AbenteuerWie Hans Fuhrmann den Ärmelkanal ohne Neopren-Anzug durchschwimmen will

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Hans Fuhrmann beim Training im im Ijsselmeer: Eineinhalb Jahre bereitet sich der Schwimmer auf das größte Abenteuer seines Lebens vor. Während der Querung darf er das Begleitschiff nicht berühren.

  • Hans Fuhrmann aus Sankt Augustin will im August den Ärmelkanal durchschwimmen. Ohne Neoprenanzug.
  • Seit mehr als einem Jahr trainiert der 60-Jährige für das große Abenteuer.
  • Nicht nur körperlich, sondern auch mental.
  • „Der Erfolg entsteht im Kopf”, sagt der Finanzberater.
  • Und: „Ohne Team geht es nicht.”

Sankt Augustin – Wenn Hans Fuhrmann sich auf dem Sofa liegend Wasser auf der Haut vorstellt, dann fühlt er Kälte und Nässe; streicht er sich mit den Händen über die Oberschenkel, wird ihm wieder wärmer – mit diesen Mentalübungen bereitet sich der 60-Jährige im gemütlichen Reihenhaus in Niederpleis auf das Abenteuer seines Lebens vor. Im August will er den Ärmelkanal durchschwimmen – ohne Neoprenanzug.

33 Kilometer sind es vom englischen Dover bis Calais in Nordfrankreich. Luftlinie. Die Schwimmstrecke ist aber nicht gerade, sondern S-förmig, beeinflusst von den Strömungen, und somit länger. 13 bis 14 Stunden im freien Wasser, mit Wellen, Schiffsverkehr – und vor allem mit niedrigen Temperaturen. Das Meer hat hier weniger als 16 Grad Celsius.

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Hans Fuhrmann aus Sankt Augustin will im August den Ärmelkanal ohne Neopren-Anzug durchschwimmen.

Seit mehr als einem Jahr trainiert der Langstreckenschwimmer für diese Extrem-Belastung. Er kraulte Tag und Nacht, Kilometer um Kilometer durchs Wasser, im Schwimmbecken und vor der Küste von Lanzarote, im Ijsselmeer, in Köln, Sankt Augustin und Hennef.

Strenges Reglement der „Channel Swimming & Piloting Association“

Zusätzlich muss sich jeder Kanalschwimmer dem strengen Reglement der „Channel Swimming & Piloting Association“ unterwerfen, unter anderem ein ärztliches Attest beibringen und ein Begleitboot mit Käpt’n und Crew chartern. Denn zu queren sind auch zwei Hauptschifffahrtslinien.

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Vom Langstreckenschwimmen zum Ironman und zurück: Der Sankt Augustiner Ausdauersportler Hans Fuhrmann liebt die Herausforderung.

Das testierte sechsstündige Schwimmen absolvierte der Finanzberater im Allner See. Anfang Oktober herrschten zwar sommerliche Lufttemperaturen von 27 Grad, das Wasser hatte aber lediglich 15. Ein Härtetest, den Freunde der DLRG-Ortsgruppe Sankt Augustin und seine Ehefrau Sabine, selbst Schwimmerin, begleiteten. „Nach zweieinhalb Stunden hatte ich immer stärker werdende Gesichtsschmerzen, so dass ich den Entschluss fasste, bei drei Stunden aufzuhören.“

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Das Team sei überrascht gewesen und habe nur gemeint: „Na ja, es war einen Versuch wert.“ Das habe ihn geärgert, aber auch motiviert weiterzumachen. Zumindest eine weitere halbe Stunde, daraus wurden drei. Geschafft. Sein Resümee: „Erfolg entsteht im Kopf.“ Und: Ohne Team geht es nicht. Eng stimmt sich Fuhrmann mit seinem Trainer Marcel van der Togt ab, selbst Kanalschwimmer und früherer Nationaltrainer der niederländischen Freiwasserschwimmer.

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Die Strecke durch den Ärmelkanal verläuft S-förmig.

Mentaltrainer Jürgen Nike arbeitet mit Audioprogrammen, die Hirnfrequenzen stimulieren, und mit Autosuggestion: Anfangs legte sich Fuhrmann eine Wärmflasche auf den Oberkörper, rieb sich danach mit den Händen die Beine. Jetzt reicht das Streichen aus, um ein Gefühl der Wärme entstehen zu lassen.

Der erste war ein Käpt’n

 Kapitän Matthew Webb hat  im August 1875 als erster Mensch den Ärmelkanal  durchschwommen. Der  27-jährige hatte Seegang und Strömung falsch berechnet und   mehr als  70 Kilometer in  21 Stunden zurückgelegt, begleitet von einem Boot, auf dem sich auch  Londoner Journalisten befanden.  Der US-Amerikaner Paul Boyton war ihm im Mai 1985 zwar zuvorgekommen, trug aber  einen mit Luft gefüllten Gummianzug und benutzte ein Paddel. Offizielle Kanalschwimmer dürfen nur  Badehose,  Badekappe und Ohrstöpsel tragen. In fast 150 Jahren haben rund 1700 Menschen das Abenteuer gewagt, die jüngste 16, der   älteste 70 Jahre alt.  Für Hans Fuhrmann, der  die nötigen  6000 Euro   mit Hilfe von Sponsoren aufbringt, ist nicht  ausgemacht, dass danach  Schluss ist. Die Kanalquerung ist   ein Teil der „Ocean’s Seven“. (coh)

Zur Vorbereitung gehört auch, sich schwierige Situationen vorzustellen: „Die Küste ist schon in Sichtweite, aber ich schwimme seit einer Stunde gegen die Strömung, ohne von der Stelle zu kommen.“ Nach etwa 13 Stunden Non-Stop-Kraulen will Fuhrmann das französische Ufer erreichen. Der Starttag in der zweiten Augustwoche hängt vom Wetter ab, es wird vermutlich nachts um 1 Uhr losgehen.

Das Schiff darf der Schwimmer nicht berühren, auch das steht im Reglement, die Flüssignahrung – ein Mix aus einem hypertonischen Trank mit hoch konzentriertem Kohlehydratpulver – reicht ihm seine Frau alle 30 Minuten an einer vier Meter langen Stange. 30 Sekunden legt sich ihr Mann dann auf den Rücken, strampelt mit den Beinen und leert die Beutel möglichst ohne zu schlucken.

Trotz Vorbereitung kann das Vorhaben scheitern. Die Crew ist befugt, ihn bei schwerem Sturm und Gewitter ins Boot zu holen – und wenn sein Körper und sein Geist wider Erwarten schlapp machen sollten. Ernsthaft rechnet Fuhrmann damit nicht. Er will nach der Tortour am Ufer in Calais den Daumen hochrecken, als Antwort das Schiffshorn hören und sich später zurück in Dover im White House Pub an der Wand verewigen – wie alle seine Vorgänger seit 1875.

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