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Rhein-ErftMit diesen ungewöhnlichen Aktionen wollen die Kandidaten Wähler gewinnen

Lesezeit 6 Minuten
Die Bundestagskandidaten setzen mitunter auf ungewöhnliche Wahlkampfaktionen.

Die Bundestagskandidaten setzen mitunter auf ungewöhnliche Wahlkampfaktionen.

Rhein-Erft-Kreis – Infostände in Fußgängerzonen, Reden halten, Gespräche mit potenziellen Wählerinnen und Wählern führen, von Tür zu Tür gehen, Blumen Windräder und Ballons verteilen – so werben die Kandidaten um die Gunst der Wählerinnen und Wähler. Der Wahlkampf der Parteien für die Bundestagswahl am Sonntag hat viele Gesichter. Und mitunter setzen die Kandidatinnen und Kandidaten auf ungewöhnliche Herangehensweisen.

Aaron Spielmanns (SPD) setzt auf Satire

So zum Beispiel Aaron Spielmanns, Direktkandidat der SPD für den Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis I. Als Kunstaktion bezeichnet der 23-Jährige seine „Satire am Wahlkampfstand“. Es sei eine kleine Aufführung, die auf das Thema Parteispenden aufmerksam machen soll, erläutert Spielmanns.

Der gebürtige Bedburger setzt sich mit seinem Akkordeon an einen Wahlkampfstand und spielt munter ein paar Songs. „My Bonnie lies over the Ocean“, „Hallelujah“ oder „What shall we do with the drunken sailor“ gehören zum Repertoire. Vor Spielmanns auf dem Boden steht ein Pappschild, per Hand beschriftet: „Bitte um eine kleine Spende. Ihre SPD“, direkt daneben ein Hut mit ein paar Münzen darin. Neben Spielmanns sitzt ein Mann mit Strickjacke auf einer Deutschlandflagge und raucht eine Zigarre. Auf dem Schild vor ihm wird ausschließlich um Konzern- und Großspenden gebeten.

„Ich möchte damit die Frage in den Raum stellen, wem sich die Parteien verpflichtet fühlen. Denjenigen, die sie finanzieren, oder denjenigen, die sie wählen“, sagt Spielmanns. Die Frage bleibe bewusst unbeantwortet. Doch es gebe ein strukturelles Problem mit Großspenden bei manchen Parteien. Warum also nicht augenzwinkernd darauf aufmerksam machen?

Mit seiner Kunstaktion und nostalgischen Akkordeonliedern will Spielmanns Bürgernähe demonstrieren. Nicht ohne Erfolg. Angelockt von der Musik bleiben viele Menschen vor dem Wahlkampfstand der SPD stehen. Manche wippen zu den Klängen auf den Fußballen hin und her. Einige schunkeln. Bei gelegentlichen Pausen zwischen den Stücken kommen sie mit Spielmanns ins Gespräch. „Man merkt, dass die Aktion ankommt“, resümiert er. „Die Menschen kommen auf uns zu und sprechen uns an.“ Dafür nehme er sich gern Zeit, sagt der junge Kandidat. „Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in die Politik. Dafür möchte ich werben.“

Georg Kippels (CDU) mag es klassisch

Georg Kippels mag es klassisch. Der Bedburger setzt auf „Canvassing“, wie der Fachbegriff für den Wahlkampf an der Haustür lautet. „Wahlkampf ist Kommunikation, kein Klamauk“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete, der das Direktmandat zum dritten Mal gewinnen will. Ungewöhnliche Aktionen, die nur dem Zweck dienten, Aufmerksamkeit zu erregen, seien seine Sache nicht, sagt Kippels.

„Politik hat aus unterschiedlichen Gründen viel Vertrauen verloren“, sagt Kippels. Daher wolle er den Menschen vermitteln, dass politische Arbeit eine ernstzunehmende Angelegenheit sei. „Mal ein lockerer Spruch oder ein Scherz – das ist schon in Ordnung.“ Aber Showeinlagen dürften nicht sein. „Die Kernaussage muss sein: Es geht um eine wichtige Sache“, formuliert Kippels.

In den Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern vor Supermärkten und Bäckereien, aber eben auch an der Haustür sei es ihm wichtig, eine gute Atmosphäre zu erzeugen. „Politik darf keinen schlechten Eindruck hinterlassen.“

Rüdiger Warnecke (Grüne) tritt mit seiner Band auf

Darauf, dass Musik verbinden kann, setzt auch Rüdiger Warnecke, der für Bündnis 90/Die Grünen als Bundestagskandidat ins Rennen geht. Er tritt auf Wahlkampfveranstaltungen gleich mit seiner ganzen Band auf.

