Von Freude bis EntsetzenReaktionen auf den Beschluss zum Kohleausstieg in Rhein-Erft

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Die Reaktionen auf das neue Gesetz zum Braunkohlenausstieg sind völlig gegensätzlich.

Die Reaktionen auf das neue Gesetz zum Braunkohlenausstieg sind völlig gegensätzlich.

  • Bundestag und Bundesrat haben am Freitag den schrittweisen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 beschlossen.
  • CDU und SPD im Rhein-Erft-Kreis zeigen sich zufrieden mit der Entscheidung. Doch Umweltschützer, Grüne und Linke üben heftige Kritik.
  • Wir haben mit Politikern und Umweltschützern über die Entscheidung gesprochen.

Rhein-Erft-Kreis – Die Reaktionen auf das Strukturstärkungsgesetz könnten unterschiedlicher nicht ausfallen.

Landrat Michael Kreuzberg und die Zukunftsagentur Rheinisches Revier begrüßen das Strukturstärkungsgesetz: „Damit nimmt der Bund die lang ersehnte Weichenstellung vor. Endlich werden die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Strukturwandel geschaffen“, sagt Kreuzberg, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Zukunftsagentur. Auf das Rheinische Revier entfallen laut Kreuzberg bis 2038 37 Prozent der Fördermittel aus dem Strukturstärkungsgesetz. Dies seien rund 15 Milliarden Euro.

Kreuzberg ist optimistisch: „Deutschland wird es dadurch schaffen, die Klimaziele einzuhalten und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die betroffenen Kohleregionen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden angemessen unterstützt.“

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Antje Grothus ist „empört und entsetzt“

Antje Grothus sieht das ganz anders. Als ehemaliges Mitglied der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung sei sie „empört und entsetzt“ über das Gesetz, betont Grothus von den Buirern für Buir. Eineinhalb Jahre nach Ende der Kommissionsarbeit stelle die Bundesregierung „eindrücklich“ unter Beweis, „dass es ihr nicht um einen fairen Interessenausgleich oder gar sozialverträgliche Lösungen im Sinne der betroffenen Anwohner“ gehe, sondern nur darum, „ihre konzernfreundliche Politik abnicken zu lassen“.

Wörtlich fügte sie hinzu: „Ich stehe nicht dafür zur Verfügung, diesen dreckigen Deal zwischen der Bundesregierung und dem Kohlekonzern RWE zu legitimieren.“ Nach Meinung von Grothus werde das Gesetz die Konflikte nicht befrieden, sondern den Widerstand „neu und stärker als je zuvor entfachen“.

BUND: „Wir fühlen uns massiv getäuscht.“

Dirk Jansen, Landesgeschäftsleiter des BUND, sagt: „Wir sind enttäuscht, denn wir fühlen uns massiv getäuscht.“ Das Gesetz sei ein „klimaschutzpolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung“. Besonders die „Trickserei“ von Ministerpräsident Armin Laschet tue weh. „Das liegt uns besonders quer, weil Laschet sich nun eine vermeintliche Legitimation bei der Bundesregierung geholt hat, um weitere Menschen zwangsumzusiedeln im Bereich Garzweiler II. Das halten wir für verfassungswidrig.“

Ob es zu einer Klage kommt? Jansen sagte, das Gesetz werde zunächst „intensiv überprüft“. Es sei enttäuschend, dass die Beschlüsse der Kohlekommission von der Bundesregierung nicht eins zu eins umgesetzt worden seien: „Die gesamte Klimabewegung ist durch dieses Kohleausstiegsverzögerungsgesetz motiviert, ihren Einsatz noch zu intensivieren.“

Jetzt rückten der Tagebau Garzweiler und die von Umsiedlung bedrohten Dörfer in den Vordergrund. Auch die Lage am Hambacher Wald sei nach wie vor problematisch.

Dierk Timm: „Das ist ein großer Schritt nach vorn“

Dierk Timm, SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender und Landratskandidat, begrüßt die Aufnahme des S-Bahn-Konzepts Rheinisches Revier in das Gesetz.„Mit beiden Gesetzen haben wir eine Grundlage, den Strukturwandel kraftvoll anzugehen. Das ist ein großer Schritt nach vorn.“ Der Verzicht auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung werde das Verfahren deutlich beschleunigen. „Infrastruktur ist Treiber für den Strukturwandel.“

Mit dem Anpassungsgeld seien für die RWE-Mitarbeiter gute Bedingungen geschaffen worden, jedoch müsse noch nachgearbeitet werden. „Auch Mitarbeiter von Partner- oder Subunternehmen dürfen nicht in die Arbeitslosigkeit fallen“, mahnt Timm. Und ihm fehle noch die Perspektive für zukunftsorientierte Arbeitsplätze im Kreis. „Im Augenblick sehe ich viele neue Arbeitsplätze in Jülich rund um die Themen Forschung und Entwicklung.

„Also muss es ein guter Kompromiss sein“

Sascha Solbach (SPD), Bürgermeister von Bedburg, sagt: „Es ist so wichtig, dass es mit dem Kohleausstiegsgesetz endlich Verbindlichkeit und mit dem Strukturstärkungsgesetz eine Perspektive für das Revier gibt.“ Es sei hervorragend, dass das S-Bahn-Paket Eingang in das Gesetz gefunden habe. Ein Kompromiss sei dann gut, wenn beide Seiten nicht ganz zufrieden seien. „Den einen geht der Ausstieg zu schnell, den anderen zu langsam – also muss es ein guter Kompromiss sein“, sagt Solbach. „Ich kann nur alle ermahnen, Frieden einkehren zu lassen.“

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Andreas Heller (CDU), Bürgermeister von Elsdorf zählt auf: „Milliarden schwere Finanzmittel für das Revier, schnellere Planverfahren, Grundlagen um neue Arbeitsplätze zu schaffen, kein Wettlauf um die Fördertöpfe zwischen den Kommunen.“ Und: „Damit haben wir die Grundlage geschaffen, um vor Ort auch weiterhin handlungsfähig zu bleiben und nicht als Verlierer des Strukturwandels auf dem Altar der Energiewende geopfert zu werden.“

„Große Chance auf echten Klimaschutz“ verpasst

Elmar Gillet, Vorsitzender der Grünen-Kreistagsfraktion und Landratskandidat, spricht von einer verpassten „großen Chance auf echten Klimaschutz“. So könnten die Pariser Klimaschutzziele nicht erreicht werden. „Im Revier müssen weitere Orte völlig unnötig der Braunkohle weichen“, sagt Gillet. „Der Erhalt des Hambacher Waldes ist im Gesetz rechtlich nicht abgesichert. Dies kann zu erneuten Konflikten führen.“ Die Strukturfördermittel unterstützten nicht ausreichend den Umstieg auf erneuerbare Energien.

Für die Linken erfolgt die Abschaltung der Kraftwerke zu spät. Auch dass die Kommunen mit zehn Prozent Eigenanteil an den Projekten belastet würden, sei problematisch. Für Hans Decruppe, Fraktionsvorsitzender der Linken und Landratskandidat, bieten die „erheblichen finanziellen Fördermittel auch Chancen für einen sinnvollen und nachhaltigen Strukturwandel“. Aber auch die soziale Infrastruktur müsse gestärkt werden.

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