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Besondere Bäckereien in Rhein-SiegIm Eichhof backen Menschen mit Assistenzbedarf

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Im Bioladen verkauft Bianca Herrmann das Gebackene. Das Geschäft ist auch ein beliebter Nachbarschaftstreff. 

  • Brötchen, Brot, Croissants oder ein leckeres Stück Kuchen – die Backkunst kennt keine Grenzen. Wir haben Bäckereien im Rhein-Sieg-Kreis besucht, die noch selber backen und ganz besonderen Wert auf ihre traditionelle Handwerkskunst legen.

Much – Vielleicht verderben viele Köche den Brei, wie es ein Sprichwort behauptet, doch in der besonderen Backstube des Eichhofs sind die zahlreichen Bäcker das Erfolgsrezept. Sie müssen alle mitmischen, die eine wiegt sehr bedächtig und genau ab, der andere holt schwungvoll den Teig aus der Maschine, vier wälzen in aller Ruhe die Rohlinge in Kernen, andere ruhen sich aus – jeder kann nur eine einzelne, abgesteckte Aufgabe bewältigen. Es sind allesamt „Kollegen und Kolleginnen mit Assistenzbedarf“, Menschen mit vielfältigen Behinderungen, und ihre Bio-Produkte sind absolut konkurrenzfähig.

Für das saftige Dinkelkorn, das dunkle Berliner oder das helle Toskana-Brot nehmen die Kunden teils weite Wege in Kauf. Der Eichhof, der Lebensgemeinschaft ist und Arbeitsplätze in diversen Werkstätten für Leute auch aus dem Umland bietet, liegt etwas versteckt am Rande der Gemeinde Much, nahe der Bröltalstraße zwischen Hennef und Ruppichteroth.

Wer indes zu früh kommt in den Bioladen mitten auf dem Gelände, der sieht noch Lücken in der Backwaren-Theke. Denn die Arbeit der Handwerker beginnt frühestens um 6 Uhr, da ist das Brot um 9 Uhr noch nicht fertig. Am Nachmittag steht die Produktion von Plätzchen auf dem Programm. „Eine komfortable Zeit für Bäcker“, sagt Thomas Zucker, der das Team seit Beginn im Jahr 2000 anleitet. Dafür braucht es nicht nur den Meisterbrief, sondern auch heilpädagogische Kenntnisse.

In der Backstube Eichhof wird in kleinen Schritten gearbeitet

Die Arbeit muss in solch kleine Schritte unterteilt werden, dass sie einerseits von den Kollegen mit Assistenzbedarf zu schaffen ist und dass andererseits am Ende ein qualitätsvolles Produkt aus dem Ofen kommt. „Die Beschäftigten können zwei Dinge nicht: Unter Zeitdruck und mit Präzision arbeiten“, sagt Eichhof-Leiter Georg Rothmann.

Also scheiden zum Beispiel Schnittbrötchen aus, die sehr viel komplexe Handarbeit erfordern, damit die nötige Spannung auf den Teig kommt, wie es Zucker erklärt. Stattdessen wird der zum Fladen geformte Teig in einem sogenannten Stempel in gleich große Rundlinge geteilt, diese werden in Wasser gelegt. Vier Leute wälzen sie in Körnern und platzieren sie auf dem Blech.

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Eine weitere Schwierigkeit ist die Verarbeitung von Demeter-Getreide aus dem Bauckhof, einem inklusiven Betrieb in Norddeutschland, das die höchsten Öko-Kriterien erfüllt. Anders als in anderen Backstuben könne aber kein anderes Getreide beigemischt werden, erklärt der Meister, wenn zum Beispiel der Weizen zu wenig Kleber enthalte.

Lebensgemeinschaft Eichhof

Bioladen und Café, Eichhof 8, 53804 Much

Telefon: 02295/92 02-23

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.30 bis 18 Uhr

Die Backmanufaktur produziere noch etwas: eine große Arbeitszufriedenheit, erzählt Rohmann. Nicht nur beim Besuch der Zeitung herrscht beste Laune; die Resonanz der Kunden komme auch direkt an bei den Kollegen. Der Bioladen, wo sich die Nachbarschaft auch gern zu Kaffee und Schwätzchen trifft, liegt gleich um die Ecke.

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