AusbildungsbörseFür Wesselinger Schüler ist die Berufsorientierung Pflicht

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An einigen Ständen der Wesselinger Ausbildungsbörse herrschte reger Andrang.

An einigen Ständen der Wesselinger Ausbildungsbörse herrschte reger Andrang.

Wesseling – Rainer Seifers von der Agentur für Arbeit in Brühl fand motivierende Worte. „Es gibt noch freie Ausbildungsstellen, sogar in nahezu allen Branchen“, sagte er am Samstagvormittag zu den jungen Besuchern der Ausbildungsbörse im Rheinforum. „Ich kann nur sagen: Bewerbt euch!“, betonte er. Viele Jugendliche traten an seinen Stand, um zu erfahren, wie ihre Chancen stehen.

Darunter waren auch junge Frauen und Männer aus Syrien. „Freie Ausbildungsplätze gibt es sowohl in kaufmännischen als auch im handwerklichen Berufen“, sagte Seifers.

Achte Ausbildungsbörse der IHK

Einen guten Überblick über die aktuelle Ausbildungslage in Wesseling und der Region erhielten die jungen Leute aber auch bei einem Rundgang über die inzwischen achte Ausbildungsbörse, die das Wirtschaftsgremium Wesseling der IHK Köln in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung der Stadt organisiert hatte. 32 Aussteller, die vorwiegend aus der Stadt am Rhein und dem nahen Umfeld kamen, präsentierten sich und nahezu 250 Ausbildungsberufe.

Dabei wurden sowohl Haupt- und Realschüler als auch Abiturienten angesprochen. „Ich interessiere mich für den Beruf der Bankkauffrau“, meinte zum Beispiel Arona (14). Als Schülerin des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums habe sie bereits ein Tagespraktikum absolviert. „Jetzt möchte ich gerne einmal ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren, um noch viel mehr über diesen Beruf zu erfahren“, erklärte sie.

Pflicht für Schulklassen

Für sie, aber auch alle anderen Schüler des Schulzentrums, war der Besuch der Börse Pflicht. „Aber das ist überhaupt gar kein Problem“, meinte Sebastian (15). Er wisse zwar nicht, ob er freiwillig gekommen wäre, doch es habe sich auf jeden Fall gelohnt. „Ich wusste gar nicht, dass es in Wesseling so viele interessante Lehrberufe gibt“, sagte er und schielte zum Stand des Zollamts. „Dort könnte ich mir gut vorstellen, nach dem Abitur einmal anzufangen“, sagte er.

Genau diese Chance, jungen Leuten frühzeitig ihre Möglichkeiten aufzuzeigen, war laut Bürgermeister Erwin Esser auch mit ein Grund, die Ausbildungsbörse 2016 verpflichtend für die Schüler zu machen. „Im Nachhinein ist es ja wirklich zum Vorteil der jungen Leute“, so Esser. Unverbindlich und zwanglos könnten sie auf der Börse das Spektrum der Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort kennenlernen. „Und wer weiß, vielleicht entdecken sie ja sogar ihren Traumberuf“, meinte er.

Sichtbares Interesse der jungen Leute

„Die sind hier wirklich fantastisch aufgestellt“, merkte auch Bernd Weber (55) aus Bornheim an. Zusammen mit seiner Frau begleiteten sie den Neffen über die Börse. „Und unser Neffe hat hier sogar Unternehmen entdeckt, von denen er bisher gar nicht wusste, dass es sie gibt“, ergänzte Petra Weber.

Erfreut über das sichtbare Interesse der jungen Leute waren auch die Vertreter der Firmen. „Die Schüler sind alle sehr wissbegierig“, meinte etwa Katharina Wiener von der Aldi-Teamleitung. Tatsächlich hatten einige Schüler sogar im Vorfeld einen Fragenkatalog erstellt, um am Stand ihrer Wahl bloß keine wichtige Antwort zu verpassen.

Berufsfeuerwehr und Bauunternehmen stellten sich vor

Doch nur sehr wenigen war bekannt, dass es bei der Feuerwehr seit Jahresbeginn einen ganz neuen Beruf gibt: den Notfallsanitäter. „Die Ausbildung dauert drei Jahre“, erklärte Stadtbrandmeister André Bach. Voraussetzung sei der mittlere Schulabschluss und körperliche Fitness. Viele Bewerber habe er auch für die Ausbildung zum Brandmeister. Leider hätten jedoch immer wieder auch Jugendliche keine rechte Vorstellung von dem, was sie als Berufsfeuerwehrmann erwarte. Die Arbeitszeiten etwa, die seien ganz anders als in vielen anderen Berufen. „Bei der Feuerwehr ist man Dienstleister und muss Teamplayer sein“, so Bach.

Was in einer Ausbildung zum Stahlbetonbauer auf die Auszubildenden zukommt, konnten die jungen Besucher auf der Börse hingegen live erleben. Stolz zeigten nämlich die beiden Auszubildenden des Bauunternehmens Graf, Justus Saßmann und Denis Schmitz, wie sie die Bewehrung für eine Stahlbetonstütze herstellen. „Diese Ausbildung ist echt vielseitig macht super viel Spaß“, sagte Schmitz.

