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EingangsschildOrtsnamen dürfen in Mundart geschrieben werden

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Die Möglichkeiten, die die Heimatministerin den Städten und Dörfern eröffnet, haben wir am Computer mal ausprobiert. Spätestens bei der Schriftsprache des Platt fangen allerdings die Probleme an.

Die Möglichkeiten, die die Heimatministerin den Städten und Dörfern eröffnet, haben wir am Computer mal ausprobiert. Spätestens bei der Schriftsprache des Platt fangen allerdings die Probleme an.

Rhein-Sieg-Kreis – Manch gut gemeintes Geschenk, das unter dem Weihnachtsbaum vor fast einem Monat noch glänzte, hat sich inzwischen als wenig praxistauglich erwiesen. Die eine oder andere Küchenmaschine steht im Sozialkaufhaus, das hübsche Kleidchen landete im Kleidercontainer und viele Spiele haben längst ausgedient und sind auf den Müll gewandert. Noch gar nicht richtig ausgepackt und erst recht nicht praxiserprobt ist ein Erlass von NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach. Sie hat Städten und Kommunen erlaubt, nun auch Zusätze in Mundart mit auf die Ortsschilder zu schreiben. Gut möglich, dass demnächst neben Winterscheid auch Wöngteschd schwarz auf gelb zu lesen ist.

Die Möglichkeiten, die die Heimatministerin den Städten und Dörfern eröffnet, scheinen auf den ersten Blick nahezu grenzenlos. Da könnte an Rhein und Sieg unter dem Niederkasseler Ortsteil Ranzel in Zukunft auch „Reissel“ stehen. Rossel in Windeck könnte mit „Raußel“ ergänzt werden. Zu Uckerath käme „Öckerath“, zu Rheidt „Rheedt“ und zu Oberlar „Oveloor“.

Beitrag zur Identitätsstiftung

„Die Zusatzbezeichnungen auf den Ortsschildern sind ein Beitrag zur Identitätsstiftung in den Orten“, betont Ministerin Ina Scharrenbach. Während in der Vergangenheit – gemeint ist offensichtlich von Rot-Grün – das Anliegen vieler Bürger nicht ernst genommen worden sei, werde jetzt „die Initiative vieler ehrenamtlich tätiger Menschen vor Ort schnell umgesetzt“. Als Voraussetzung für die Genehmigung eines Zusatznamens nennt Scharrenbach die „korrekte Übersetzung und die richtige Schreibweise der Namen auf den Ortsschildern“.

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„Eine schöne Idee“

„Ich finde das toll“, kommentiert Dr. Hubert Grunow aus Windeck-Rossel, der sich in seinem Heimatort für die Mundart einsetzt. Die Zusätze förderten die Identität der Menschen mit ihren Wohnorten. Zudem werde das Sprechen dieser „zweiten Sprache“ gefördert. Bei der Umsetzung gelte wie bei einer echten Fremdsprache die Schriftsprache als Richtschnur. „Das muss man nicht künstlich komplizieren“, meint Grunow. „Eine schöne Idee“ meint auch Erwin Rußkowski, der sich im Lohmarer Verein „Saach hür ens“ für die Mundart einsetzt. Begriffe aus der Mundart zu verschriftlichen, sei aber ein „ganz heikles Thema“. Jedes Dorf pflege eigene Schreibweisen. Und ob Lohmar mit dem Zusatz „Luhmer“ zu versehen sei, müssten am besten die Bürger selbst entscheiden. Allerdings, so befürchtet Rußkowski, würden sich wohl eher die Älteren überhaupt für das Thema interessieren.

„Mumpitz“ und „völliger Blödsinn“ kommentiert der Mucher Heimatforscher Hartmut Benz den Düsseldorfer Erlass. Zum einen sei es kaum möglich, Mundart in eine eindeutige Schriftsprache zu übersetzen, „da buchstabieren sie sich zu Tode“, warnt er. Zum anderen fürchtet Benz, dass der Streit um die jeweils richtige Schreibweise unter den Heimatfreunden jeden Mehrheitsbeschluss verhindern wird.

Over- und Nidderdrespich für Ober- und Niederdreisbach oder Broochhesen für Bruchhausen im Bröltal fallen Benz auf Anhieb als Präzedenzfälle ein. Das Doppelte O sei notwendig, damit Fremde keinen kurzen Vokal sprechen. In den meisten Fällen aber seien derartige Ortsbezeichnungen für Menschen, die keine Mundart sprechen gar nicht lesbar. „Das ist völlig wahnsinnig, das umzusetzen“, meint Benz. „Mir kommt das entgegen“, meint der Ruppichterother Hans-Peter Hohn, gerade wieder als „Döörper Prätscher“ im Karneval unterwegs und das ganze Jahr über Heimatforscher und Förderer der heimischen Mundart. Die Zusätze auf den Schildern machten den Einheimischen die Mundart wieder neu bewusst, hofft er und denkt an Schümermich für Schönenberg. Für Winterscheid würde er sogar „Honger Kuchem“ (Hinter Kuchem) freigeben, die Ortsbezeichnung, die er als Döörper Prätscher erfunden hat und für die er mit einem Augenzwinkern die Rechte beansprucht.

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