noch nicht entschieden. „Ich habe mit dem CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Willi Zylajew einen Tag X ausgemacht, an dem wir uns darüber verständigen, was er machen wird und was ich machen werde. Dieser Tag kommt aber noch nicht so bald.“ Die nächsten Kommunalwahlen stehen 2020 an.

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