Lohnt sich der Besuch der Ausbildungsbörse? – Das sagen Besucher und Aussteller:

Ich kam über eine Stellenanzeige in der Zeitung zu meinem Ausbildungsplatz. Bei einer Ausbildungsbörse in Köln fand ich meinen Wunschberuf leider nicht. Um so schöner finde ich es, dass ich jetzt hier jungen Leute behilflich sein kann. Mir gefällt das Miteinander hier auf der Börse, das breit gefächerte Angebot und der lokale Bezug, von Wesselingern für Wesselinger. Isabell Herschmann (22), künftige Groß- und Außenhandelskauffrau

Mir gefällt diese Ausbildungsbörse vor allem deswegen, weil hier die Auszubildenden direkt mit möglichen neuen Bewerbern in Kontakt und ins Gespräch kommen. Azubis und Schüler begegnen sich hier quasi auf Augenhöhe. Die Jugendlichen können so im Gespräch sehr viel über ihren möglichen Wunschberuf erfahren und bekommen auch Tipps für die Bewerbung. Joseph Schwäbig (29), Auszubildender zum Chemikanten

Diese Börse ist genau richtig so, wie sie ist. Ganz besonders gut kommt bei den Bewerbern an, dass sie hier mit den Vertretern der Unternehmen bereits erste Kontakte aufnehmen und schon über Inhalte der Ausbildung und über Aufstiegsmöglichkeiten sprechen können. Das Angebot ist gut auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten, die sich auf den Wechsel von der Schule ins Berufsleben vorbereiten. Linda Sidiqi (22), Auszubildende zur Bankkauffrau

Die Börse ist nicht zu klein und nicht zu groß. Groß ist nur das Spektrum der hier vorgestellten Berufsfelder. Eigentlich müssten alle Schulen ihre Schüler wieder an die klassischen Ausbildungsberufe heranführen. Ich finde, hier wird sehr anschaulich vermittelt, dass Ausbildung viel Spaß machen kann und sich sehr viele Möglichkeiten für eine Weiterbildung bieten. Sebastian Harff (20), Auszubildender zum Industriemechaniker

Ich finde diese Ausbildungsbörse total interessant. Es ist in Ordnung, dass der Besuch für die Schüler des Schulzentrums Pflicht ist. Die vielen Informationen, die man hier bekommt, sollten einem einen Besuch wert sein. Ich selbst habe meinen Traumberuf vor Jahren gefunden. Ich möchte nach dem Abitur  die Ausbildung zum Notfallsanitäter bei der Feuerwehr  machen. Hanna Stebner (15), Schülerin, Käthe-Kollwitz-Gymnasium Wesseling

Meiner Meinung nach sollten die Schulen die jungen Leute noch intensiver auf die Ausbildungsberufe vorbereiten. Die Schüler sollten dafür sensibilisiert werden, solche Angebote wie hier noch stärker zu nutzen. Ich selbst habe keine Ausbildungsbörse besucht, sondern im Internet das Unternehmen und die Stellenausschreibung für meine Ausbildung gefunden. Johannes Wilkens (20), Auszubildender zum Anlagenmechaniker

Sieben Fragen an Mitorganisator Joachim Ohn

Joachim Ohn (55) ist Mitorganisator der Wesselinger Ausbildungsbörse und Unternehmer für Versorgungstechnik. Seit 15 Jahren bildet er in seinem Betrieb Anlagenmechaniker aus. Margret Klose sprach mit ihm über die Bewerber und die Situation der Ausbilder.

Gehen bei Ihnen noch viele Bewerbungen ein?

Nein, es sind sogar erstaunlich wenige. Wir bekommen nur noch ein bis zwei Bewerbungen im Jahr.

War das denn in der Vergangenheit einmal anders?

Ja, noch bis vor etwa fünf sechs Jahren hatten wir jährlich bis zu sechs Bewerber und das ist eigentlich ganz gut für ein so kleines Unternehmen, wie wir es sind, mit nur zehn Festangestellten. Unser Ziel war es ja auch, jedes Jahr einen Auszubildenden einzustellen.

Lässt sich dieses Ziel zurzeit noch aufrecht halten?

Nein, das liegt aber auch an den Bewerbern. Die Ausbildungsreife ist bei einigen einfach nicht mehr gegeben.

Woran hapert es?

Oft liegt es einfach an fehlenden Mathematikkenntnissen und dem kaum vorhandenen technischen Verständnis. Aber auch die Leistungsbereitschaft vieler junger Leute ist einfach nicht mehr gegeben.

Was meinen Sie damit?

Das heißt, dass wir heute schon froh sein können, wenn die Jugendlichen pünktlich zur Arbeit kommen.

Wie viele Auszubildende haben Sie zurzeit?

Keinen mehr. Vor sechs Monaten musste ich beide Auszubildenden gleichzeitig im laufenden Lehrjahr entlassen.

Wollen Sie  in diesem Jahr wieder einen Auszubildenden einstellen?

Natürlich, wir haben schließlich nach wie vor den Anspruch, jedes Jahr einen Auszubildenden einzustellen. Allerdings müssen die Leistungen schon stimmen und  die Person muss auch in unser Team passen.

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