„Das ist der erste Auftritt seit mehr als einem Jahr“, sagt der 62-Jährige und geht direkt zur Musik über. Das Publikum unterhält er mit Sounds aus den 70er und 80er Jahren. Vor allem Blues und Funk lägen ihm am Herzen, erzählt Warnecke. „Ich bin Musiker und Kaufmann. Und ich sage immer, dass ich als Kaufmann arbeiten muss, um Musik machen zu können“, sagt er und lacht. 2008 legte er eine CD vor.

Der Auftritt mit seiner Band „R.W. Corner“ ist bewusst Teil seines Wahlkampfs und gehört zu seinen drei zentralen Themen, nämlich Generationengerechtigkeit, Wirtschafts- und Energie- sowie Kulturpolitik. „Die Kulturpolitik ist mir sehr wichtig“, sagt Warnecke. „Ich will zeigen, dass es unter Politikern auch Kulturschaffende gibt, und dass ich mich dafür einsetze, dass zum Beispiel Musik mehr wertgeschätzt wird.“

Seine Aktion wird wohlwollend aufgenommen. Es ist zwar dunkel und herbstlich kühl vor dem Medio in der Bergheimer Innenstadt, doch das Publikum hält sich tanzend warm. Zu Warneckes rauchigem Gesang, untermalt von Gitarren, Keyboard und Schlagzeug, beginnt so mancher, sich in den Hüften zu wiegen.

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Parteimitglieder, die der Veranstaltung beiwohnen ebenso wie Passanten, die auf dem Heimweg stehenbleiben und eine Weile mittanzen. „Musik bringt die Menschen eben zusammen“, sagt Warnecke.

Stefan Westerschulze (FDP) verzichtet lieber aufs Singen

„Wir haben den Wahlkampf jetzt nicht neu erfunden“, sagt der Kerpener FDP-Kandidat Stefan Westerschulze über sich und sein Team. Das mit dem Singen, das lasse er jedenfalls besser. „Meine musikalischen Fähigkeiten lassen das nicht zu. Ich mache es lieber politisch-fachlich“, sagt der 43-jährige Verwaltungsangestellte, der Politikwissenschaften studiert hat.

Dabei legt er auch selbst Hand an und hängt Plakate auf. Gerade macht er sich auf den Weg ins Einkaufszentrum Erft Karree in Kerpen. Denn: Da sei Christian Lindners Konterfei auf einem Plakat verunstaltet worden. „Das würde ich gern ersetzen“, sagt Westerschulze.

Auch das direkte Gespräch mit den Wählern scheue er nicht, sagt der Freie Demokrat. Am Donnerstag war Westerschulze im Kerpener Jugendzentrum, um „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ mit Jugendlichen zu diskutieren. Locker war auch ein Termin in Sinnersdorf in einer Kneipe. Dort wartete ein kompletter Stammtisch auf ihn.

Sirin Seitz (Die Linke) und der Miethai

Ein fünf Meter hoher, aufblasbarer Hai zeigt seine spitzen Zähne am Wahlkampfstand der Linken in der Frechener Fußgängerzone. „Miethaie zu Fischstäbchen“, lautet die plakative Botschaft, die Sirin Seitz (30), Direktkandidatin der Partei Die Linke im Wahlkreis 91, vermitteln will. „Der Hai zieht die Aufmerksamkeit auf sich“, sagt die Kandidatin. „Alle, die Kinder dabei haben, bleiben schon mal stehen.“

Mit den Erwachsenen kommt Seitz dann ins Gespräch. „So kann man ein Thema setzen, in diesem Fall das Problem der hohen Mieten.“ Dagegen sei die Politik durchaus nicht machtlos. „Die hohen Mieten sind kein Naturgesetz“, sagt Seitz, die selbst lange nach einer bezahlbaren Wohnung in Brühl gesucht hat. „Wir wollen die Mieten deckeln.“

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Die meiste Zeit muss Sirin Seitz, die in Teilzeit im Fraktionsbüro der Linken im Kreistag beschäftigt ist und für den Wahlkampf ihr Masterstudium in Amerikanistik zurückstellt, die Wähler aber ohne Hai überzeugen. Denn der Miethai ist für Die Linke im ganzen Bundesland gedacht und hat 28 Einsätze. Wenn die Luft raus ist, passt er in einen Karton von der Größe einer Waschmaschine.

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