„Keine klassische Gemeinde“Michael Pues ist Pfarrer für Studierende in Rhein-Sieg

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Michael Pues ist Hochschulpfarrer im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn.

Rhein-Sieg/Bonn – Er führt eine Gemeinde ohne Kirchturm und ohne Pfarrhaus; wie viele Mitglieder sie hat, weiß er nicht. Seit fast zehn Jahren steht Michael Pues als Pfarrer an der Spitze der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) und betreut Studierende der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin, der Universität Bonn sowie der Alanus-Hochschule in Alfter.

„Wir sind eben keine klassische Gemeinde“, sagt der 50-Jährige, eine Mitgliederdatei gibt es nicht. „Wer zu uns kommt, im Dietrich-Bonhoeffer-Wohnheim wohnt, wer Veranstaltungen besucht, der ist Mitglied“ – und das vollkommen unabhängig von der Konfession. Jedes Semester kommen neue Interessierte hinzu, andere schließen ihr Studium ab und verlassen die Hochschulen. „Heimat auf Zeit“ sollen sie in dieser Lebensphase in der Studierendengemeinde finden. Motor seiner Arbeit ist für den Theologen, „dass die Studis das als einen Ort begreifen, den sie selber entwickeln und an dem sie sich ausprobieren können.“

Das Büro

Im 1954 eröffneten Dietrich-Bonhoeffer-Haus finden sich das Büro der evangelischen Studierendengemeinde und die Veranstaltungsräume, aber auch und vor allem Wohnheimplätze für 70 Studierende und sechs studentische Familien.

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Zum Team der ESG gehören neben Pfarrer Pues und Bürokräften sowie einem Hausmeister ein Berater für internationale Studierende, Studentische Hilfskräfte und junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr.

Weitere Auskunft und Kontakt gibt hier. (dk)

Genau das Interesse an der Arbeit mit dieser Zielgruppe war es auch, die Michael Pues vor zehn Jahren motivierte, eine Stelle als Gemeindepfarrer bei St. Gallen in der Schweiz aufzugeben und mit der jungen Familie nach Bonn zu übersiedeln. „Ich habe nur mit Leuten zu tun, die freiwillig da sind“; noch dazu mit 18 bis 27 Jahren in einer Altersgruppe, „die in klassischen Gemeinden nicht vorkommt“.

Vielfältig sind die Angebote der ESG, es gibt eine „sehr lebendige Chorarbeit“, eine Theatergruppe, Filme mit Diskussion oder auch einmal ein Pubquiz. Schon im dritten Semester hintereinander gibt es nun kein gedrucktes Programm, wohl aber Veranstaltungen wie eine Schreibwerkstatt, die digital organisiert und ausgerichtet wurde, oder eine Begegnung mit Juden. Und natürlich gibt es Gottesdienste. Sei es – bis Weihnachten – in der Bonner Lutherkirche oder im Botanischen Garten, wo es im vergangenen Sommer regelmäßige Frühandachten um 7 Uhr morgens gab.

Neue Gottesdienstformen entwickelt

Dennoch sehen sich Pues und das Team der ESG auch in kirchlichen Gremien immer wieder einmal mit dem alten Bild der Studierendengemeinde aus den 70er und 80er Jahren konfrontiert: ohne Gottesdienste, aber hoch politisiert.

Neue Gottesdienstformen hat die Corona-Pandemie der Gemeinde diktiert. Ein „Format, das viel mit Interaktion zu tun hat“, haben Pues und seine Mitstreiter entwickelt. Denn „die haben keine Lust, sich eine Stunde Gottesdienst anzuschauen.“ Mindestens ebenso wichtig seien „gerade jetzt“ Beratung und Seelsorge. Feste Sprechzeiten oder ein Büro an einer der Hochschulen gibt es nicht, „die Menschen finden mich“. Jede Woche führt Michael Pues mehrere Gespräche, manchmal begleitet er die Ratsuchenden auch über einen längeren Zeitraum. Wo will ich hin? Studiere ich das Richtige?

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Auf Fragen wie diese suchen die jungen Menschen Antworten, Beziehung und Partnerschaft sind gleichwohl ebenso Themen wie religiöse Fragestellungen. Neue Facetten bringt die Pandemie in die Gespräche hinein: Wie strukturiert man sein Leben, wenn der Rahmen fehlt? „Ätzend“ finden viele das Lernen auf Distanz. Viele Studierende kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten, weil die Nebenjobs wegfallen. Und nicht zuletzt nehmen die psychischen Erkrankungen deutlich zu, weiß Michael Pues.

Welche Antworten er gibt? Manchmal ganz praktische mit Hilfe aus dem Notfallfonds der ESG oder mit dem Angebot, in deren Seminarräumen zu lernen, so lange die Bibliotheken geschlossen sind. Und manchmal mit dem Rat, „sich selber Druck zu nehmen.“ Wobei er selbst weiß, dass das im eng getakteten Hochschulalltag mit dem Streben nach „credit-points“ und Abschlüssen nicht so leicht ist.

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